| Titel: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Im Jahre 2060 sind Zeitreisen längst kein Problem mehr. Historiker reisen für Studienzwecke in bestimmte Epochen, um mehr Informationen über das Leben der Menschen in jenen Tagen zu erlagen. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der Zweite Weltkrieg von besonderer Bedeutung für diese Studien ist. Mehrere Historiker reisen unabhängig in das London von 1940, um verschiedenste historische Ereignisse zu untersuchen, wie die Schlacht von Dünkirchen und den Blitzkrieg über London. Bald jedoch verkehrt sich die Faszination in blanken Horror, denn das Portal für die Rückreise in die eigene Zeit ist bei allen drei Zeitreisenden defekt. So versuchen sie einander zu finden, in der Hoffnung, das Portal des jeweils anderen benutzen zu können, ohne aber zu wissen, dass diese auch nicht zurück können. Als sich nun alle finden, reift die Gewissheit heran, dass sie vollkommen in den Kriegsjahren gestrandet sind. Verzweifelt versuchen sie der Zukunft eine Nachricht zukommen zu lassen oder andere Zeitreisende zu finden, deren Portal sie unter Umständen benutzen könnten.
Auf insgesamt über 1100 Seiten erzählt die Autorin ihre Geschichte in mehreren Handlungsebenen - erfüllt von dem Bestreben, ihrer Leserschaft eine intensive Geschichtsstunde zu verpassen. Dabei entglitt ihrer Aufmerksamkeit, dass die Grundidee am besten in einer Kurzgeschichte oder Novelle erzählt worden wäre. So aber wird die Geschichte unnötigerweise aufgeblasen zu einem komplexen Monster, das dem Leser viel Durchhaltevermögen abverlangt. In Blackout kommt noch die unerträgliche Naivität der Zeitreisenden hinzu, die scheinbar vollkommen unvorbereitet in die Vergangenheit reisen und beginnen die Geschichte zu verpfuschen. Hinzu kommt, das alles ausführlichst und wiederholt von den verschiedenen Protagonisten beschrieben wird, so dass der Leser aufschreien will: „Ja, verdammt, ich habe es kapiert.“
Der zweite Teil dieses Doppelromans liest sich ein wenig besser, doch obwohl weniger Handlung in dem Buch vorkommt, braucht die Autorin noch mehr Seiten, um ihre Geschichte auf Papier zu bringen. Wahrscheinlich lebt das Buch von den Beschreibungen der Stadt London in den Kriegsjahren, aber für einen Deutschen, der sich in der Schule und auch sonst im Leben immer wieder intensiv mit dem Bombenkrieg beschäftigt hat, ist das nicht so prickelnd. Die Personen sind gut beschrieben, aber die Reflexionen der Protagonisten sind zu ausführlich und zu häufig. Hier wäre ein anständiges Lektorat nötig gewesen um aus diesem Machwerk einen vernünftigen Roman zu machen mit vielleicht 400 Seiten. Dann hätte das Lesen vielleicht sogar Spaß gemacht. So aber wurde es zur echten Nagelprobe.
Es ist mir vollkommen unverständlich, wie dieser Roman sowohl den Hugo als auch den Nebula Award für den besten Science-Fiction-Roman des Jahres 2010 gewinnen konnte. Aber das bestätigt den Trend der letzten Jahre und zeigt, dass der Geschmack der amerikanischen Leserschaft derzeit überhaupt nicht mit dem eines deutschen Lesers übereinstimmt. Ich kann dies aber trotzdem in diesem Fall nur auf das Interesse der amerikanischen Leser an englischer Kriegsgeschichte zurückführen. Was für eine Enttäuschung.
4 von 10 Punkten.