Titel: Armageddon TV
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Christian von Aster zeigt uns eine Zukunft gar nicht weit weg von unserer Gegenwart. Tag für Tag werden blutige Spiele im Fernsehen übertragen. Sie werden als Sport vermarktet. Die größte Fernsehanstalt des Landes überträgt die Spiele auf mittlerweile mehr als 70 Kanälen. In immer kürzeren Abständen sinkt die Quote, weil die Zuschauer sich auch an die blutigsten Einzelheiten gewöhnen – etwa auch daran, dass Menschen im Verlauf dieser Spiele zu Krüppeln geschossen werden. Immer schwieriger fällt es den Programmmachern, den Kitzel so hoch zu treiben, dass die Menschen vor der Mattscheibe bleiben und die Werbekunden des Senders nicht abspringen. Der Roman setzt in dem Moment ein, als die Quoten schon wieder einmal sinken und ein neues zugkräftiges Format gesucht wird. Es wird auch gefunden – das Duell. Zwei Spieler sollen gegeneinander antreten. Man sucht Menschen mit einem persönlichen Schicksal, ein Schicksal, wie es auch viele Zuschauer haben könnten. Man soll sich ja schließlich mit den Duellanten identifizieren können! Die beiden Protagonisten müssen vor dem Duell noch die ganze zermürbende Werbemaschine mit Interviews, Produktvermarktung und Fernsehshow durchstehen, bevor sie aufeinander losgelassen werden. Dabei werden sie intensiv vom Personal des Senders betreut und professionell in familiäre Katastrophen gehetzt – alles, um das Interesse am finalen Endkampf hochzuhalten.
Der Roman behandelt das Thema auf mehreren Ebenen. Da sind zunächst die beiden potentiellen Duellanten, die sich jeder auf seine Weise Ruhm erträumen und deshalb auf das Angebot, ein Duell auszufechten, eingehen. Eine zweite Ebene spielt im ausrichtenden Sender, wo sich ebenfalls Duelle abspielen. Hier bekämpfen sich die Mitglieder des Vorstandes gnadenlos. Immer, wenn die Quote sinkt, rollt ein Kopf. Jeder in der oberen Etage des Senders spürt die Säge, die an seinen Stuhl angelegt wird, hautnah und kann sich nur durch die Einnahme von Medikamenten einigermaßen aufrecht erhalten. Da hilft nur die zündende Idee für ein neues, immer blutigeres Format. Auch der Vorsitzende des Vorstandes ist davon nicht ausgenommen, denn im Sender bereitet sich eine Revolution vor, angeführt von der Familie des Gründers des Senders. Ihnen gefällt die Entwicklung nicht, die der Sender genommen hat.
Wie es weitergeht und wie alles endet – nun, dazu muss man das Buch lesen. Es lohnt sich. Selten habe ich ein so bitterböses Buch über unsere Medienlandschaft gelesen. Ja, im Grunde handelt es sich nicht um eine fiktive zukünftige Medienwelt. Der Autor zeigt uns, dass wir heute nur noch einige wenige Schritte davon entfernt sein könnten. Ich ertappte mich beim Lesen, wie ich immer wieder mal nickte und mir einzelne Ereignisse sehr bekannt vorkamen. Die Herren Vorstände mit ihren Medikamentencocktails, die Spieler mit ihren Träumen vom Ruhm, die gesamte Vermarktungsmaschinerie mutet doch vertraut an. Da kann es auch nicht mehr erstaunen, dass selbst das Attentat auf den Vorsitzenden mit den bereit stehenden Kameras aufgenommen und sogleich live ausgestrahlt wird.
Im realen Leben kreieren die Sender auf der Jagd nach immer höheren Quoten schon länger Formate, in denen die Menschen nicht körperlich sondern seelisch attackiert werden. Ich will mir nicht vorstellen, dass die Entwicklung einmal auch in Richtung der im Buch beschriebenen Spiele geht. Ausschließen kann man das aber nicht völlig. Schon deshalb ist das Buch Christian von Asters lesenswert.
Ich vergebe 8 von 10 Punkten.