Titel: Armageddon - Das jüngste Gericht Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Am Ende eines jeden Jahrtausends ist es das gleiche - Weltuntergangsphantasien werden heraufbeschworen, die sich dann zur Enttäuschung der daran Glaubenden nicht erfüllen.
Kurz vor der letzten Jahrtausendwende (man komme mir jetzt nicht mit der Haarspalterei, von wegen erst 2001 hätte das neue Jahrtausend mathematisch korrekt begonnen) übertrafen sich selbsternannte Propheten und Technikkritiker mit Horrorszenarien, was denn nicht alles Punkt Mitternacht am 31. Jänner 1999 geschehen würde!
Ich weiß nicht wie es bei euch war, aber meine Wohnung steht noch, mein Computer zeigt fehlerfrei das richtige Datum, mein altes Radiogerät ist nicht explodiert und soviel ich zu berichten weiß, sind nicht reihenweise Flugzeuge in der näheren Umgebung abgestürzt. Dafür haben panikmachende Geschäftsleute, EDV-Experten, Autoren und Filmemacher sich eine goldene Nase verdient, was angesichts der Dummheit vieler Zeitgenossen deren gutes Recht ist und ihnen vergönnt sei.
Kurz gesagt: Nix ist geschehen! Für exzentrische Personen wie Anhänger merkwürdiger Sekten mag dies zurückzuführen sein auf deren inbrünstige Gebete. Solche Erfolgserlebnisse - "Hurra, ich habe den Weltuntergang vereitelt!" - stärken das Selbstbewusstsein und auch dies sei den jeweiligen Akteuren vergönnt.
Ich persönlich fand diese Hysterie nervend und sinnlos - als sei die Natur, Gaia oder der liebe (mitunter zürnende) Gott ein Uhrwerk, das sich an den gregorianischen Kalender der Christenheit halte. Würden dann zB die Juden und Moslems verschont? Die benutzen nämlich einen anderen Kalender, aber das nur als Randbemerkung eines Klugscheißers.
Wie auch immer: Kurzfristig erlebten Filme über verheerende Asteroiden-Einschläge ein ungeahntes Hoch. Warum auch nicht? Man weiß erst seit einigen Jahren, dass Einschläge großer Himmelskörper verheerende Folgen für jegliches Leben auf der Erde haben können. So wird angenommen, dass vor 65 Millionen Jahren der Einschlag eines im Durchmesser etwa 10 bis 20 km großen Asteroiden das tragische Schicksal der Dinosaurier und vieler anderer Lebensformen besiegelte.
Für noch größeres Aufsehen sorgte die Vermutung, dass 1908 ein wesentlich kleinerer Himmelskörper in der sibirischen Tunguska einschlug und in einem Radius von mehreren Kilometern buchstäblich alles dem Erdboden gleichmachte. Nicht auszudenken, wäre dieses Geschoss aus dem All nur wenige Stunden vorher oder nachher eingeschlagen.
Angesichts dieser beeindruckenden Fakten scheint den Filmstudios die grandiose Idee gekommen zu sein: Hey, vergesst Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Riesenechsen - was sind solche lokalen Katastrophen schon gegen Asteroiden-Einschläge? Und damit hatten sie nicht unrecht, denn nach dem Ende des Kalten Krieges scheint die Gefahr eines nuklearen Holocausts gebannt. Keep watching the sky!
Aber nicht nach Aliens, sondern nach Asteroiden. Und damit wären wir im Jahre 1998 angelangt, als zwei Filme mit derselben Thematik die Leinwände und Kinokassen füllten: Der eine, Deep Impact , war ein ganz beachtlicher, meiner Meinung nach zu Unrecht hart gescholtener Versuch, einen drohenden Einschlag (="Impact") vor dem Hintergrund menschlicher Konflikte darzustellen. Der andere, eben Armageddon , ist eine Art Independence Day im Weltraum, nur mit einem Asteroiden anstatt bösen Aliens als Widerpart der Menschheit.
Natürlich retten hier wie dort Amerikaner die Welt, wird der Sternenbanner oft und gerne ins Bild geschoben, werden Heldentode gestorben, ja, sogar der gleiche dämliche Fehler wird begangen: Überall auf der Welt wird der in letzter Sekunde abgewandte Weltuntergang bei hellstem Tageslicht gefeiert! Wahrscheinlich sind Hollywood-Regisseure bereits dermaßen auf die USA fixiert, dass sie andere Länder und Zeitzonen gar nicht mehr wahrnehmen. Doch zum Film:
Das drohende Unglück zeichnet sich ab, als die Atlantis (eines der Space Shuttles) von einem Meteoritenschauer durchlöchert und vernichtet wird. Bald darauf entdeckt man, dass sich ein Asteroid in der Größe des Staates Texas in knapp 3 Wochen auf der Erde aufschlagen und die feuchten Wunschträume vieler Zeugen Jehovas wahrwerden lassen wird - wenn nicht ein paar Helden gefunden werden, die sich auf die gefährliche Mission einlassen, zum Asteroiden zu fliegen, dort zu landen, ein Loch reinzubohren, eine Atombombe reinzuwerfen, abzuhauen und befriedigt ein großes BUMM zu hören, wiewohl wir alle doch wissen sollten, dass sich Schallwellen im Vakuum nicht ausbreiten.
Aus irgendwelchen Gründen benötigt man dazu nicht ausgebildete NASA-Piloten, sondern Ölbohrspezialisten. Die sind auch rasch gefunden, denn der beste auf diesem Gebiet ist Harry Stempler (Bruce "Schon wieder kein Feinripp" Willis). Dieser besteht darauf, seine besten Leute mitzunehmen, was ihm natürlich gewährt wird, nebst Kleinigkeiten wie Steuerfreiheit für ihn und seine Crew. Natürlich haben wir auch noch einen kleinen menschlichen Konflikt, denn Harry muss sein liebes Töchterchen Grace zurücklassen, die eine Affäre mit Frost (Ben Affleck) unterhält, einem von Harrys besten Leuten. Das gibt natürlich Saures und ganz viele lustige Szenen, etwa, wenn Daddy mit dem Gewehr auf den kleinen Romeo schießt - Hihihi!
Aber Spaß beiseite, der Film geht ja noch fast zwei Stunden lang weiter. Nun müssen die Ölbohrleute zu Astronauten ausgebildet werden, was sich anfangs als schwierig erweist, aber mit den alten, üblichen Durchhalteparolen geht das schon. Und so nebenher finden die Jungs auch noch Zeit, sich in einer Bar mit gewöhnlichem Volk zu prügeln, wofür sie auch noch verhaftet werden - Frechheit!
Der Rest ist noch schneller erzählt: Zwei Space Shuttles werden hochgeschickt, wobei eines natürlich sein Ziel nicht erreicht, klar, und sich überhaupt alle nur erdenklichen Schwierigkeiten ergeben. Aber Amerikaner sind Amerikaner und so wird die Welt mal wieder von ihnen gerettet. So einfach ist das mit dem guten alten amerikanischen Pioniergeist! Oder macht das vielleicht der übermäßige Konsum von Cola und Chicken Nuggets?
Armageddon ist ein unglaublich dämlicher Film, selbst nach den Maßstäben unlogischer Mammutproduktionen made in Hollywood. Würden die NASA, die USA, die gesamte Welt ihr Schicksal in die Hände einer Gruppe dahergelaufener, zum Teil psychopathischer Ölbohrer legen? Und so viel ich weiß, dauert es Jahre, bis man zum Astro- bzw. Kosmonauten ausgebildet ist.
Aber unsere Wonder Boys schaffen das in ein paar Tagen. Ist ja auch ein typischer "Männerfilm", wo Frauen nur schmückendes Beiwerk sind (die einzige Frau mit Dialogen ist Liv Tyler in ihrer leidenden Rolle als Papis und Lovers kleiner Liebling), Männer noch echte Männer, und sowieso der ganze Film nur Budenzauber zu sein hat. Toll, dass man solche eigentlich unerträglich schwachsinnigen Ansichten noch in der heutigen Zeit ungeschoren vertreten darf!
Es kommt aber noch besser: Zwischendurch müssen unsere Helden - weiß, männlich, Amerikaner - noch zum Auftanken (SB, was sich in diesem Falle rächt) an die Raumstation Mir andocken, wo sie einen russischen Exzentriker aufgabeln, den sie notgedrungen mitnehmen müssen, weil die Mir - BUMM! - in die Luft fliegt. Ts, Ts, diese Russen haben aber auch gar nichts drauf!
Klar auch, dass in einem solchen Film die Raumschiffe nicht geräuschlos durch den luftleeren Raum gleiten, sondern donnernd wie Düsenjäger aus Top Gun dahinzischen. Der Asteroid selber ist wenig überzeugend dargestellt und offenbart eine weitere, wirklich eklatante Schwäche des Drehbuches: Mal besitzt er Gravitation, mal nicht. Zwischenzeitlich wird Paris ausgelöscht (die Amis scheinen eine Aversion gegen Paris zu haben), allerdings nicht zur Gänze: Dort, wo ein Stück des Asteroiden reinkrachte, ist ein Krater, wo nichts mehr steht. Entlang des Kraters steht noch alles so halbwegs. Tja.
Der schmerzliche Hurra-Patriotismus mag noch angehen, aber was mich bei einigen Filmen jüngeren Datums wirklich anödet, ist die Schnitttechnik. Okay, wir leben im Zeitalter von MTV und ellenlange Einstellungen sind passé, aber wenn ich die Handlung überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann, weil so viel rumgeschnitten wird, um Spannung zu suggerieren, dann nervt das nur noch. Wie und warum die Mir in die nicht vorhandene Luft flog, blieb mir jedenfalls verschlossen.
Letzten Endes ist es auch egal, denn wir Männer wollen bekanntlich nur mächtig viel BUMM sehen und uns mit den tollen Helden auf der Leinwand identifizieren. Wer braucht schon Logik, erträgliche Dialoge und geistreiche Handlung? Ich würde jetzt gerne aufzeigen, aber ich traue mich nicht - ich bin kein so toller Held wie Bruce Willis...zzzz