Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Zombie
Quentin ist Anfang Dreißig, homosexuell und sehr zum Leidwesen seines Vaters ein Versager. Der Universitätsprofessor sieht in ihm das, was man eine gescheiterte Existenz nennt, zumal der Sohn als Hausmeister arbeitet. Nach außen hin gibt sich Quentin nicht nur als gehorsamer Sohn, sondern ganz und gar bieder-bürgerlich. Er ist in seiner Beschreibung nichts anderes als durchschnittlich. Der Serienmörder, sein zweites Ich, tarnt sich hervorragend, so dass ihn selbst die Polizei und ein Psychologe für unbedenklich halten. Dabei hatte er als 18-jähriger einen 12-jährigen Jungen entführt und sexuell misshandelt. Der Junge konnte seinem Peiniger entfliehen und Quentin erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe. Das geht sogar so weit, dass er bis zum Ende des Roman völlig unverdächtigt bleibt und ungerührt am nächsten Mord feilt. In dem Mietshaus seiner Großeltern, in dem er arbeitet, besitzt er eine kleine Wohnung und eine feine Folterkammer im Keller. Hierher verschleppt er junge Männer, die ohne Anhang und Familie von niemandem vermisst werden. In der Folterkammer will er durch eine transorbitale Gehirnlobotomie, eine Operation, die dauerhaft den freien Willen ausschaltet, einen Zombie erschaffen. Er sucht diesen Zombie als Sklaven für alles, vor allem aber auch um sein Ego zu stärken und ein Sexspielzeug zu besitzen, das ihm jederzeit zu Willen ist. Da er mit seiner Methode, einen Eispickel durchs Auge in Hirn zu schlagen, den potentiellen Zombie umbringt, wird es nie etwas daraus. Andererseits sind es gerade die Folter und der anschließende Tod, die ihn aufs Äußerste sexuell erregen. Quentin ist jedoch kein Killer. Er will die Opfer nicht töten, nur verändern. Das ist vielleicht der kleine Unterschied zu Kriminalromanen.
Joyce Carol Oates wurde 1938 geboren, studierte Literatur und Philosophie und lehrt seit 1978 in Princeton. Für ihre Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den National Book Award, mehrmals den O.-Henry-Preis sowie den Lotus Club Award of Merit. 1990 wurden ihr der Bobst Lifetime Achievement Award und der Rea Award verliehen. Als im Jahr 1976 in Detroit ein Serienkiller mehrere Kinder entführte und tötete, entstand die Idee der Autorin, darüber zu schreiben. Selbst in der Stadt ansässig, bekam sie dieses beklemmende Gefühl eines Serienmörders womöglich in direkter Nachbarschaft mit. Der Täter wurde nie gefasst. Daraus entstand später die Erzählung, wobei der Leser nur die Stimme im Kopf des Serienkillers vernimmt. Gleichzeitig führt uns die Autorin die Verlogenheit des ,gutbürgerlichen' Lebens vor. Gewaltexzesse von Jugendlichen und die Ausbeutung sozialer Randgruppen waren schon immer ein Thema von ihr und werden hier wieder aufgegriffen.
Die Stärke und zugleich die Schwäche von Joyce Carol Oates ist die, sagen wir, ,Unbewertbarkeit' der Erzählung. Die Opfer der Erzählung erhalten in ihrer Erzählung nur Gestalt als ganz normale Menschen. Geistig und körperlich gesund und natürlich sexy genug für den homosexuellen Quentin. Für den Zweck als Opfer geeignet, für den Leser als fassbare Person jedoch nicht. Sie, die Autorin, versucht uns die gewalttätigen Taten der Hauptperson sozialpsychologisch verständlich zu machen. Was aber meiner Meinung nach nicht ganz gelingt. Wir bleiben bei einem Homosexuellen mit seinen erotischen Phantasien. Und wir bleiben bei jemandem als Stimme im Kopf, als Zuhörer und Zuschauer.
Der Dämon
Harry White ist ein netter, intelligenter und tüchtiger Mann. Tagsüber arbeitet er in einem großen Unternehmen, des Abends aber ist sein untadeliger Ruf vergessen. Dann ist er ein Aufreißer. Er ist auf der Suche nach verheirateten Frauen, die unzufrieden mit sich, ihrer Situation und ihrem Leben sind, und geht mit ihnen ins Bett. Er versucht aber immer wieder, seinen inneren Schweinehund, den Dämon in sich, zu überwinden, mit dem Leben aufzuhören. Doch selbst als er verheiratet ist und Frau und Kind nach der Arbeit zu Hause auf ihn warten, kann er nicht davon ablassen. Harry könnte, da er es zu bescheidenem Wohlstand bringt, mit sich und der Welt zufrieden sein. Doch sein innerer Dämon lässt ihn nicht los. So sucht und findet er immer neue Wege, um seine Triebe zu befriedigen.
Hubert Selby, der dieses Buch 1976 schrieb, verstarb letztes Jahr unerkannt und ohne viel Beachtung. Zeit seines Lebens wurde er nie sehr bekannt. Dabei war die Verfilmung seines Buches LETZTE AUSFAHRt BROOKLYN aus dem Jahr 1964 und erst 1989 verfilmt ein Meisterwerk. In seinen letzten Jahren schlug er sich mehr schlecht als recht als Hausmeister durchs Leben. Dabei hatte er das Schreiben längst aufgegeben und sich völlig zurückgezogen. In seinem Buch DER DÄMON beschäftigt er sich in beeindruckender Weise mit den Abgründen der menschlichen Seele. Diese kennt er natürlich hervorragend, saß er doch selbst in Heilanstalten und Gefängnissen wegen Drogensucht und anderer krimineller Taten. Sein Buchcharakter lebt fest verankert in einem Doppelleben. Harry, wie auch Selby selbst im wahren Leben, können sich nicht aus dieser Abhängigkeit lösen. Das Lösen aus dieser Abhängigkeit führt zu einer Katastrophe, macht das Buch nicht leicht zu lesen und bringt den Leser schnell ins Grübeln.
In diesem Buch treffen wir zwei Serienkiller. Die Beschreibungen der beiden Hauptpersonen sind sehr unterschiedlich, die Gründe ihres Verhaltens ebenso. Ein Serienkiller ist ein Phänomen, das in den Medien jedesmal hochgespielt wird. Es wird mit dem Grauen der Menschen gespielt und mit der Phantasie. Denn nichts kann schlimmer sein als eine Beschreibung, die im eigenen Kopf noch weiter ausgeschmückt wird. Daher werden die Autorinnen und Autoren sicher nicht müde werden, den Serienkiller als Person literarisch zu verewigen.
Quentin ist Anfang Dreißig, homosexuell und sehr zum Leidwesen seines Vaters ein Versager. Der Universitätsprofessor sieht in ihm das, was man eine gescheiterte Existenz nennt, zumal der Sohn als Hausmeister arbeitet. Nach außen hin gibt sich Quentin nicht nur als gehorsamer Sohn, sondern ganz und gar bieder-bürgerlich. Er ist in seiner Beschreibung nichts anderes als durchschnittlich. Der Serienmörder, sein zweites Ich, tarnt sich hervorragend, so dass ihn selbst die Polizei und ein Psychologe für unbedenklich halten. Dabei hatte er als 18-jähriger einen 12-jährigen Jungen entführt und sexuell misshandelt. Der Junge konnte seinem Peiniger entfliehen und Quentin erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe. Das geht sogar so weit, dass er bis zum Ende des Roman völlig unverdächtigt bleibt und ungerührt am nächsten Mord feilt. In dem Mietshaus seiner Großeltern, in dem er arbeitet, besitzt er eine kleine Wohnung und eine feine Folterkammer im Keller. Hierher verschleppt er junge Männer, die ohne Anhang und Familie von niemandem vermisst werden. In der Folterkammer will er durch eine transorbitale Gehirnlobotomie, eine Operation, die dauerhaft den freien Willen ausschaltet, einen Zombie erschaffen. Er sucht diesen Zombie als Sklaven für alles, vor allem aber auch um sein Ego zu stärken und ein Sexspielzeug zu besitzen, das ihm jederzeit zu Willen ist. Da er mit seiner Methode, einen Eispickel durchs Auge in Hirn zu schlagen, den potentiellen Zombie umbringt, wird es nie etwas daraus. Andererseits sind es gerade die Folter und der anschließende Tod, die ihn aufs Äußerste sexuell erregen. Quentin ist jedoch kein Killer. Er will die Opfer nicht töten, nur verändern. Das ist vielleicht der kleine Unterschied zu Kriminalromanen.
Joyce Carol Oates wurde 1938 geboren, studierte Literatur und Philosophie und lehrt seit 1978 in Princeton. Für ihre Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den National Book Award, mehrmals den O.-Henry-Preis sowie den Lotus Club Award of Merit. 1990 wurden ihr der Bobst Lifetime Achievement Award und der Rea Award verliehen. Als im Jahr 1976 in Detroit ein Serienkiller mehrere Kinder entführte und tötete, entstand die Idee der Autorin, darüber zu schreiben. Selbst in der Stadt ansässig, bekam sie dieses beklemmende Gefühl eines Serienmörders womöglich in direkter Nachbarschaft mit. Der Täter wurde nie gefasst. Daraus entstand später die Erzählung, wobei der Leser nur die Stimme im Kopf des Serienkillers vernimmt. Gleichzeitig führt uns die Autorin die Verlogenheit des ,gutbürgerlichen' Lebens vor. Gewaltexzesse von Jugendlichen und die Ausbeutung sozialer Randgruppen waren schon immer ein Thema von ihr und werden hier wieder aufgegriffen.
Die Stärke und zugleich die Schwäche von Joyce Carol Oates ist die, sagen wir, ,Unbewertbarkeit' der Erzählung. Die Opfer der Erzählung erhalten in ihrer Erzählung nur Gestalt als ganz normale Menschen. Geistig und körperlich gesund und natürlich sexy genug für den homosexuellen Quentin. Für den Zweck als Opfer geeignet, für den Leser als fassbare Person jedoch nicht. Sie, die Autorin, versucht uns die gewalttätigen Taten der Hauptperson sozialpsychologisch verständlich zu machen. Was aber meiner Meinung nach nicht ganz gelingt. Wir bleiben bei einem Homosexuellen mit seinen erotischen Phantasien. Und wir bleiben bei jemandem als Stimme im Kopf, als Zuhörer und Zuschauer.
Der Dämon
Harry White ist ein netter, intelligenter und tüchtiger Mann. Tagsüber arbeitet er in einem großen Unternehmen, des Abends aber ist sein untadeliger Ruf vergessen. Dann ist er ein Aufreißer. Er ist auf der Suche nach verheirateten Frauen, die unzufrieden mit sich, ihrer Situation und ihrem Leben sind, und geht mit ihnen ins Bett. Er versucht aber immer wieder, seinen inneren Schweinehund, den Dämon in sich, zu überwinden, mit dem Leben aufzuhören. Doch selbst als er verheiratet ist und Frau und Kind nach der Arbeit zu Hause auf ihn warten, kann er nicht davon ablassen. Harry könnte, da er es zu bescheidenem Wohlstand bringt, mit sich und der Welt zufrieden sein. Doch sein innerer Dämon lässt ihn nicht los. So sucht und findet er immer neue Wege, um seine Triebe zu befriedigen.
Hubert Selby, der dieses Buch 1976 schrieb, verstarb letztes Jahr unerkannt und ohne viel Beachtung. Zeit seines Lebens wurde er nie sehr bekannt. Dabei war die Verfilmung seines Buches LETZTE AUSFAHRt BROOKLYN aus dem Jahr 1964 und erst 1989 verfilmt ein Meisterwerk. In seinen letzten Jahren schlug er sich mehr schlecht als recht als Hausmeister durchs Leben. Dabei hatte er das Schreiben längst aufgegeben und sich völlig zurückgezogen. In seinem Buch DER DÄMON beschäftigt er sich in beeindruckender Weise mit den Abgründen der menschlichen Seele. Diese kennt er natürlich hervorragend, saß er doch selbst in Heilanstalten und Gefängnissen wegen Drogensucht und anderer krimineller Taten. Sein Buchcharakter lebt fest verankert in einem Doppelleben. Harry, wie auch Selby selbst im wahren Leben, können sich nicht aus dieser Abhängigkeit lösen. Das Lösen aus dieser Abhängigkeit führt zu einer Katastrophe, macht das Buch nicht leicht zu lesen und bringt den Leser schnell ins Grübeln.
In diesem Buch treffen wir zwei Serienkiller. Die Beschreibungen der beiden Hauptpersonen sind sehr unterschiedlich, die Gründe ihres Verhaltens ebenso. Ein Serienkiller ist ein Phänomen, das in den Medien jedesmal hochgespielt wird. Es wird mit dem Grauen der Menschen gespielt und mit der Phantasie. Denn nichts kann schlimmer sein als eine Beschreibung, die im eigenen Kopf noch weiter ausgeschmückt wird. Daher werden die Autorinnen und Autoren sicher nicht müde werden, den Serienkiller als Person literarisch zu verewigen.