Titel: Worm: Der erste digitale Weltkrieg http://www.bloggdeinbuch.de/ Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Wer mit dem Namen "Mark Bowden" hierzulande nicht recht viel anfangen kann, muss sich nicht grämen. Hierzulande bekannt wurde der amerikanische Jounalist für die literarische Vorlage des von Ridley Scott verfilmten Streifens "Black Hawk Down". Ansonsten befindet sich das Betätigungsfeld von Bowsen ausschliesslich in der Arbeit für amerikanische Magazine und Zeitschriften. Lediglich im Berlin Verlag sind einige seiner Bücher hierzulande erschienen.
Mit dem doch etwas reisserisch auftretenden und an den aktuell grassierenden Hype um Endzeit und Apokalypse erinnernden Titel "Der erste digitale Weltkrieg" schickt Bowden einige Leser seines Buches sogleich in den April. Was man auch nach Begutachtung des Klappentextes und der Lektüre der ersten Seiten noch nicht so richtig wahrnimmt: "Worm" ist ein reines Sachbuch. Bowden schildert hier die Geschichte um den 2008 erschienenen Computerwurm Conficker, der zumindest in seiner zweiten Variante Millionen von Rechnern weltweit infizierte und auch die perfidesten Sicherheitshürden wie Firewalls etc. übersprang. Dabei benutzt Mark Bowden zwar die Stilmittel einer romanhaften Erzählung, um die doch recht trockene Geschichte spannend und bunt zu gestalten, allerdings kommt nach der grundsätzlichen Erkenntnis - falls man denn von einer anderen Sichtweise ausgegangen ist - ein kleines Gefühl der Entäuschung auf. Diese leichte Trübseeligkeit wird weitergetragen durch den Umstand, das Bowden zur Einführung seiner - real existierenden - Hauptdarsteller ihnen so viel Tiefe vermitteln will, das selbst die Staubkrümel auf der selten gegossenen Topfpflanze neben dem Rechner genauestens beschrieben werden. Zumindest im ersten Teil des Buches übertreibt Bowden hier an manchen Stellen und erinnert an das Geschwafel eines Stephen King Mitte der Neunziger Jahre.
Doch worum geht es bei Conficker? Für die Nicht-Nerds unter uns gesagt: Conficker ist ein kleines, sich selbst verbreitendes Computerprogramm, das durch eine Sicherheitslücke in Microsoft Windows einen Rechner infiziert. Was dann allerdings auf diesem, nunmehr belasteten Computer aufgrund des Wurms passiert, darüber spekuliert selbst Bowden bzw. seine Protagonisten über mehrere Kapitel hinweg. Spannend hingegen ist es ihm zu folgen, wie der Journalist es versteht, unterhaltsam die komplexen Beziehungsstrukturen innerhalb der Kabale, einer lockeren Vereinigung von Computerexperten, aufzuzeigen und welche Kapazitäten sich hinter den für den unbedarften Leser unbekannten Namen verbergen. Noch einen Tick mehr Aufmerksamkeit erzeugte Bowden, als er dazu überging, die Rolle bzw. das Versagen der zuständigen Behörden mit in das Spiel zu bringen. Während die Kabale drängt und warnt, werden diese Rufe kaum beantwortet und meist ignoriert.
Die von Bowden gewählte Sprache ist, um auf diesem Level zu bleiben, nerdig. Ein Leser, der kaum etwas mit Computersystemen zu tun hat, wird trotz aller professionellen Versuche des Autors, alle Begriffe zu erklären, manchmal seine Schwierigkeiten haben. Zu sehr sind viele Begriffe im Laufe der Jahre für jemanden, der sich Tagein Tagaus damit beschäftigt, in Fleisch und Blut übergegangen, ohne sich darüber gedanken zu machen. Das am Ende des Buches abgedruckte Glossar ist dann aber auch nicht mehr als der etwas hilflose und vielleicht auch etwas lachhafte Versuch, Licht in das Dunkle zu bringen. Leser, die Bowdens Sprache verstehen, benötigen das Glossar nicht. Leser, die keine Ahnung davon haben, von welcher Materie der Autor spricht, werden - wenn sie das Buch denn überhaupt kaufen - schon nach dem ersten Kapitel entnervt aufgeben.
"Kaum einer weiss es, aber der Wum ist immer noch da draussen..."
Ja, natürlich Herr Bowden, wie so viele andere, mittlerweile wesentlich mächtigere Werkzeuge im Bereich der Würmer und Viren im virtuellen Raum. Freilich ist es interessant, den nie endenden Kampf zwischen den "weißen Rittern" auf der einen Seite und den bösen, kriminellen "schwarzen Rittern" (so werden sie im Buch bezeichnet) zu verfolgen. Jedoch, wenn man sich nicht nur am Rande mit Computertechnologie und Informationstechnik auseinandersetzt, weiß man schon vorab, wie das Buch ausgeht. Denn Conficker wurde entdeckt, es wurden entsprechende Programme geschrieben, um den Wurm von einem infizierten Rechner zu entfernen... aber es wurde auch nie ein Autor des Programms identifiziert noch einen größeren Sinn hinter dem Wurm. Insofern droht das Buch am Ende etwas ins Leere zu laufen, da der komplette Plot fehlt. Seitenweise erzählt Bowden von der spannenden Jagd und den schwierigen Verhandlungen mit den Behörden - um dann einfach aufzuhören.
Für einen Nerd ist das Buch sicherlich interessant zu lesen. Autoren, die in diesem Bereich eine Geschichte planen, hätten sicherlich die Möglichkeit, die eine oder andere Blaupause zu verwenden. Schwierig, dieses Buch zu bewerten. Ich persönlich fand es durchaus interessant, teilweise spannend. Für jemanden, der nichts mit der Materie am Hut hat und nur aus grundsätzlichem Interesse zu dem Buch griff, könnte ich mir das Lesevergnügen etwas schwierig vorstellen. Wer sich nur anhand Cover und Buchrückentext für einen Kauf entschied, wird eine vielleicht unliebsame Überraschung erleben.