Titel: Utopien – Ein Lesebuch Eine Besprechung / Rezension von Max Pechmann |
Utopien sind gesellschaftliche Idealzustände oder auch – wie heutzutage geläufiger – die Vorstellung von zukünftigen Gesellschaftssystemen. Der Begriff selbst lässt sich auf Thomas Morus zurückverfolgen, der mit seinem 1516 erschienenen Roman „Utopia“ ein ideales Gesellschaftbild entwirft.
Immer wieder versuchten und versuchen sich Autoren darin, zukünftige Gesellschaften zu beschreiben, im Grunde genommen zählt eine solche Idee zur Grundlage unzähliger SF-Romane. In dem Band „Utopien – Ein Lesebuch“ liefert die Herausgeberin Nicola Bardola einen Querschnitt durch die phantastische Literatur, welche sich mit idealen oder zukünftigen Gesellschaftssystemen auseinandersetzt. Mit dabei sind die „üblichen Verdächtigen“ wie der bereits erwähnte Thomas Morus, Francis Bacon, Jonathan Swift und Jules Verne. Aber auch Vertreter sog. Dystopien wie etwa George Orwell und H. G. Wells sind in dem Buch enthalten.
Das Besondere an dem Leseband ist sicherlich, dass Nicola Bardola auch Autoren zu Wort kommen lässt, welche man im Grunde genommen nicht mit utopischer Literatur in Verbindung bringt: Alfred Döblin, Ernst Jünger und Franz Werfel. Auch sie weisen in ihrem Oeuvre Romane auf, welche dieser Literaturgattung zugeordnet werden kann. Bei Döblin ist dies „Berge, Meere und Giganten“, bei Werfel „Stern der Ungeborenen“ und bei Jünger „Heliopolis“. In diesem Sinne kann die Auswahl als durchaus originell betrachtet werden. Eine andere Frage ist jedoch, inwieweit man Defoes „Robinson Crusoe“ als Utopie bezeichnen kann. Dass Rob zusammen mit Freitag auf einer Insel schmachtet und zugleich das beste daraus macht, reicht nicht aus, vor allem da der berühmte Protagonist kein Gesellschaftssystem im eigentlichen Sinne entwirft. In dieser Hinsicht wäre „Herr der Fliegen“ von William Golding wohl eher angebracht gewesen.
Da sich Nicola Bardola in ihrer Auswahl auf Romane beschränkt, finden sich in dem Lesebuch dementsprechend keine Kurzgeschichten, sondern Textauszüge. Dies liefert zum einen einen Überblick über die Geschichte utopischer Literatur, andererseits aber trübt dies die Leselaune, da die Texte (wie bei Auszügen nun einmal üblich) mittendrin beginnen und mittendrin aufhören. Mit ein wenig mehr Rechercheaufwand wäre sicher die ein oder andere Kurzgeschichte aufgetaucht. Somit ist der Band für Leser, die sich mit dieser Literaturart beschäftigen, wenig interessant. Für Leute, die sich in diesem Gebiet zurecht finden möchten, liefert er jedoch wesentliche Anhaltspunkte.