Reihe: Band 1 Eine Rezension von Martin Wagner |
Als H.G. Wells 1895 seinen Roman „Die Zeitmaschine“ veröffentlichte, hoffte er, dass er den Menschen seiner Zeit ein gutes Werk geliefert hat, welches sie in den Bann ziehen und gleichzeitig aufzeigen würde, wo die Probleme innerhalb ihrer Gesellschaft lägen. Dass sein Roman auch mehr als ein Jahrhundert später immer noch Leser fesselt und dass viele Autoren seiner Idee Hommagen schreiben, damit hat er wahrscheinlich nie zu träumen gewagt.
Auch der Spanier Fèlix J. Palma hat sich Wells zum Vorbild genommen, als er seinen Historienroman „Die Landkarte der Zeit“ geschrieben hat, denn es dreht sich in seinem Roman alles um die Klassenunterschiede des viktorianischen Englands, um Zeitreisen und um traurige Liebesgeschichten. Das Besondere am Buch, das in Deutschland bei Rororo erschienen ist, ist jedoch, dass Wells selbst eine bedeutende Rolle im Buch spielt und seine Zeitmaschine auch zum Einsatz kommt.
Drei Geschichten finden sich im Buch und alle drei werden durch H. G. Wells miteinander verbunden.
Die erste Geschichte spielt acht Jahre nach Jack the Rippers letzter Tat, die Ermordung der Prostituierten und Geliebten eines englischen Fabrikantensohns, Marie Kelly. Andrew Harrington, eben jener Fabrikantensohn, hat den Tod seiner Geliebten nach wie vor nicht überwunden und im letzten Moment rettet ihm sein bester Freund das Leben indem er von einer Möglichkeit berichtet, Marie Kelly zu retten, der Möglichkeit der Zeitreise. Bevor Andrew jedoch selbst auf Zeitreise gehen will, muss er von der Möglichkeit überzeugt werden. Dank eines Zeitreiseunternehmens, das seine Kunden ins London des Jahres 2000 - ein London, in dem die letzten Menschen gegen Roboter ums Überleben kämpfen - bringen kann, gelingt letzteres rasch. Ersteres ist schwieriger zu bewerkstelligen, denn Wells Zeitmaschine steht nicht so frei zur Verfügung, wie der Zeitzug des Unternehmens. Und der Zug fährt leider nur in eine Richtung. Trotz aller Widrigkeiten gelangt Andrew in die Vergangenheit und es gelingt ihm, was sonst niemandem gelungen ist, er kann einen Mord von Jack the Ripper verhindern und die Liebe seines Lebens retten, was aber viel weniger ist, als er hoffte.
In der zweiten Geschichte verliebt sich die emanzipierte Claire auf einer Reise ins London des Jahres 2000 in den Anführer der menschlichen Widerstandsgruppe und auch er entwickelt Gefühle für die taffe Frau aus dem 19. Jahrhundert. Bleibt nur die Frage, wie trifft man sich, wenn zwischen den Liebenden 100 Jahre liegen? Ganz einfach, der Kampf in der Zukunft muss von anderen ausgefochten werden, denn die Liebe geht vor. So oder so ähnlich läuft es dann auch ab und nach herben Rück- und Niederschlägen können die beiden glücklich in eine gemeinsame Zukunft sehen.
Die dritte und letzte Geschichte dreht sich um einen Zeitreisenden, der den drei bedeutendsten Autoren der viktorianischen Zeit ihre Ideen stiehlt und sich selbst zum gefeierten Autoren der Zukunft macht oder besser gesagt schon gemacht hat. Für Wells geht es jetzt um alles und er muss Entscheidungen treffen, die den Entscheidungen seiner Romanhelden in nichts nachstehen. Zum Glück kann er sich dank seiner Zeitmaschine selbst helfen, was ihm einen unschlagbaren Vorteil bringt.
Wer jetzt glaubt, er müsse das Buch nicht mehr lesen, weil er bereits alles weiß und keine Überraschung mehr auf ihn wartet, der täuscht sich. Die grobe Zusammenfassung der drei Geschichten ist wirklich nur grob und die bedeutenden Geheimnisse sind noch verborgen und für den Leser wird sich die spannende und interessante Welt des endenden 19. Jahrhunderts entfalten und tolle Figuren zum Leben erwecken. Das sollte sich niemand entgehen lassen. Die Figuren sind allesamt überzeugend und entwickeln sich logisch weiter und werden noch interessanter. Dazu gibt es viele historische Hinweise und vor allen Dingen viele tolle Bilder vor dem geistigen Auge, denn Palma kann Szenen grandios beschreiben. Dass das Buch aber noch mehr ist, als nur spannend und mit tollen Figuren und tollen Beschreibungen versehen, dafür sorgt der Erzählstil und der Erzähler selbst. Der Erzähler ist ein allwissender Erzähler, der mit einem Blick für das Detail und mit jeder Menge Charme und auch Witz die drei Geschichten erzählt und immer nur genau so viel preisgibt, um die Spannungskurve oben zu halten und man doch nie das Gefühl hat, dass er zu viel auslässt. Ich freue mich schon auf den Folgeband und auf weitere tolle Zeitreisen.
Fazit: Drei tolle Zeitreisegeschichten mit tollen Figuren und fantastischen Erlebnissen, die vom Autoren in tollen Bildern und von einem tollen Erzähler wiedergegeben werden. Das ist Fèlix J. Palmas „Die Landkarte der Zeit“ und mehr kann man nicht erwarten und mehr kann man sich auch nicht wünschen. Ein Buch, dass nicht nur für Wells Fans, für Fans der viktorianischen Zeit oder für Fans von Zeitreisen etwas ist, sondern für jeden Buchleser.