Titel: Teutonic Horror Eine Besprechung / Rezension von Carmen Weinand |
Im Klappentext erfahren wir:
Sie sind auf der Suche nach guten Horrorgeschichten? Sie sind aber müde von der Suche.
Sie wollen keine weiteren Lovecraft oder Poe Geschichten? Und auch die einfachen und brutalen Nacherzählungen der Hollywoodfilme sind Ihnen zuwider? Sie mögen keinen Frauengrusel? Außerdem hassen Sie liebestolle Vampire? Versuchen Sie einmal abwechslungsreiche, intelligente, aber ebenso deftige Geschichten. Erleben Sie direkte und ungeschminkte Prosa. Keine endlosen Beschreibungen! Keine pubertären Gefühle. Keine x-te Wiederholung des tausendmal kopierten.”
Und das trifft es wirklich schon sehr gut. Aber werfen wir zunächst einen Blick auf die Geschichten im Detail.
Volldampf voraus:
Ein Mann und ein Zug, im Einklang miteinander. Mit diesem Zug teilt er seine letzten Kräfte, seine
Erinnerungen und seinen letzten Atemzug.
Remanenz:
Eine faszinierende Vorstellung, zurück in die Zeit reisen und vermeintliche Fehler in der Geschichte der Menschheit beheben zu können.
Rhythmus der Angst:
Wenn man sich mit den falschen Leuten einlässt, muss man die Konsequenzen tragen. Flucht ist zwecklos, kein Ausweg.
Abgründe:
Einen Vampir zu quälen und zu töten ist wahrscheinlich der Höhepunkt im Leben eines Jägers. Die Frage ist nur, wer von beiden verkörpert das wahre Böse?
Der Tod ist dir sicher!:
Er steckt in einer Endlosschleife und muss erkennen, dass er seinem Schicksal nicht entkommen kann.
Ein Stein in der Mauer:
„The Wall“ oder was dieser Film aus einem machen kann. Ein psychedelischer Trip in andere Sphären steht an. Realität oder Wahnsinn?
Der gebrauchte Tag:
Zombies oder Nazis? Auf welcher Seite willst du stehen?
Maria:
Ein Werwolf trifft auf seine große Liebe und lernt, sein inneres Tier im Zaum zu halten.
Ruppert:
Wenn eine harmlose Wanderung im Wahnsinn endet.
Zwei Seelen in einer Brust:
Ähnlich wie in der Geschichte „Maria“ will ein Werwolf an das Gute glauben. Die Liebe könnte ihm dabei helfen, aber wird es ein happy End geben?
Scheinbar:
Der Teufel steckt im Internet. Lieber nicht zu weit raus surfen.
Widergeburt:
Das Böse macht sich auf den Weg in ein neues Leben.
Hellrider!:
Wie eine Heavy Metal Band, die Musik und der Tod eine Einheit bilden.
Adrian:
Als Vampir sollte man seine Triebe besser im Griff haben, sonst trifft man eines schönen Tages auf das falsche Sexobjekt.
Schwarz wie Blut:
Eine mögliche Geschichte darüber, wie Edgar Allan Poe zur Horror-Literatur fand.
So viel zum Inhalt dieser Storysammlung.
Insgesamt sind hier alle möglichen Elemente des Horrors zu finden – subtiles Grauen, Monster, Bosheit, Verzweiflung, Irrsinn und eine Prise Erotik. Was der Leser hier jedoch nicht findet ist extremer Horror. Kein Splatter, kein Gore und kein Porno.
Michael Schmidt hat für diese Storysammlung Geschichten ausgewählt, die tiefer gehen und mit Popcorn-Literatur, wie der Action-Fan sie mag, rein gar nichts zu tun haben.
Viele der Geschichten beschäftigen sich mit psychischen Aspekten und spielen mit inneren Ängsten und der Vorstellungskraft. Das hat letztlich auch zur Folge, dass ich diese Storysammlung nicht uneingeschränkt allen Freunden dieses Genres empfehlen würde.
Diese Storysammlung braucht Leser, die Wert auf einem gewissen Anspruch legen und bei denen die reine Unterhaltung nicht an erster Stelle steht.
Ich gebe zu, dass ich mich eher zu den Freunden der fetzigen Popcorn-Literatur zähle. Dennoch weiß ich eine stilvolle, gut geschriebene Geschichte durchaus zu schätzen und muss mir eingestehen, dass mich die meisten dieser Geschichten vielleicht nicht rasend gut unterhalten, dafür aber nachhaltig beschäftigt haben.
Meine eindeutigen Favoriten in dieser Storysammlung sind die Geschichten „Remanenz“, „Maria“ und „Schwarz wie Blut“.
„Remanenz“ behandelt ein Thema, über das ich schon oft mit Freunden bei einem gemütlichen Beisammensein diskutiert habe. Was wäre wenn … ? Ich will hier auch nicht spoilern, aber das Resultat ist sowohl bei dieser Geschichte, als auch in sämtlichen Diskussionen dasselbe: Du kannst sie nicht alle töten. Außerdem ist diese Story meisterhaft gut recherchiert und selten informativ. Ein echter Volltreffer von Michael Schmidt.
„Maria“ hat mich neben den dezenten Horroraspekten sehr berührt. Eine empfehlenswerte, schaurig-schöne Liebesgeschichte.
„Schwarz wie Blut“ scheint mir eine Hommage an Edgar Allan Poe zu sein (ich Schnellmerker), die hervorragend geschrieben wurde und am Ende einen ordentlichen Aha-Effekt auf den Plan ruft.
Insgesamt hat Michael Schmidt als Herausgeber und Autor eine ganz wichtige Sache richtig gemacht. Er hat nicht wild irgendwelche Geschichten zusammen gewürfelt, um eine Storysammlung zu füllen, sondern er hat sorgsam abgewägt, welche Geschichten zusammen funktionieren könnten. Und das tun sie.
Sicherlich war nicht jede der Geschichten nicht ganz mein Ding. Trotzdem war ich von der Qualität dieser Auswahl insgesamt sehr angetan.
Meine primitiveren Unterhaltungsbedürfnisse werden dafür um so besser durch die Zwielicht-Reihe bedient, die ich an dieser Stelle gerne empfehlen möchte.
Fazit:
„Teutonic Horror“ ist keine Storysammlung für die breite Masse. Hier handelt es sich um sorgsam ausgewählte, hochwertige Horror-Geschichten, für die man gerne auch etwas länger brauchen darf. Wenn sie sich jedoch einmal im Hirn des Lesers eingenistet haben, gibt es kein Zurück mehr. Ob man will oder nicht – sie beschäftigen einen länger als man geplant hatte.