Titel: Rotkäppchens Rache Eine Rezension von Doris Michel-Himstedt |
Dies ist der dritte Band einer Reihe, in der einige Grimm'sche Märchenfiguren so ganz anders auftreten als wir sie kennen. Für alle diejenigen, die Rotkäppchen, Schneewittchen, Dornröschen und Aschenputtel gar nur als Softversionen Disney'scher Prägung kennen, müssen die Figuren vollkommen fremd wirken. Das Buch sollte auch ohne die beiden Vorgängerbücher gut zu lesen sein. Im Großen und Ganzen trifft das zu, obwohl einige Erläuterungen mehr doch gut gewesen wären.
Zum Inhalt: Eine weitere Märchengestalt taucht auf – Rumpelstilzchen, ein Elf. Er kommt in Danielles (Aschenputtel) Schloss, um hier seine betrügerische Nummer (Stroh zu Gold zu spinnen) zu demonstrieren. Es stellt sich heraus, dass er dafür schon viele Kinder entführt und mit einem Zauber belegt hat. Danielle, Schnee (-wittchen) und Talia (Dornröschen) enttarnen ihn. Bevor er bestraft werden kann, wird er von Roudette (Rotkäppchen) ermordet. Diese droht, Schnees Stiefschwester zu töten, wenn sie nicht zu ihr kommt. Der gestellten Falle kann Schnee entgehen, jedoch finden sich die drei Freundinnen gemeinsam mit Roudette in der Folge in Talias Heimatland wieder. Wir lernen die Geschichte Talias ausführlicher kennen. Ihr langer Schlaf wurde durch das Gift einiger Elfen verursacht. Der Prinz, der sie in Grimms Märchen wach küsste, hat sich, folgt man Hines, an der schlafenden Prinzessin vergangen, die zwei Kinder gebar. Sie tötete den Prinzen und floh aus dem Schloss, in dem nun ihre „Schwiegermutter“ für Dornröschens minderjährige Söhne regiert. Ihre Rückkehr bedroht nicht nur diese Regentschaft, auch ein mächtiger Elf will das Land beherrschen und benutzt als Furcht erregendes Instrument die Wilde Jagd, bekannt aus der indoeuropäischen Mythologie. Gemeinsam bekämpfen die vier Frauen das Böse im Land. Wie und mit welchem Ergebnis, wird nicht verraten.
Was ist das Besondere an Hines' Roman? Nun, zunächst sind es die Figuren, die wir schnell vollkommen neu kennen lernen müssen. An vielen Stellen im Roman lernen wir Ungewohntes über sie. Dornröschens lesbisches Liebesleben, Aschenputtels Fähigkeiten im Schwertkampf, Schneewittchens Zauberkräfte und Roudettes Fähigkeit, sich in einen Wolf zu verwandeln, kommen doch stellenweise überraschend daher. Auch die Schilderung des kleinen Elfs Rumpelstilzchen als Serientäter, der gar nicht mehr anders kann als immer wieder Kinder zu entführen, stimmt so gar nicht mit der bekannten Märchenfigur überein.
Für mich hat Hines hier etwas zu viel Märchen und Mythen gemixt und verfremdet. Es wirkt stellenweise wie „Verfremdung als Prinzip“. So könnte Rumpelstilzchens Geschichte zu Beginn gut durch eine beliebige andere ersetzt werden, die Wilde Jagd als Terrorinstrument eines machtbesessenen Elfen fügt sich für mich schlecht in das Ambiente von Talias Heimat, einem Wüstenstaat, ein. Talia wirkt noch etwas blass? Nun, dann ist sie eben lesbisch. Stellenweise wirkt das doch etwas gezwungen.
Ich bin mit Grimms Märchen aufgewachsen. Für mich waren die handelnden Figuren nie ausschließlich gut. Wer allerdings mit Disneys Figuren sozialisiert wurde, wird es schwerer haben, die Figuren wieder zu erkennen. Nimmt man diesen märchenhaften Hintergrund fort, ist die Geschichte eigentlich nicht mehr besonders aufregend. Sie lebt vom Gegensatz des scheinbar Bekannten und der Romangeschichte. Für mich war das jetzt nicht so spannend, dass ich mir die anderen Bände auch noch anschauen müsste.
Ich vergebe 6 von 10 möglichen Punkten.