Reihe: Visionen (Band 3) Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Zum dritten Mal erschien nun die Jahresanthologie aus dem Shayol Verlag, und dieses Mal werden 14 Kurzgeschichten geboten. Das Erste, was jedoch auffällt, ist das wunderschöne Cover des Künstlers James Warhola. Herausgeber Helmuth W. Mommers schreibt im Anhang des Buchs auch einige Worte darüber, und weil es sich um einen Ausschnitt handelt, bietet der Shayol Verlag das komplette Bild als Download von der Homepage an. Ein toller Service. Doch nun zu den Geschichten.
Frank Haubold - Das Orakel:
Die Geschichte ist gut verfasst, kein Zweifel, aber das Thema ist ein wenig altbacken: Die Suche nach einem Weg zur Erschaffung einer Künstlichen Intelligenz ist ein Thema, das wohl schon umfassend in der Science Fiction abgehandelt wurde. Ein etwas originelleres Thema wäre wünschenswert gewesen.
Hartmut Kasper - Neues aus der Varus-Schlacht:
Wer kennt ihn nicht, den Spruch "Varus, wo sind meine Legionen?" Zwei Zeitreisende reisen in die Vergangenheit, um etwas aus dem Getümmel der Schlacht zu bergen. Wiederum eine Story, die handwerklich sehr solide geschrieben wurde, aber vom Inhalt her wenig Neues bieten konnte. Bemerkenswert jedoch waren die Beschreibungen der Zeitreise.
Thomas Wawerka - Mutter des Abends:
Die Geschichte um einer Attentäterin, die eine Despotin vom Thron stoßen möchte, ist aufgrund des Backgrounds sehr interessant, denn die Bevölkerung ist in Morgen und Abend gespalten. Leider geht der Autor nicht näher darauf ein, sondern legt den Schwerpunkt auf das Attentatsplot. Dies wäre eigentlich eine Grundidee gewesen, die eine Ausführung in Novellenform verdient hätte.
Fabian Vogt - Mysterium des Glaubens:
Autor Fabian Vogt verbindet seinen Beruf als Priester mit seiner Leidenschaft zu SF. Und so stellt er die Frage, was passieren würde, wenn ein Androide getauft werden möchte. Leider liegt dem Autor mehr daran, die Halsstarrigkeit und Engstirnigkeit seines Protagonisten in den Mittelpunkt zu stellen, als die schwierige philosophische Frage zu erörtern. Dennoch: Die Geschicht ist interessant und gut geschrieben.
Jörg Isenberg - Die Ladys und der Tramp:
Ganz in der Tradition eines Robert Sheckley erzählt der Autor auf humorvolle Weise, was passieren kann, wenn ein Außerirdischer Menschen mitnimmt, ohne deren sexuelle Vorlieben und deren Durchtriebenheit zu berücksichtigen. Das erste Highlight der Sammlung.
Michael K. Iwoleit - Morphogenese:
Der Autor zeichnet eine düstere Vision einer Welt der Genmanipulationen. Es werden Leihmütter in den ärmsten Regionen der Welt als Brutmaschinen missbraucht, doch dann geht etwas schief. Dies ist eine jener Storys, bei denen es nicht so sehr auf einen effektvollen Schluss, sondern auf Beschreibungen der zukünftigen Welt ankommt, die erschreckend realistisch wirken und sich auf eine der Grundtugenden der SF konzentrieren: den kritischen Blick in die Zukunft.
Jan Gardemann - Geschichtsstunde für Marsianer:
Die Idee, die Versuche der Menschen, den Mars zu erkunden, aus Sicht der Marsianer zu erzählen, ist originell, aber mich konnte die Geschichte nicht mitreißen. In diesem Fall ist dies aber eine reine Geschmacksache.
Ernst Vlcek - Weise Worte sind ungesund:
Die Geschichte um Roboter und ob diese Gefühle haben ist nur wenig originell. Insgesamt ist dies eine der schwächsten Storys der Sammlung.
Andreas Eschbach - Die Kralle von Java:
Wieder ein bekannter Autor und wieder eine eher misslungene Geschichte. Sie wirkt uninspiriert, überhastet und nicht ganz ausformuliert. Man möchte fast annehmen, die Geschichte fand nur den Weg in die Sammlung, weil der Name Eschbach Käufer zieht.
Helmuth W. Mommers - Zur falschen Zeit:
Was wäre, wenn man tatsächlich im Kälteschlaf Jahrzehnte oder Jahrhunderte überbrücken könnte? Wäre die Versuchung nicht groß, auf die richtige Zeit zu warten und dann ein Leben in Frieden zu verbringen? Doch wann ist die richtige Zeit? Diese Fragen versucht der Autor zu beantworten und schreibt eine fast philosophische Kurzgeschichte. Obwohl die Idee sicherlich nicht so neu ist, konnte die Geschichte gut unterhalten.
Rüdiger Bartsch - Eiszeit
Die Geschichte um den unangenehmen Nebeneffekt eines modernen Haushaltsgerätes, der dann als Waffe missbraucht wird, ist brillant. Hier passt alles: die Grundidee, die Ausführung, der Spannungsbogen und das Ende. Genau so müssen Kurzgeschichten geschrieben sein. Dies ist definitiv eine der besten Kurzgeschichten des letzten Jahres.
Marcus Hammerschmitt - Canea Null:
Eine Gruppe von Wissenschaftlern erforscht einen Planeten, auf dem sich Pilzkulturen zu dominierenden Spezies entwickelt hatten. Diese Geschichte bietet sehr interessante Psychostudien und lebt von der Interaktion der Protagonisten. In dieser Hinsicht erinnert die Geschichte an viele Werke von Philip K. Dick (vor allem aber an Labyrinth des Todes), dessen Protagonisten auch immer sehr intensiv waren. Die Auflösung am Ende war ein wenig mau, aber dennoch zählt diese Geschichte wegen der gekonnten Schreibweise Hammerschmitts zu den besten Geschichten der Sammlung.
Thor Kunkel - Plasmasymphonie:
Die Titelgeschichte beschreibt, wie Gott, der unglücklicherweise ein ''Coming Out'' unternahm, von der Menschheit verklagt wird, weil seine Schöpfung mit Fehlern behaftet ist. Wieder kommt einem spontan Robert Sheckley in den Sinn, der gerne solche Gedanken verfolgte. Da aber die Idee nicht sonderlich originell ist und Thor Kunkel nicht ganz die Klasse des Altmeisters erreicht, kann diese Geschichte nicht zu den Top Stories der Sammlung gezählt werden.
Desirée und Frank Hoese - Wie Phönix aus der Asche:
Die letzte Geschichte um einen Kopfgeldjäger, der für Großkonzerne Aufträge erledigt, um für sich selbst die Möglichkeit der Heilung eines Gehirntumors zu erlangen, ist solide verfasst, aber traf nicht meinen Geschmack.
Insgesamt bot die Anthologie eine gelungene Mischung aus unterschiedlichsten Geschichten, die manchmal nicht besonders originell waren. Andererseits waren auch richtige Volltreffer dabei wie "Eiszeit" oder "Canea Null". Plasmasymphonie ist eine solide Anthologie, die für jeden Geschmack etwas bietet und einen recht guten Eindruck der aktuellen deutschen SF-Szene gibt.
7 von 10 Punkten.