Serie/Zyklus: nova SF Magazin - Das deutsche Magazin für Science Fiction und Spekulation, Band 3 Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Anfang Dezember erschien mit mehrwöchentlicher Verspätung die dritte Ausgabe des "deutschen Magazins für Science Fiction und Spekulation" - weiterhin herausgegeben von Ronald M. Hahn, Michael K. Iwoleit und Helmuth W. Mommers.
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt wie gehabt auf Stories verfasst von deutschsprachigen Autoren. Hinzu kommen dieses mal eine Story von Jack London, eine Betrachtung von Alfred Besters Werk von Michael K. Iwoleit und von Holger Eckhardt über Michael Houellebecqs Roman Elementarteilchen. Beiträge mit solch einer Ausführlichkeit und Tiefe, was ihre Beschäftigung mit dem jeweiligen literarischen Werk angeht, finden sich nur selten in Magazinen und Fanzines und zeigen, was die SF-Literatur neben den aktuellen Strömungen zu bieten hat.
Unter den Autoren finden sich einige wieder, die bereits in den ersten beiden Ausgaben eine ihrer Stories platzieren konnten.
Den Reigen eröffnet Frank W. Haubold mit "Die weißen Schmetterlinge". In seiner Story versucht ein an sein Lebensende gekommener Veteran des Musikbusiness sich eine zweite Chance zu eröffnen. Auf dem Mars, weitab der Zivilisation, lässt er ein prägendes Ereignis aus seiner Jugend noch mal in einer gigantischen Holoshow entstehen. Damals schaffte er es nicht zur vereinbarten Zeit seine Freundin zu treffen und die Beziehung wurde nie so ernst wie er es erhofft hatte. Nun kann er ganz für sich allein die Zeit zurückdrehen und noch einmal die magischen Momente einer jugendlichen Liebe erleben.
Eine ruhige, melancholische Story aus der Feder eines Autoren, der in vielen Genres zu Hause ist.
Robert Kerber liefert mit "Tiefgeschoß, 08:59" dann einen Beitrag ab, der so ganz nach dem Geschmack der Herausgeber sein dürfte. In seiner Agentengeschichte sind seine Figuren nicht diejenigen, die sie zu sein vorgeben. Wer "Freund" und wer "Feind" ist und wie sich die ganze Geschichte zusammensetzt, erfährt der Leser erst am Schluss. Eine unterhaltsames Verwirrspiel.
Einen etwas längeren Beitrag präsentiert Florian W. Marzin mit "Palimpsest". Ein gereifter Mann findet sich unversehens in seiner eigenen Vergangenheit wieder. Im zarten Alter von 17 kann er nun alles richtig machen, um seine damalige Liebe nicht zu verlieren. In dem Leben eines siebzehnjährigen Schülers findet er sich aber nicht zurecht, denn sein längst vergessenes Schulwissen wie auch seine Jahrzehnte umfassende Lebenserfahrung lassen sich nicht mit einem Male zur Seite schieben. So wird das Erreichen seines Zieles immer aussichtsloser. Mit Augenzwinkern beschreibt Marzin die Verfahrenheit der Situation in der sein Protagonist immer tiefer hineingerät. Ein gelungener Beitrag zum Thema Zeitreise, der über genau die gegenteilige Intention verfügt wie einige US-amerikanische Spielfilme mit dem selben Handlungshintergrund.
Eine richtig fiese, kurze Story liefert dann Holger Eckhardt, einer der Stammautoren, ab. Sein Protagonist hat die Schnauze gestrichen voll von Lehrern, Professoren, die ihm immer weismachen wollen, dass sie eigentlich all seine schlauen Fragen beantwortet könnten, aber dies aus irgendeinem Grunde gerade nun mal nicht geht. Jahrzehnte später toppt er sie alle vor einem Millionenpublikum. Trotz ihrer Kürze überaus lesenswert.
Es folgt "Ein Geschenk von den Sternen" verfasst von Helmuth W. Mommers. Eine außerirdische Sonde erreicht die Erde, lässt Würfel vom Himmel regnen und verschwindet danach wieder in den Weiten des Weltraums. Die Würfeln entpuppen sich als Wunderwerk der Technik. Eines dieser Wunderdinger ist bei einer durchschnittlichen Familie gelandet, die sich deren Möglichkeiten zu nutzen machen will. So kann dieser Würfel Edelsteine, Lebensmittel, Geldscheine usw. einfach verdoppeln, wenn er mit Materialien wie Sand, Quarz u. ä. "gefüttert" wird. Die Konsequenzen sind leicht vorstellbar. Die Weltwirtschaft bricht zusammen, die menschliche Zivilisation steht vor dem Abgrund. In dieser Situation wird deutlich, dass die Würfel auch ein Tor zu anderen Welten darstellen.
Die Story nimmt am Ende einen Schwenk, der dann ein wenig im Raume stehen bleibt. Der Wechsel ist aus meiner Sicht zu abrupt gestaltet. Vielleicht hätte Mommers zu Beginn die materiellen Möglichkeiten weniger ausbreiten sollen.
"Loro liebt Lara" von Marc-Ivo Schubert bietet dann in aller Kürze eine nette Pointe. Ein Außerirdischer verliebt sich in eine Filmschauspielerin und versucht diese zu treffen. Für Fans nichts ungewöhnliches, aber die Denkprozesse Außerirdischer verlaufen oft anders, als der Leser sich dies vorstellt.
"Der Geschichten-Erfinder" von Jürgen vom Scheidt hat mir von der Idee nicht besonders zugesagt. Die Pointe ist aus meiner Sicht wenig gelungen, obwohl mir die Grundidee, dass es in der Zukunft nur noch wenige Künstler gibt, die wirklich bahnbrechend neues hervorbringen können, schon gefallen hat.
Arno Behrendt führt seine Leser in "Prägenesis" in eine lange zurückliegende Zeit. Moralisch fortgeschrittene Raumfahrer landen auf einen Planeten, dessen Bevölkerung sich in einem ständigen Überlebenskampf befindet und sich gegenseitig tötet. Das intelligenteste Wesen nehmen sie mit auf ihrer Reise durch den Weltraum, die u.a. dazu dient, fremden Welten Leben einzuhauchen. So treffen erreichen sie dann irgendwann auch das Sol-System und den Planeten Erde.
Auch hier passt der Beginn nicht mit dem Ende überein bzw. der Beginn deutet nicht auf solch ein Ende hin. Erst wird das kriegerische Volk ausgiebig beschrieben und dann wird einer von ihnen zum Lebensspender der Erde. Ich hätte mir gewünscht, wenn Arno Behrendt die Story zu Beginn ein wenig mehr gestrafft und zum Ende hin ein wenig mehr ausgebaut hätte.
Fazit: nova 3 bietet einmal mehr eine Reihe von lesenswerten Kurzgeschichten. Auffallend ist das gute schriftstellerische Niveau der Erzählungen. Der Aufbau hat mir nicht immer gefallen, aber vom Stil her war kein wirklich schlechter Beitrag dabei. Hier zahlt sich die Arbeit der Redakteure aus. Eine gute Idee ist nicht gleichzusetzen mit einer guten Story. Den selbstgestellten Anspruch werden die Herausgeber auch mit dieser Ausgabe wieder gerecht.
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