Titel: Nacht Eine Rezension von Ida Eisele |
Die siebzehnjährige Alma führt ein normales Leben. Nach einem schrecklichen Unfall, über den sie nicht gerne spricht, ist sie Kopf einer Viererclique und quält sich hinter einer Mauer aus Verachtung und Sarkasmus durch den Schulalltag.
Langsam jedoch beginnen sich unerklärliche Kräfte in ihr Leben einzumischen. Ihr Freundeskreis wird von zunehmend schrecklichen Ereignissen zerrüttet und sie selbst muss feststellen, dass etwas sie befähigt, Morde vorherzusehen. Ausgerechnet Morgan, der Alma sowohl unerklärlich fasziniert als auch abstößt, scheint mehr darüber zu wissen...
Der Anfang des Buches zieht sich ein wenig. An Stelle von spannenden, übernatürlichen Ereignissen wird der Leser zunächst in Almas Alltagsleben eingeführt.
Für mich persönlich waren der verächtliche Tonfall der Ich-Erzählerin sowie ihre Wissen verachtende, Cliquenkriege über alles stellende Haltung nur schwer zu ertragen. Woher ein siebzehnjähriges Mädchen ein so umfassendes Wissen um die Welt nehmen will, um sie dermaßen zu verachten, woher diese ganze Bitterkeit kommen soll, ist am Anfang nicht ersichtlich und auch am Ende des Buches nicht restlos geklärt.
Ihre Freundschaft mit den anderen Cliquenmitgliedern Naomi, Seline und Agatha wirkt zunächst, als existiere sie vor allem in Worten und Ritualen. Erst später beginnt Alma, sich wirklich wie eine Freundin zu verhalten, sorgt sich um die anderen und definiert Zugehörigkeit zur Clique nicht mehr über eine Form von Stärke, die andere Gefühllosigkeit nennen würden. Dennoch bleibt eine Art von Moral bestehen, die es vorzieht, mit der Schwester ein neues Kleid kaufen zu gehen, statt eine nach einem Zusammenbruch gerade aus dem Krankenhaus entlassene Freundin zu besuchen.
Einzig Almas Beziehung zu ihrer stummen kleinen Schwester Lina lässt den Leser erahnen, dass ihr sonstiges Gehabe vielleicht nur eine Fassade ist, unter der noch mehr schlummert als man auf den ersten Blick sieht.
So verwundert es auch ein wenig, das Morgan etwas an ihr findet. Die Beziehung der beiden nimmt keinen sehr großen Platz in der Geschichte ein, Morgans Interesse an Alma scheint zunächst vor allem 'geschäftlicher' Natur zu sein: Er lädt sie ein, um sie vor mysteriösen 'Wasserdrachen' zu warnen. Almas Gefühle für ihn sind widersprüchlich, ohne dass sie einmal länger darüber nachdenken oder Gründe nennen würde. Insgesamt fand ich die entstehende Liebe zwischen beiden nicht sehr überzeugend dargestellt.
Echte Spannung kommt erst etwa ab der Hälfte des Buches auf. Nach dem ersten vorhergesehenen Mord bleibt es lange still. Dann aber folgen die Ereignisse immer schneller aufeinander. Almas Freundeskreis droht durch schreckliche Ereignisse zu zerbrechen und das ist der Moment, in dem sie endlich wirklich aktiv wird, Nachforschungen anstellt und sich Mühe gibt, das Ruder in der Hand zu behalten. Durch ihre mysteriöse Fähigkeit, Morde zu träumen, bevor sie geschehen, gerät auch ihr Selbstvertrauen ordentlich ins Schwanken, wodurch sie endlich an Tiefe gewinnt und ein interessanter Charakter wird. Auch ihre Freundinnen gewinnen durch die durchlebten Alpträume einiges an Persönlichkeit.
Was genau es ist, dem Alma auf die Spur gekommen ist, erfährt man nicht. Das Buch ist eindeutig als Anfang einer Reihe angelegt. Dadurch aber, dass der Gegner so gesichtslos bleibt, wird das Buch geradezu unheimlich spannend, sodass man es – nachdem man sich durch den Anfang gekämpft hat – gar nicht mehr aus der Hand legen will.
Verortet ist die Geschichte in einer modernen Stadt, mehr erfährt man nicht. Noch nicht einmal das Land lässt sich zweifelsfrei bestimmen. Das nimmt dem Setting in meinen Augen einiges an Atmosphäre, was allerdings durch treffende Beschreibungen kompensiert wird. Obwohl die Sprache insgesamt sehr einfach gehalten ist, gelingt es der Autorin mit wenigen Sätzen sehr detailreiche, bunte Bilder ihrer Stadt und ihrer Protagonisten entstehen zu lassen. Sonst lässt sich sagen, dass die Sprache etwas hauptsatzlastig ist und häufig wiederholte Satzanfänge auffallen.
Da es sich um das erste Buch der Autorin handelt, kann man wohl hoffen, dass die Schwächen des Buches, vor allem der schwer genießbare Anfang, Startschwierigkeiten sind, die sich in den restlichen Büchern der Reihe verflüchtigen werden. Die wirklich guten Entwicklungen ab der zweiten Hälfte des Buches geben Anlass dazu.