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Reihe: Mordants Not, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Da gibt es eine reiche, gelangweilte Frau namens Terisa Morgan. Ein ungeliebtes Mauerblümchen, das sich mit Spiegeln in ihrer Eigentumswohnung umgibt, nur um sich selbst zu beweisen, dass sie existiert. Sie bemerkt irgendwann ihre Einsamkeit, und all das Elend der Welt fällt daraufhin über sie herein und macht ihr Leben noch langweiliger. Plötzlich tritt ein Mann, Geraden, in ihr Leben. Und das im wahrsten Sinn des Wortes, denn er kommt aus einem Land hinter dem Spiegel, wie es Alice einst fand. Warum und wieso der Adept der Spiegelmagie ausgerechnet bei Terisa landet, weiß er nicht zu sagen. Doch Terisa folgt ihm, als er sie bittet, seinem Land in der Not beizustehen. Terisa soll der Held, pardon, die Heldin sein, die er zur Rettung von Mordant benötigt. Denn schließlich landete er ja bei ihr. Also werden Magie und Vorsehung schon dafür gesorgt haben, dass er hier richtig ist.
Das Land heißt Mordant. Es ist ein kleines, spätmittelalterliches Reich in einer phantastischen Welt. Hier gelten Regeln und Ehrbegriffe, wie sie uns aus unserer Vergangenheit anscheinend nur allzu vertraut sind, in unserer Jetztzeit aber eher fehlen. Es gibt Fabelwesen und Ungeheuer jedwelcher Art.
Mordant ist ein kleines Königreich, dessen König Joyce anscheinend nichts anderes zu tun hat, als den ganzen Tag über sich den Brettspielen hinzugeben. Vor Jahren errichtete er sein kleines Königreich mit seinem Schloss Orison gegen den Willen der beiden größeren Königreiche. Die Gefahr, die von den beiden größeren Nachbarn ausgeht, scheint er auch nicht zu sehen. An beiden Grenzen ziehen mächtige Heere auf und nur der ungemütliche Winter scheint Mordant noch zu schützen. Der scheinbar senile König Joyce sabotiert sogar die Friedensversuche seiner Adligen. Diese haben zum Teil das Wohl von Mordant im Auge, aber auch ihr eigenes. Ein Krieg ist dabei ungeeignet. Jede beteiligte Partei möchte daher einen für sie günstigen Friedensschluss erreichen. Genausowenig sieht der König die Intrigen und Kämpfe, die in seinem eigenen Schloss unter seinen Bewohnern ausgeführt werden. Oder er möchte sie gar nicht sehen.
Orison ist ein riesiger Komplex aus Hallen, Gängen Zimmern, Verstecken, Geheimgängen und Verliesen. Hier leben unter anderem Geraden, der eher tolpatschige Adept der Spiegelmagie, sowie sein kampferprobter Bruder. Hier lebt auch der bärbeißige Kastellan Lebbick, der sich bestens in Orison auskennt; gleich daneben gibt es den hässlichen Schürzenjäger Eremis oder den Großmagier, bei dem Geraden in die Lehre geht. Und natürlich Terisa, von der jeder glaubt, sie sei magisch begabt weil sie Geraden durch den Spiegel folgte. Und mit diesen Leuten will, soll, kann sie ein Königreich retten???
Manch ein Rezensenst war mit der Darstellung von Terisa nicht zufrieden. Dabei gibt sich Stephen Donaldson sehr viel Mühe mit ihr. Manch einer derjenigen, die Bücher besprechen, meint, es sei zu langatmig und zu umständlich. Dabei finde ich gerade die Art, wie er schreibt, um seine Heldin zu beschreiben, genau richtig. Wenn ich das eine ums andere Mal das Bedürfnis habe, die Heldin anzuschreien, liegt es daran, dass die Erscheinung von Terisa so menschlich und natürlich ist. Ihre Zweifel und ihre Unentschlossenheit sind fast greifbar. So glaubt sie doch anfangs, sie selber existiere nicht. Sie hält ihre Realität für einen Traum und wartet darauf aufzuwachen. Stephen versteht es ausgezeichnet, den sich langsam wandelnden Charakter von Terisa darzustellen. Anfangs nur eine Person, die reagiert, wenn etwas auf sie zukommt, wird aus ihr eine umsichtige Person, die schon bald selbst agiert. Sie beginnt einen Tanz auf Messers Schneide zwischen den größeren Königreichen, den Intrigen am Hof und der Auseinandersetzung mit dem König. Aus ihr wird eine energische Frau, die intensiver an der Rettung des Königreiches Mordant arbeitet als die eigentlichen Bewohner.
Das Buch Der Spiegel ihrer Träume ist sehr spannend geschrieben. Als Leserin und Leser will man jeden Schritt von Terisas Entwicklung verfolgen, nicht die kleinste Kleinigkeit verpassen. So möchte man ihr am liebsten Vernunft einbläuen, wenn sie Menschen vertraut, die augenscheinlich die größten Schurken sind, wenn sie ihren Freunden unberechtigtes Missstrauen entgegenbringt. Nach und nach kriegt sie die Kurve und erkennt ihre Fehler. Von da an wird die Handlung noch aufregender.