Titel: Morbus Gravis 2 - Druuna Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Druuna erwacht inmitten einer zerstörten Stadt, mechanische und organische Gebilde vermengen sich zu einer abstrusen Architektur, die zudem in Trümmern liegt. Ihr vorangegangener Traum, in dem sie mit einem hübschen jungen Mann namens Lewis Sex hatte, entpuppte sich als wahrer Alptraum. Lewis erwies sich als halb verrotteter Kopf, am Leben gehalten durch große Maschinen. Er gab Druuna den Auftrag, den Turm der Macht zu finden. Dort befindet sich der Zentralcomputer Delta, der das Raumschiff "Stadt", die letzte Zuflucht der Menschheit, kontrolliert und steuert.
Doch die letzte Zivilisation ist längst zusammengebrochen. Das Übel - so wird eine fürchterliche Krankheit genannt, die einen Infizierten binnen kurzer Zeit katastrophal mutieren lässt. Und die Erkrankten überfluten alle Bereiche der Stadt, niemand ist vor ihnen sicher. Um diesen Krieg zu beenden, um die Schlacht zu gewinnen, bedrängt Lewis Druuna, den Computer Delta ein für alle Mal zu vernichten. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn Druuna befindet sich in einer nicht unbedingt überzeugenden Position: Als Liebessklavin von Jock versucht sie möglichst viel Serum zu verdienen, das Medikament, das die Mutationen, das Übel, aufhält. Ihr Freund und Liebhaber Schastar, verwickelt in die politischen Auseinandersetzungen in der Stadt, ist der Krankheit schon zum Opfer gefallen. Als wüste Mutation versucht er nun, im Rahmen seiner Möglichkeiten Druuna beizustehen. Doch diese muss sich erst mit den Folterungen auseinandersetzen, die ihr drohen, denn Jock vermutet, dass sie mit in die Verschwörung gegen das Regime verwickelt ist.
Die Story beschreibt die Suche einer verwirrten und teils von Erinnerungen befreiten Frau nach ihrer eigentlichen Aufgabe. Druuna versucht die schrecklichen Umstände so gut es geht zu meistern und wird von Lewis dazu benutzt, seinen Feldzug gegen den kontrollierenden Computer Delta fortzusetzen. Auf diesem Weg erlebt Druuna auch einge explizite Liebesabenteuer, die Paolo Serpieri in seiner unnachahmlichen Art ebenso detailliert darstellt wie alles andere. Schaurig schöne, fast fotorealistische Mutanten greifen nach fast harmlosen Wächtern, bizarre Bauwerke und persönliche Dramen kommen in seinem berühmten SF-Epos vor, das seit den achziger Jahren immer wieder in Teilen veröffentlicht wurde und in aller Welt eine Auflage von über einer Million erreichte. Der studierte Zeichner und Maler Serpieri rechnete allerdings nicht mit der deutschen Bundesprüfstelle, die natürlich neben den sexuellen Freizügigkeiten verschiedene Gewaltdarstellungen und Kannibalismus kritisierte. Die Folge war, dass die in der Schwermetall-Reihe (Alpha Verlag) veröffentlichte Druuna-Reihe immer wieder von den Behörden eingezogen und indiziert wurde. Einen Höhepunkt dieser Zensurmaßnahmen stellte wohl die Beschlagnahmungsaktion 1995 dar, in der eifrige Staatsanwälte nicht nur zahlreiche Titel des Alpha-Verlages, sondern auch Titel von Ralf König, Art Spiegelman, Paul Gillon, Walter Moers und Tank Girl einzogen.
Während den vergangenen Jahre veröffentlichte der Alpha Verlag die Bände 2 bis 5 der Druuna-Reihe neu, jedoch teils mit drastischen Kürzungen oder Änderungen. Die vorliegende Ausgabe des Schreiber & Leser Verlages stellt einen originalgetreuen Nachprint der letzten Veröffentlichung des Alpha Verlages dar. So wurden in diesem Band zwei Panels mit großen schwarzen Balken verdeckt, eine Szene neu geschnitten und vergrößert, so dass der Bildrand, in dem ein Mutant zu sehen ist, außerhalb des Panelrandes liegt und abgeschnitten werden konnte. Zumindest kann man in dieser Form wenigstens die Kunstfertigkeit Serpieris bewundern und seinen Sinn für bizarre Formen und Farben. Das Kleinod der Comickunst wird hier zugleich zu einem Mahnmal deutscher Zensurwütigkeit.
Band 1 der Reihe ist im Übrigen seither nie mehr in Deutschland erschienen und immer noch indiziert.