Reihe: Convoi, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Die Geschichte spielt im Jahre 2069. Thierry Smolderen und Philippe Gauckler gestalten mit "Convoi" eine gar nicht so unrealistische Vision der Zukunft. Bestimmend in der Welt ist das Computerspiel "Convoi", in das man sich über sogenannte Buzzer einlinken und in dem man in einer virtuellen Realität seine eigenen Träume verwirklichen kann. Eine ganze virtuelle Metropole hat sich hier schon entwickelt, in der sich die pixel-gewordenen Menschen aller Herren Länder versammeln. Die Welt hat sich in diese virtuellen Realitäten zurückgezogen, nachdem das goldene Zeitalter der Raumfahrt abrupt zu Ende ging. Die "Ersten Kolonien" - es wird nie geklärt, ob dies Himmelskörper oder Raumstationen sind - brachen den Kontakt zur Erde ab und waren auf sich allein gestellt. Welt-Präsident Melderson befindet sich gerade auf einer Good-Will-Tour zum Mars und propagiert die Erforschung und die Eroberung des Alls mit sich selbst reproduzierenden Robotern. In dieser Situation der selbstgewählten Isolation wendet sich die Geschichte der jungen Xenia Maywood zu, Tochter des anerkannten Senators Maywood. Sie ist Moderatorin einer Selbstmord-Show, in der durch extrem waghalsige Unternehmungen der Teilnehmer die Zuseher mittels VR (Virtuelle Realität) selbst die Gefühle und Empfindungen der Aspiranten teilen können. Als einmal wieder einer der Freiwiligen bei der Show zu Tode kommt, bleibt Xenia voller Frust und Bitterkeit auf der kleinen Vulkaninsel zurück, auf der sich das ganze Drama abgespielt hat. Dort trifft sie Cho Jen, der nach eigenen Angaben seit 10 Jahren verlassen auf dieser Insel haust. Als Xenia gerettet wird, wird Jen von den Chinesen festgenommen und vor einem Tribunal zu Zwangsarbeit verurteilt. Ihre Bemühungen über den ehemaligen Arbeitgeber Jens, den Direktor der Kooperative Ushaido, Tazio Moolsan, eine Haftverschonung zu erlangen, bleiben erfolglos. Und während Xenia verzweifelt versucht, ihre neue Bekanntschaft zu retten, machen ihre Kinder, die Zwillinge Gil und Fred, einen unerlaubten Besuch in Convoi ...
Der erste Band von "Convoi" verspricht viel - und kann es im Grunde auch halten. Die Story ist sehr interessant gestaltet, es werden vele Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung der Leser allerdings noch harren muss. Die verschiedenen Rollen mancher Spielfiguren sind alles andere als klar, vor allem Tazio Moolsan scheint hier einen großen geheimen Background zu haben. Die Idee, dass sich die Erdbevölkerung mit VR-Spielen vergnügt und teilweise ihr Leben dort verbringt, ist ja so neu nicht. Seit der Neuromancer-Reihe von William Gibson ist die Idee von computerisierten Netzwerken, in die man körperlich eintauchen kann, allgemein bekannt und mit der beliebten Spielewelt Shadowrun beispielsweise wurde auch der Mainstream davon beeinflusst. Bei "Convoi" scheint das Netzwerk jedoch nur ein Mittel zum Zweck und steht eigentlich, auch wenn es der Serientitel anders andeutet, nicht im Vordergrund.
Die Zeichnungen sind grundsätzlich französischer Schule, jedoch weiterentwickelt zu einem etwas lockeren Stil, der sich in manchen Szenerien oder Panels nicht so detailliert äußert, wie es anderweitig vielleicht der Fall ist. Sein Stil ist nicht so geradlinig, mal wirken die Personen recht eckig, mal wurde auf anatomische Feinheiten viel Wert gelegt. Niemals wird dieser lockere Umgang jedoch als inkonsequent gesehen, immer passt er gerade zur Geschichte.
Eine interessante Geschichte, verbunden mit guten Zeichnungen, das bekommt eine 7,5 von 10 Punkten.