Titel: Marvel Heroic Roleplay Basic Game Eine Besprechung / Rezension von Andre Skora |
Nachdem das DC-Universum (Superman, Batman, Green Lantern, Teen Titans & Co) mit der Engine des Mutants & Masterminds Systems von Green Ronin vor kurzem einen grandiosen Rollenspiel-Neustart erlebt hat, dürfen wir jetzt auch einen brandneuen Rollenspiel-Vertreter aus dem Hause Marvel begrüßen. Auf Basis des hauseigenen Cortex-Plus-Systems ist bei Margaret Weis Productions nun MARVEL HEROIC ROLEPLAYING erschienen.
Etwas möchte ich einleitend erwähnen: wenngleich ich beide Comic-Universen (DC und MARVEL) kenne, habe ich diese nicht auswendig gelernt. Ich nähere mich dem Superhelden-Rollenspiel von der Seite eines interessierten Rollenspielers. Eventuelle inhaltliche Diskrepanzen zwischen Rollenspiel und Comic-Universum kann ich daher nicht beuteilen.
I. Äußerlichkeiten & Konventionen
Der physikalische Eindruck ist hervorragend. MARVEL HEROIC ROLEPLAYING (im Folgenden mit MHR abgekürzt) erscheint im amerikanischen Comic-Format, liegt daher zwischen DIN A4 und A5. Es ist hochwertig produziert, mit stabiler Bindung, und alle Seiten sind vollfarbig. Die Illustrationen sind ebenso zahlreich wie fantastisch und entstammen bekannten Marvel-Künstlern. Das Layout ist übersichtlich und farblich kodiert, um dem Leser die Orientierung in den fünf Kapiteln leichter zu machen. Rein optisch und produktionstechnisch gibt es also nichts auszusetzen.
Wie schreibt es Designer-Legende Jeff Grubb (er brachte damals das erste Marvel-Rollenspiel heraus) im Vorwort: „die parallelen Wirklichkeiten von Comics und Spielen haben sich einander angenähert“ und „diese Welten liegen nicht so weit auseinander“. Bei allem Respekt für Jeff Grubb, den ich seit TSR-Zeiten außerordentlich schätze, aber beim zweiten Satz irrt er sich meiner Meinung nach gewaltig. Ich denke, der Unterschied zwischen dem Medium Buch/Comic und einem Spiel ist noch immer der gleiche wie früher. Der erste Satz hingegen ist (leider) wahr. Der Beweis oder vielmehr die sich selbst erfüllende Prophezeiung ist das MHR. Offensichtlich ist man in der Design-Abteilung von MWP der Meinung, ein Superhelden-Rollenspiel müsse den dramaturgischen Zwängen und Erzählkonventionen eines modernen „graphic novel“ folgen. Diese Ansicht teile ich nicht.
Was ich mich schon nach wenigen Seiten Lektüre im neuen MHR gefragt habe: Warum zum Teufel muss ich als Designer krampfhaft die seit Jahrzehnten bestehende Terminologie in Rollenspielen komplett umwerfen und alles neu benennen? Als langjährigem Rollenspieler kostete es mich mitunter Überwindung, um die neuen Begrifflichkeiten aus der drögen Lektüre aufzunehmen. Einige Beispiele: Abenteuer oder Szenario heißen hier „event“, Charakterbogen wird als „datafile“ bezeichnet, Fertigkeiten sind „specialties“, der Spielleiter wird „watcher“ genannt (in Anlehnung an den Beobachter aus dem Marvel-Universum) und Schaden ist „stress“. Dies sind nur wenige Beispiele für einen Wald aus lauter neuen Labels. Auch Begrifflichkeiten, die mir eher aus der Welt der Videospiele vertraut sind, finden Einzug in MHR – etwa „unlockables“ (Freischaltbares) oder „upgrades“ (Verbesserungen). Vielleicht bediente man sich bewusst einer abweichenden Terminologie, weil man als Zielgruppe – wie schon beim ersten Marvel-RPG von TSR – nicht den Wald-, Feld- und Wiesen-Rollenspieler im Visier hat, sondern den Comic-Leser und Superhelden-Fan.
II. Innere Werte
Doch gehen wir mal ans Eingemachte und nehmen das Spielsystem unter die Lupe. Hier zeigt MHR, dass es bemüht ist, den Ablauf und die Präsentation moderner Comics in eine Spielmechanik zu gießen – Begriffe wie „acts“, „scenes“ und „panels“ (also das einzelne, umrahmte Bildchen auf einer Comic-Seite) lassen vermuten, ein fluffiges Erzählspiel serviert zu bekommen. Und so falsch liegt man damit nicht – dennoch kommen auch eine Menge mehrflächiger Würfel und Regeln zum Einsatz, die es vom „crunch“ wirklich in sich haben. Im MHR werden W4, W6, W8, W10 und W12 verwendet. Den Kern des Spielsystems bilden der „ dice pool“ (Würfelvorrat des Spielers), der „ doom pool“ (Würfelvorrat des Watchers) sowie die „ plot points“ (Plotpunkte, kurz: PP). Und da das Zusammenspiel dieser Elemente für das Spielverständnis extrem wichtig ist, möchte ich detaillierter darauf eingehen.
1. Dice Pool
Der „ dice pool“ gehört dem Spielercharakter und setzt sich für jede Probe neu aus den einzelnen „traits“ (Merkmale) des „data file“ und der Situation zusammen. Der erste Würfel entstammt der „affiliation“ (Zugehörigkeit) des Superhelden. Hier bietet das System drei an: nämlich „solo“ (wenn der Held allein unterwegs ist), „buddy“ (wenn er mit einem Partner zusammen arbeitet) und „team“ (wenn mehr als nur ein Partner dabei ist). Die einzelnen Marvel-Helden sind hier mit einem Würfeltyp klassifiziert: W10, wenn der Held in dieser „affiliation“ besonders gut ist, W8, wenn er durchschnittlich ist, und W6, wenn der Charakter da eingeschränkt bzw. schwach ist. So hat z.B. Wolverine den W10 bei „Solo“, während Captain America ihn bei „Team“ besitzt.
Einen zweiten Würfel kann ich aus meiner „distinction“ ziehen. Diese besteht im MHR aus drei deskriptiven Sätzen, die prägende Eigenschaften des Helden enthaten. Iron Man etwa hat diese drei: „billionaire playboy“, „cutting edge tech“ und „hardheaded futurist“. Zu deutsch in etwa: Milliardär-Playboy, allerneueste Technologie und dickköpfiger Zukunftsgläubiger. Aus diesen „distinctions“ kann ich einen Würfel ziehen, nämlich entweder einen W4 oder einen W8. Den W8 bekomme ich, wenn ich meine „distinction“ als Vorteil nutzen möchte (sofern sie in der gegebenen Situation eine Rolle spielt – das wiederum beurteilt der „watcher“ bzw. kann von den anderen Mitspielern vorschlagen können). Den W4 kann ich wählen, wenn ich meine „distinction“ im vorliegenden Falle eher als Nachteil sehe – sie mir also im Wege steht. Wähle ich den Nachteil, erhalte ich 1 PP. Dazu später mehr.
Einen weiteren Würfel kann ich aus jedem „power set“ erhalten, dass der Held besitzt. Wie der Name schon sagt, sind dies die eigentlichen Superkräfte des Helden. Etwa die Adamantium-Klauen von Wolverine , Storms Wetterbeherrschung oder der Vibranium-Schild von Captain America . Auch Superkräfte sind je nach Ausprägung nach 4 Würfeltypen klassifiziert: W6 bis W12, je nach Stärke der entsprechenden Superkraft. Ein „power set“ umfasst eine oder mehrere Superkäfte, die thematisch zusammen gehören oder der gleichen Quelle entstammen. So besitzt etwa Mister Fantastic das „power set“ Hyperelastizität. Darin sind folgende Superkräfte enthalten: verbesserte Reflexe (W8), Stretching (W10), verbesserte Geschwindigkeit (W8) und übermenschliche Zähigkeit (W10). Einen dieser Würfel kann ich also für den „dice pool“ nutzen – je nach Situation und Handlung. Desweiteren sind „sfx“ (also Special Effects) oder „limits“ (Einschränkungen) bei der Definition von Superkräften einbaubar. Auch diese können unter besonderen Umständen für Würfel im „dice pool“ sorgen.
Noch einen Würfel kann ich durch meine „specialties“ bekommen – die Fertigkeiten und sonstigen Begabungen des Charakters. Hier gibt es zwei Ausprägungen: Experte und Master. Diese beiden Stufen bestimmen, welche und wie viele Würfel ich in meinen Würfelpool nehmen kann, sofern die Situation es erlaubt. Besondere Umstände erlauben die Hereinnahme weiterer Würfel für den „dice pool“, wie etwa durch Überanstrengung („push die“) oder eine Resource („resource die“), z.B. einen Unterwelt-Kontakt oder ein Ausrüstungsteil.
Mittels diesem so gebildeten „dice pool“ mache ich nun meine Probe. Standardmäßig darf ich zwei der Würfel aus dem Pool als Ergebniswürfel bestimmen (ihre Augenzahlen werden addiert). Sie bestimmen, ob die Probe gelungen ist (im Vergleich zum Resultat der Opposition, das der „watcher mit dem „doom pool“ ermittelt). Einen weiteren Würfel bestimme ich als „effect die“, den Wirkungswürfel. Er gibt an, wie gut die Aktion gelungen ist. (Sind bei der Probe auf beliebigen Würfeln Einsen gefallen, werden diese nicht für die Probe verwendet sondern können vom „watcher“ für seine Zwecke ausgenutzt werden, siehe Punkt 4).
Eine eben beschriebene Würfelprobe kann drei Effekte haben: „stress“ (z.B. bei Kämpfen), „assets“ (kurze, situationsgebundene Vorteile, wie etwa Kontrolle über die Sicherheitssysteme einer Schurkenfestung, was wiederum dem Handelnden oder seinen Mitgliedern einen Bonuswürfel bei weiteren Aktionen verleihen könnte) und „complications“ (situationsbedingte Nachteile für Gegner, etwa ein unter Strom gesetztes Metallgitter, über das die Sicherheitskräfte laufen müssen).
2. Doom Pool & Stress
Wenn der „watcher“ für die Gegenseite seinen „doom pool“ verwendet und seine Probe gemacht hat, wird verglichen, ob die Aktion des Handelnden den gewünschten Erfolg hatte. Im klassischen Superhelden-Wettstreit wird dabei z.B. „stress“ verursacht. MHR unterscheidet körperlichern, geistigen und emotionalen „stress“. Dieser wird als Würfeltyp dargestellt – also von W4 nach W12. Gleichzeitig kann dieser Wert als Komplikationswürfel bei Proben eine Rolle spielen. Übersteigt der „stress“ den W12, gilt man als „stressed out“. War es körperlicher Stress, ist man K.O. – vielleicht auch tot, den Umständen entsprechend. War es mentaler oder emotionaler Stress, ist das auch nicht angenehm, denn dann ist man auch raus aus der „scene“, möglicherweise auch aus dem ganzen „act“ oder „event“. Mein Charakter könnte z.B. geistig von einem Mental-Schurken übernommen worden sein und ferngesteuert werden oder aber zerbricht emotional und kann als Häuflein Elend keinen klaren Gedanken mehr fassen.
3. Plot Points
Die Spielwährung im MHR sind die „plot points“ (PP). Man kann sie für eine Vielzahl von Dingen ausgeben und je mehr man hat, desto besser. Man startet jedes „event“ mit 1 PP und erhält durch Inkaufnahme von bestimmten Nachteilen (die man selbst als Spieler aktivieren kann) sowie gewürfelte Einsen weitere hinzu, falls der „watcher“ diese ausnutzen möchte. Vom Prinzip her sollen diese „plot points“ im regulären Spielfluss möglichst oft und schnell hin- und her gehen. Man kann sie als Einsätze von Chips am Pokertisch verstehen. Nimmt man Risiken in Kauf, bekommt man welche, um sie dann einzusetzen, wenn man dringend Erfolge benötigt. Jedoch sind die Möglichkeiten der Intervention und PP-Gewinnung Legion, was es zunächst erst einmal schwierig macht, diese Dämme einzureißen, damit der PP-Fluss auch fließen kann.
So lassen sich z.B. durch „plot points“ statt der üblichen 2 auch mehr Würfel als Ergebniswürfel zusammen zählen. Oder man nimmt noch 1 oder mehr Wirkungswürfel hinzu, anstatt nur den einen zu haben (z.B. um gleich zwei Gegner auszuschalten). Man kann im Gegenzug auch gewürfelte Einsen beim „watcher“ ausnutzen und so seine Würfelanzahl erhöhen oder dessen Flächenanzahl aufwerten (z.B. aus einem W8 einen W10 machen).
4. Spielablauf und Struktur
Initiative wird auf eine interessante Weise gehandhabt. Der „watcher“ bestimmt den ersten handelnden Spieler. Wenn dieser mit seiner Aktion durch ist, darf er bestimmen, wer als nächstes dran ist. Auf diese Weise ergibt sich ein kleiner taktischer Spielraum. Zumal es durchaus nicht unklug ist, die Gegner zunächst „kommen“ zu lassen. Denn wenn die Helden alle zuerst dran sind und einige Einsen bei ihren Proben gewürfelt wurden, gibt dies dem „watcher“ wieder die Möglichkeit, seinen „doom pool“ aufzufüllen, indem er diese „Einsen“ ausbeutet (d.h. er gibt dem Spieler 1 PP und erhält einen Würfel für seinen Vorrat).
Wie vielleicht durch die ausführliche Beschreibung ersichtlich wurde, muss man sich mitunter einiges am Spieltisch merken bzw. notieren, da viele Auswirkungen von Aktionen situationsbedingt sind und nur für die aktuelle Szene gelten. Etwa die oben erwähnten „Sicherheitssysteme geknackt“ und „Metallgitter unter Strom“. Diese beiden Auswirkungen (bzw. ihre Würfel) können bei einer Vielzahl von Folgeaktionen während dieser Szene von Bedeutung sein.
MHR gliedert seinen Spielablauf nach folgendem Muster:
- das „event“ (größere, zusammenhängende Rahmenhandlung)
- der „act“ (jedes „event“ sollte mindestens zwei davon haben; gemeint sind damit Abenteuerabschnitte, etwa Akt 1: Infiltration der Superfestung, Akt 2: Konfrontation mit Magneto in der Zentrale)
- die „scene“ (einzelne Konflikte oder Begegnungen, unterteilt in „action scenes“ und „transition scenes“)
- das „panel“, eine einzelne Handlung eines Charakters; hier gilt es besonders comic-haft zu denken, denn wenn die versuchte Aktion sinnvoll und aussagekräftig in ein einzelnes Comicbildchen passen könnte, ist es ein „panel“
Diese innere Struktur ist sehr aufgesetzt, letztlich aber aber auf die Konventionen des Spiels zugeschnitten und durchaus hilfreich bei der Orientierung. Dennoch entsteht so immer wieder eine Verlagerung in die Metaebene des Spiels („Ist die Scene jetzt beendet? Ich brauche mal wieder eine Transition, um an meiner Ausrüstung zu basteln…“)
5. Erfahrung und Charakterbau
Erfahrungspunkte gibt es auch in MHR. Man erhält sie, wenn man bestimmte „milestones“ mit seinem Charakter erreicht. Ein „milestone“ ist ein Ziel, dass man entweder vorher für seinen Charakter festlegt („er möchte seine vor Jahren verschwundene Schwester wiederfinden“) oder das sich auch aus einem „event“ bzw. „act“ ergeben kann. Jeder Charakter kann während eines „events“ einen oder zwei dieser „milestones“ verfolgen. „Milestones“ haben einen XP-Wert (1, 3 und 10), der ihre jeweilige Schwierigkeit festlegt. Erreicht man das Ziel, bekommt man die zugeschriebenen XP. Diese legt man dann in Verbesserungen („upgrades“) auf seinem „datafile“ an oder indem man event-spezifische Dinge „freischaltet“. Wieder bedingt dieses Konzept einen Wechsel auf die Metaebene und stört damit die Immersion. Man kann z.B. den „watcher“ zu Beginn des „events“ fragen, ob es event-spezifische „milestones“ gibt, die man verfolgen könnte. Beispielsweise gibt es in dem im Grundregelwerk enthaltenen Abenteuer einen Charakter, den man während einer „scene“ trifft und zum Mitmachen überzeugen könnte. Falls dies während der „scene“ nicht gelingt, kann man später trotzdem durch Einsatz von XP diesen Charakter „freischalten“, damit er dem Helden einmal hilft.
Ein Anhang präsentiert viele bekannte Marvel-Helden nebst Spielwerten auf jeweils einer Doppelseite. Befremdlich finde ich hierbei wiederum, dass nicht so richtig schwarz-auf-weiß geschrieben steht, das man sich neue, originale Charaktere für das Marvel-Universum erschaffen darf. Sicher, es gibt Regeln zur Erschaffung neuer „datafiles“ – aber der Text suggeriert, dass es sich dabei um einen der vielen anderen Charaktere aus dem Marvel-Universum handeln soll(te). Und damit man auch ein „datafile“ für ihn erstellen kann, sei es hilfreich, möglichst viel über ihn aus den Comics bzw. offiziellen Marvel-Quellen zu wissen, um Spielwerte ableiten zu können. Es erscheint mir technisch aber kein großes Problem zu sein, auch komplett selbst erdachte Superhelden umzusetzen. Eine klassische Charaktererschaffung darf man aber nicht erwarten – es gibt kein eingebautes Balancing oder Punktekonto, um sich „specialties“ oder „power sets“ zu kaufen. Alles ist Verhandlungssache mit dem „watcher“.
6. Marvel-Universum
Erstaunlicherweise enthält das MHR keinerlei Einführung in den Kosmos der Marvel-Superhelden. Ein weiteres Indiz dafür, dass wohl primär Comic-Fans mit ausreichend Hintergrundwissen angesprochen werden sollen. Natürlich kennt heutzutage fast jeder ausreichend viele Info-Häppchen (und sei es durch die Kinofilme der letzten Jahre), um sich im Marvel-Universum ein klein wenig zurecht zu finden, aber gerade die hintergründigen Zusammenhänge und ein größeres Gesamtbild wären doch für den „watcher“ von einiger Bedeutung.
Eben bereits erwähnt, möchte ich die Designer für das „Mini Event“ loben, das sie mit in die Grundregeln gepackt haben. So kann der gebeutelte Neueinsteiger mal sehen, wie sich die Leute von MWP den Aufbau eines Marvel-Superhelden-Abenteures vorgestellt haben. Allein dafür ist es Gold wert. Das Szenario „Breakout“ umfasst zwei „acts“ und ist für 3-6 Helden ausgelegt. Die hohe Qualität der Illustrationen ist hier noch einmal deutlich hervorzuheben. Besonders die am Ende des Abenteuers aufgelisteten Gegner (einige bekannte Marvel-Schurken) sind nützlich, da das Grundregelwerk keinerlei weitere Opposition für eigene Abenteuer bereit hält.
III. Fazit
MHR ist ein narratives Rollenspiel mit einer steilen Lernkurve. Es gibt keine neutrale „Weltsimulation“. Jeder Akt und jede Szene sind einzelne Konstrukte mit ihrer jeweiligen „Realität“, die zwischen den Beteiligten verhandelt wird. Man muss oft im Sinne einer größeren Gesamt-Comic-Story denken, wie u.a. einige Mechaniken zeigen, die auf der Metaebene des Spiels funktionieren. Dennoch haben wir hier keinen Vertreter der „Handwedel“-Regeln, denn unter der erzählerischen Grundstruktur des Spiels schlummert ein beinharter Satz Regeln. Damit dürfte Nutzen und Spielspaß noch deutlicher als sonst bei Rollenspielen üblich von den Teilnehmern abhängig sein – ich kann mir vorstellen, dass ein in den Regeln sattelfester „watcher“ und eine Truppe von geübten, beschreibend erzählenden Spielern mit MHR durchaus eine interessante Runde gestalten können. Es ist aber definitiv kein Rollenspiel to go ! Für Neueinsteiger, die ja meines Erachtens nach mit dem Spiel primär angesprochen werden sollen, dürfte das Teil hier einen amtlichen Stolperstein darstellen. Bis erst einmal alle Nuancen der „dice pool“ Mechanik und von Gewinn, Intervention und Einsatz der „plot points“ verstanden und verinnerlicht worden sind, könnte eine lange Zeit vergehen.
Ich kann für mich persönlich festhalten, dass MHR mich aufgrund seiner phasenweise uninspirierten und technischen Schreibe, seines konstruiert wirkenden Metaspiel-Ablaufs sowie des für ein narrativ orientiertes Spiel zu aufwändig gestalteten Würfelmotors eher kalt läßt.