Serie: Loveless, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Vom ehemaligen Feind Jeremiah Trotter zum Sheriff ernannt muss der aus dem Bürgerkrieg zurückgekehrte Wes Cutter nicht nur lernen, mit dem Hass der Bewohner Blackwaters umzugehen, sondern auch mit der Entfremdung von seiner Frau Ruth. Zwar sind die beiden Eheleute nach wie vor in Liebe verbunden, aber der Krieg hat seine Spuren in ihren Seelen hinterlassen: während Wes im Krieg seine Bestimmung gefunden zu haben glaubte und die Erlebnisse aus ihm einen zynischen, harten Mann machten, gewährte Ruth derweil - von einer Freundin überredet - Waffenschmugglern der Konföderation auf ihrer Ranch Unterschlupf. Als es für sie feststand, dass ihr Gatte nicht mehr aus dem Krieg zurückkehren würde, ließ sie sich in einem Moment der Trauer und der unerfüllten Leidenschaft dazu hinreißen, mit einem Schmuggler, mit Wes' Bruder Johnny, zu schlafen.
Des Respekts - vielmehr die Furcht - der Bürger Blackwaters versichert sich Wes durch ein rücksichtsloses und willkürliches Vorgehen sowie die demonstrative Zurschaustellung von Gewalt. Das macht ihn zwar nicht beliebter, doch das ist auch nicht notwendig, denn Blackwater braucht den Sheriff, als ein psychopathischer Mörder aus dem Nichts auftaucht und ein Farmer-Ehepaar bestialisch abschlachtet, ein Mörder, der mit Wes und der Stadt verbunden zu sein scheint.
Litt die Story des ersten Tradepaperbacks noch an den blassen, vergangenheitslosen Charakteren, so beginnt dieser zweite Band mit ausführlichen Rückblenden in das Leben dreier Hauptprotagonisten der Serie - Wes und Ruth Cutter sowie Atticus Mann, seines Zeichens Kopfgeldjäger und ehemaliger Sklave. Während die Vergangenheit der beiden Männer nichts wirklich Unerwartetes bereit hält - das Grauen des Krieges sowie das Los eines Sklaven als prägende, traumatisierende Erfahrungen konnte man quasi voraussetzen, wenn auch die Details unklar waren - erfährt Ruths Rolle tatsächlich eine Wandlung, vom Nur-Weibchen an Wes Seite zu einer starken, aktiven Figur.
Während die erste Hälfte des Comics relativ stark durch die Emotionalität der Figuren geprägt ist, wirkt der Haupthandlungsbogen um den psychopathischen Killer, der ebenfalls von einigen Rückblenden durchbrochen ist, welche das Beziehungsgeflecht der Protagonisten durchleuchten, im Tonfall deutlich lakonischer und zynischer.
Gemeinsam haben beide Teile neben dem hohen Anteil an Gewalt, dass zentrale Aussagen eher durch die expressiven Bilder denn durch die auf das Notwendige beschränken Texte transportiert werden.
Das düstere Artwork der beteiligten Zeichner weist hinsichtlich des kantigen Duktus', der harten Verschattungen sowie der Reduktion der Bildelemente auf das Wesentlich erstaunliche Ähnlichkeiten auf, wobei Zezeljs die schroffste und Dell'Ederas' die leichteste der drei künstlerischen Handschriften ist.
Das sehr spezielle Artworks - und hier in erster Linie die zurückhaltende, sich einer reduzierten Farbpalette bediende Koloration - bringt es mit sich, dass es der Leser gerade im ersten Teil schwer hat, der zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin- und herspringenden Handlung zu folgen, denn der Unterschied zwischen monochrom (Vergangenheit) und nahezu monochrom (Gegenwart) ist nur marginal.
Fazit: Schmutzig, düster, hart und zynisch; kein Comic für Western-Romantiker und Karl May-Fans.