Titel: Das Königreich jenseits der Wellen Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Auf dem Kontinent Jackals erzählt man sich die Legende vom untergegangenen Reich Camlantis. Seit Beginn der Saga vor etwa sechshundert Jahren sind Forscher jeder Art auf der Suche. So auch Amelia Harsh. Die Archäologieprofessorin ist in der Welt der Wissenschaft als Enfant terrible bekannt und mit Besessenheit auf der Suche nach den Ruinen der sagenhaften Kultur Camlantis. Camlantis galt als pazifistische Gesellschaft, die Krieg, Hunger und Tod besiegt hatte. Da aber bei ihrer Suche und den Nachforschungen nichts herauskommt, wird Amelia entlassen. Warum auch nicht, schließlich ist die einzige Frau unter den Professoren bei allen Universitäten von Jackal im Fettnäppchen gelandet. Ihre Position als Tochter eines ehemaligen Regierungsmitglieds hilft ihr auch nicht weiter, denn anstatt in den Schuldturmzu gehen, erschoss der Vater sich. Ohne Arbeit ist man in dem Land Jackal, das einem viktorianisch anmutenden Königreich gleicht und in dem Maschinen mit Dampfkraft und nicht durch Benzin u. Ä. angetrieben werden, verloren. Neben den Menschen besteht hier eine Kaste aus Dampfmännern, die ihre eigenen Ansichten und sogar eine eigene Religion besitzen. Die Welt von Amelia besteht aus einer Technik, deren konventionellste Fortbewegungsmittel Dampfer und Luftschiffe sind, sogar Automobile mit Hochspannungs-Aufziehfedern gibt es.
Abraham Quest, reichster Mann und mächtigster Fabrikant von Jackal, nimmt Verbindung zu Professorin Amelia auf. In seinem Besitz befinden sich zwei der verschollenen sagenhaften Kristallbücher der Camlantiker. Bücher, für die er einen Haufen Geld hinlegte. In ihnen wird eine reiche und pazifistisch lebende Zivilisation beschrieben. Zudem befindet sich darin ein Hinweis auf die Lage der verschwundenen Stadt.
Im Dienste Abraham Quests und nicht mehr der bornierten Wissenschaftsbürokraten begibt sie sich auf die Forschungsreise nach Camlantis. Was Amelia nicht weiß ist, dass ausgerechnet der Expeditionsfinanzierer Abraham Quest durch rücksichtslose Börsenspekulationen Amelias Vater in den Selbstmord trieb. Eine Expedition wird ausgerüstet. Amelia fährt mit einem in die Jahre gekommenen Tauchboot in eine der gefährlichsten, unerforschten Gegenden der Welt. Ihr Weg führt sie in die entlegene Dschungelwelt von Liongeli, wo sie in der Begleitung von amazonenhaften Söldnerinnen und begnadigten Schwerverbrechern ihre Abenteuer und Kämpfe zu bestehen hat. Als eine Art fünfte Kolonne befindet sich in ihrem Trupp ein Saboteur.
Neue Helden, fantastische, drachenähnliche Wesen und Absonderlichkeiten braucht die Literatur. So könnte man sich dem zweiten Band von Stephen Hunt nähern. Neben einer viktorianisch anmutenden Welt namens Jackal findet sich vieles, was die Abenteuergeschichten des 19. Jahrhunderts ausmachen. Viele weiße Flecken auf der Weltkarte lassen vermuten, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als die Wissenschaft ahnt. So führt den Leser die Forschungsreise der Amelia Harsh in die Dschungelwelt von Liongeli mit ihrem Pflanzenschwärmen oder verwilderten Dampfmännern, die sich im Öl ihrer mechanischen Feinde oder dem Blut von Menschen suhlen. Es ist eine bedrohliche und seltsame Welt, die der Leser kennen lernt. Dabei nimmt sich der Autor viel Zeit und Platz, um möglichst viel von seiner Welt vorzustellen. Manchmal verzögert dies ein wenig den Handlungsverlauf. Aber dies ist nur der erste Anschein, denn Stephen Hunt bietet damit auch ein wenig Ruhe in seiner aufregenden Erzählung. Mehreren Erzählsträngen gilt es die Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie werden noch miteinander verflochten, sorgen für überraschende Wendungen und dienen bester Unterhaltung. Die Bücher von Stephen Hunt sind bezaubernd, fremdartig, intelligent. Eine kreative neue Utopie mit ungeahnten Variationen.