Titel: Innswich Horror Eine Rezension von Carmen Weinand |
"Innswich Horror" handelt vom gut betuchten Antiquitätenhändler Foster Morley, der als wahrscheinlich größter Fan von H.P. Lovecraft im Jahre 1939 auf den Spuren seines Idols wandelt. Eine Busreise soll ihn so realitätsgetreu wie nur eben möglich an die selben Orte führen, die einst auch Lovecraft besuchte. Mit seinen Augen will er sehen, was der Meister sah. Dazu scheut er keine Kosten und Mühen.
Als er in die Hafenstadt Innswich Point gelangt, fallen ihm nach und nach immer mehr Details auf, die auf Lovecrafts Geschichte "Schatten über Innsmouth" hindeuten. Spontan beschließt er, die Reise an dieser Stelle für einige Zeit zu unterbrechen, um den Spuren nachzugehen, die auf Lovecraft's vergangene Anwesenheit hinweisen.
Schnell wird ihm klar, dass er sich auf der richtigen Fährte befindet. Einmal angefangen, kann er nicht mehr aufhören. Er gerät immer tiefer in den Strudel der unheimlichen Geheimnisse, die die kleine Hafenstadt beherbergt.
"Innswich Horror" war mein drittes Buch von Edward Lee. Nachdem ich von "Haus der bösen Lust" nicht sonderlich begeistert war, erlebte ich mit "Bighead" meinen ersten Aha-Effekt. Ich war und bin fasziniert davon, wie wandelbar Lee in seinem Schreib- und Erzählstil ist. Deswegen habe ich mich nicht im mindesten gewundert, nun eine Hommage an Lovecraft in den Händen zu halten. Man sollte es nicht für möglich halten, aber auch dieser Roman ist wieder komplett anders, als man es von Lee gewöhnt ist.
Bis auf winzige "Ausrutscher", wo der mir bekannte Edward Lee leise aufschreit, könnte man fast meinen, einen Gruselroman aus Lovecraft's Zeiten gelesen zu haben.
Die Ausdrucksweise ist spürbar zurückhaltend und brav, wie es sich für das Moralverständnis dieser Zeit gehört. Der Sex ist zwar im Prinzip reichlich vorhanden, wird aber nur thematisch angerissen und nicht detailliert ausgeführt. Ein kleines bisschen Splatter konnte Lee sich nicht verkneifen, aber es wäre auch kein Lee, wenn nicht wenigstens einmal ein bisschen Hirn durch die Gegend spritzt. Ich wäre wirklich beleidigt gewesen, wenn es komplett gefehlt hätte. Allerdings hatte er ein gutes Näschen für die richtige Menge. Mehr davon wäre einfach nicht zeitgemäß gewesen und hätte dem Roman vielleicht geschadet.
Edward Lee brilliert hier tatsächlich mit dem guten, altmodischen und unterschwelligem Grauen, das nur die wenigsten Autoren vernünftig hinbekommen.
Die Charaktere sind wirklich gut gelungen. Man kann sie sich vorstellen und sich in sie hinein versetzen. Besonders gut gelungen ist ihm die schöne Mary, die trotz ihrer vielen "Verfehlungen" wahrscheinlich in jedem Mann den Superheldeninstinkt weckt.
Meine Güte, sogar ich wollte die gute Frau beschützen.
Wie auch in "Haus der bösen Lust" ist mir aufgefallen, dass Edward Lee sich intensiv mit detaillierter Recherche befasst hat. So erhält man bildhafte und plausible Eindrücke der Stadt zu der Zeit in der die Story spielt.
Wenn die Geschichte sich auch anfangs etwas gemächlich entwickelt, wird es zur Mitte hin um einiges rasanter. Das Ende gipfelt schließlich in einem sehr unterhaltsamen Showdown, bei dem man spürt, dass Lee am liebsten so viele Ideen wie möglich untergebracht hätte. Wahrscheinlich ist es ihm ziemlich schwer gefallen, sich zusammenzureissen und nicht noch ein paar geisteskranke Irre aus dem Busch springen zu lassen. Das waren die Momente, wo ich spürte: Hier schreibt Edward Lee - er will Gas geben, aber er darf nicht. Das wird auch im letzten Absatz des Romans deutlich, wo er seinen Lesern quasi noch klammheimlich eins drauflegt und uns zuruft: "Kommt Leute, einen habe ich noch."
Ich gebe zu, dass ich nie ein großer Fan von Lovecraft war und deswegen auch die Geschichte "Schatten über Innsmouth" nicht kenne. Allerdings bin ich mittlerweile soweit, dass ich mir in Kürze einen Band von Lovecraft kaufen werde, denn meine Neugierde ist jetzt wirklich geweckt. Vielleicht wird es sogar die Story "Schatten über Innsmouth", wer weiß?
Fazit:
Edward Lee hat es ein weiteres Mal geschafft, mich positiv zu überraschen. Was hat dieser Mann noch alles auf dem Kasten? Ich bin schwer beeindruckt von seiner vielseitigen Schreibkunst. "Innswich Horror" hat mich ziemlich gut in die gute alte Zeit abgeholt und mir sogar noch Lust auf mehr gemacht. Lovecraft, ich komme!