Reihe: H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Band 28 Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Die folgenden Geschichten sind alle im Cthulhu-Mythos verwurzelt. Trotzdem braucht man kein Kenner von Lovecraft-Geschichten zu sein, um sie zu verstehen un zu genießen. Auch für Neueinsteiger uneingeschränkt zu empfehlen!
Story-Titel: Meine Frau, der Shoggoth |
Ein Medizinstudent genießt seine Arbeit mit Leichen, vornehmlich weiblichen Leichen. Denn da er sehr schüchtern und nicht sonderlich attraktiv ist, hat er nicht den Kontakt mit dem lebenden Frauen, den er sich insgeheim wünscht.
Dann hört er von einem Kollegen von den Großen Alten und ihren Dienerrassen. Besonders eine biegsam-weiche Blob-ähnliche Kreatur namens Shoggoth hat es ihm abgetan. Dass sie gegen ihre Herren einen Aufstand planten und ihren Opfern den Kopf von den Schultern lutschten, interessiert ihn dabei nicht so sehr, wie die Tatsache, dass sie ihre Gestalt wechseln können. Wenn sie das können, so meint dieser Student, dann können sie sich auch in Frauen verwandeln – und da ich Macht über sie habe, müssen sie mir zu Willen sein.
Von diesen perversen Gedanken getrieben schmökert er in den verbotenen Büchern, und tatsächlich gelingt es ihm, einen dieser Shoggothen zu beschwören. Aber ist sein Wissen auch groß genug, ihn in seinem Bann zu halten?
Ich finde es klasse, auf welch erfrischende Art der Autor hier an das klassische Thema herangeht. Eine Menge Lovecraft, ein bisschen Frankenstein und eine gehörige Portion Schwärzester Humor werden hier zu einer düstren, grotesken Geschichte verwoben.
Ein Shoggothe, der sich in Marylin Monroe, Reese Witherspoon und auch die Freundin seines besten Freundes verwandelt, das hat schon was. Aber natürlich klappt das Alles nicht so, wie sich der junge Mann das vorstellt...
Das Ganze erinnert natürlich sehr an Herbert West Wiedererwecker / Herbert West Re-Animator, aber der aufsteigende und absteigende Modus der Beschwörungen stammt aus Der Fall Charles Dexter Ward.
Handlungsort: Arkham,Miskatinoc Universität
Die Großen Alten / Dienerrassen: Shoggothen
Erwähnte Große Alte: Yog-Sothoth
Bücher vor Ort: Necronomicon
Erwähnte Bücher: Necronomicon
Story-Titel: Die Gebeine der Großen Alten |
Ein Polizeibeamter untersucht einen Amoklauf. Der Täter ist in eine Wohnung gestürmt, hat mit roter Farbe seltsame Graffitis an die Wände gesprüht.
Allgemein sieht es in der Wohnung sehr okkultistisch aus. Verschiedene Sternenkarten und astronomische Diagramme zieren die Wände, und da gibt es seltsame Kinderzeichnungen mit komplexen Strukturen, grob, weil ohne Lineal gezeichnet, und dennoch zwanghaft geometrisch.
Es gibt auch einen merkwürdigen Altar: In allen vier Ecken der Steinplatte stand eine schwarze Kerze, fixiert in einer Pfütze ihres eigenen, getrockneten Wachses. In der Mitte der Platte befand sich eine Einbuchtung, und darin ruhte ein sonderbares Schmuckstück, das aus schwarzem Kristall gearbeitet und mit blutroten Riffelungen gemasert war. Es war ein eigroßer Edelstein, geschnitten in Form eines merkwürdig gewinkelten Trapezoeders.
Doch das seltsamste sind Risse im Teppich, die wie Spuren wirken, die in die Ecke führen. Kugeln stecken in den Wänden, und auch hier wurde das magische Symbol gemalt: Ein fünfzackiger Stern mit einem flammenden Auge in der Mitte.
Alle Bewohner dieser Wohnung wurden gnadenlos getötet – bis auf einen kleinen Jungen, der sich im Schrank versteckte. Den brachte der Täter in ein Krankenhaus, obwohl er sich damit praktisch in die Hände der Behörden begab.
Was den Polizisten John Bell jedoch am meisten wundert, der Täter ist sein alter Freund Josh Kaddish
Der erzählt ihm dann etwas von uralten Göttern (den Großen Alten oder den Äußeren Göttern), die in fremden Dimensionen darauf warten, in die unsere Vorzudringen. Dass es überall Kultisten gäbe, welche bereit seien, ihnen die Tore zu öffnen, und dass dies unter allen Umständen verhindert werden müsse.
Natürlich glaubt Bell, dass sein Freund verrückt geworden ist, aber unbestreitbar geschehen seltsame Dinge.
Der Kontakt zur Erde ist abgebrochen, ebenso zu Luna und Mars. Ein letzter Funkspruch der Marskolonisten sagt etwas von einer Wolke mit Mäulern. Vielen Mäulern.
Sämtliche Kolonien sind betroffen, bis hin zu den Monden des Jupiter.
Eine bestimmte Rolle scheint auch der überlebende Junge zu spielen. Er nennt sich Yog-Sothoth und malt seltsame geometrische Diagramme.
„Ich bin das Tor“, sagte der Junge brav, wobei er, die Hände auf den Knien, vor und zurück wippte. „Yog Sothoth ist der Schlüssel und der Hüte des Tores.“
Er zitiert auch die bekannte Zeile Ph-nglui mglw‘ nafh Cthulhu R’lyeh wgah‘ nagl fhtagn, enthält uns jedoch die Übersetzung vor (In seinem Haus in R’lyeh wartet träumend der tote Cthulhu).
Kaddish schreit, man möge dem Jungen unbedingt die Stifte wegnehmen, und auch verhindern, dass er mit seinem Blut oder Exkrementen male. Am besten versetze man ihn in ein Koma...
Obwohl die Geschichte auf einem fremden Planeten spielt, enthält sie doch all die Elemente, die eine unheimlichen Erzählung im Stil von H. P. Lovecraft ausmacht.
Der Trapezoeder erinnert natürlich an die Geschichte Der leuchtende Trapezoeders / Der Jäger aus dem Dunkeln. Die Hunde der Großen Alten dürften die Hunde des Tindalos aus der gleichnamigen Geschichte von Fran Belknap Long sein.
Interessant finde ich, dass Bells Beschreibung dem Innsmouth-Look gleicht: Weit auseinander stehende Augen, wulstige Lippen, breiter Mund, flache Nase. Vielleicht nur Zufall, zumindest in dieser Geschichte wird kein Bezug genommen, auf des Bells Herkunft.
Sehr schön finde ich die Stelle, in der der Polizist den Kampf mit dem Hund aufnimmt, der sich übrigens nicht einmal als hundeartig herausstellt. Dass sein Freund Kaddish ihm zur Hilfe eilt, indem auch er durch die Ecke in das Zimmer tritt. Bombastisch, blutig, brutal ... und überwältigend: Ich bin durch die Linien geschlüpft, nicht durch die Krümmungen.
Das Ganze ist kein Widerspruch an sich. Die Verbindung zweier grundsätzlich sehr verschiedener Genres klappt hervorragend. Eine echt tolle Geschichte!
Handlungsort: Paxton (Punktown), Tin Town
Die Großen Alten / Dienerrassen: Yog-Sothoth, die Hunde des Tindalos; mutierte Kultisten
Erwähnte Große Alte: Azathoth
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Die Avatare der Großen Alten |
H’anna ist eine Künstlerin, die gleichzeitig in der Suppenküche arbeitet. Seit dem Unglück vor vier Jahren ist ein Großteil der Bevölkerung mutiert. Von dicken Eiterpusteln übersät, und auch sonst mit etlichen Missbildungen gestraft. Es konnte nie geklärt werden, warum diese Missbildungen die einen, aber nicht die anderen Menschen befielen. Insgesamt gibt es auf der Erde, dem Mars, Luna und den Monden des Jupiters 24.000.000 Betroffene. Es ist jedoch für uns nicht wirklich verwunderlich, dass sie sich und andere mit folgenden Worten begrüßen: Ph-nglui mglw‘ nafh Cthulhu R’lyeh wgah‘ nagl fhtagn.
Sie teilt also einen speziellen Haferschleim an die Bedürftigen aus und flirtet ein wenig mit dem Wachmann John Bell – als drei Kinder plötzlich sagen: „Wir kennen dich, John Bell“.
Die geben sich als die Träumenden zu erkennen, und damit beginnt das Chaos, denn die Befallenen hören abrupt auf, friedlich ihren Haferschleim zu löffeln, sie greifen an.
John Bell schießt mit Plasmakugeln um sich. Die Kreaturen mutieren erneut. Sie verwachsen zu größeren, spinnenartigen Organismen, spannen Fäden durch die Stadt, die machtvolle geometrische Muster bilden ... in deren Zentren sich Kunstwerke befinden, wie die von H’anna geschaffene Skulptur vom Kopflosen Engel.
Mit dieser Geschichte greift Jeffrey Thomas einen Faden auf, den er in der vorigen Geschichte knüpfte. John Bell hat den Polizeidienst gekündigt und arbeitet dort als Wachmann, wo er die Befallenen im Auge behalten kann. Und tatsächlich: Die Großen Alten versuchen wieder durchzukommen. Die Sterne stehen wieder günstig.
Ein weiteres Motiv dieser Geschichte sind sensible Künstler, welche von den Träumen der Großen Alten beeinflusst fremdartige Kunstwerke schaffen. Das kennen wir schon von der richtungsweisenden Lovecraft-Erzählung Der Ruf des Cthulhu. Dass diese Kunstwerke gezielt geschaffen werden, um ein Netz zu erschaffen, das als Tor dienen kann, ist neu – und schlichtweg genial!
Passenderweise findet der Showdown im Fine Arts Museum statt, in der Abteilung für Außerirdische Altertümer von Choom und Tikkihotto, wobei die Tikkihotto-Artefakte eine wesentliche Rolle spielen...
Handlungsort: Die Erde
Die Großen Alten / Dienerrassen: Die Träumenden, Nyarlathotep; mutierte Kultisten
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Die Abkömmlinge der Großen Alten |
Paul Sexton befindet sich in einem Krankenhaus auf dem Planeten R’lyeh (Außer Himmel und Meer gab es nicht viel auf R’lyeh). Er war acht Jahre in einer anderen Dimension verschollen. Ohne Erinnerungen fühlt er sich verwirrt und umnebelt.
Er war schon in anderen Dimensionen gewesen. Z. B. in der Welt der käferartigen Rasse der Coleopteroiden, in jener der halbwegs humanioiden Antse und der knochenlosen, knetähnlichen L’lewed.
Er bekommt Besuch von Special Agent John Bell von der Kolonialen Sicherheit, der ihm einige Fragen stellt, über seltsame Träume, die ein riesenhaftes, unsägliches Tier betreffen, das aus dem Meer steigt.
„Das meiste war unter Wasser. Vielleicht ... vielleicht hilft ihm ein flüssiges Medium, sich aufrecht zu halten. Was ich sah, war von gräulicher Farbe. Glatt, glitschig ... aber es schien raue Flecken zu haben, verkrustet, wie große Kolonien von Rankenfüßern, vielleicht auch verpestetes Fleisch. Ich erblickte etwas, das wie die Schultern oder der obere Teil von Vordergliedmaßen aussah, doch Extremitäten traten keine an die Oberfläche. Auf dem Rücken hatte es etliche Paare kleiner Flossen, glaube ich ... klein für seine Verhältnisse. Und dann waren da ein paar Flossen, die sich einfach nur gigantisch ausnahmen ... sie waren gerippt wie der Fächer eines Schwertfischs. Schwarz.“ Er stockte. Es hätten Flügel sein können...“
„Und der Kopf?“
„Rund. Keine Augen. Keine Ohren. Nichts außer einem dicken Haufen Tentakel, vorn, wo ein Gesicht hätte sein müssen, etwa in der Mitte des Kopfes. Sie waren von metallisch silberner Färbung, mit schwarzen Flecken, die an den Enden in Streifen übergingen. Sie ... sie wanden sich in der Luft. Wie Würmer. Lebendig. Als könnten sie alle sehen. Mich sehen...“.
Ist das nicht eine beeindruckende Beschreibung Cthulhus? Allein diese Sequenz rechtfertigt den Kauf des Buches!
Doch der Titan aus R’lyeh (dem R’lyeh der anderen Dimension) hat eine Vorhut ausgeschickt. Tausende von Larven, die sich im Körper des Dimensionsreisenden versteckt haben. Die meisten von ihnen sind beim Filterungsprozess gestorben, aber nicht alle...
Wieder schafft es Jeffrey Thomas, den alten Mythos mit frischer Science Fiction zu vermischen. Eine neue, berauschende Herangehensweise. Und wieder bin ich von der Geschichte schwer beeindruckt!
Die Bezüge auf Der Ruf des Cthulhu sind offensichtlich. Und eine Käferrasse wird in Lovecrafts Erzählung Der Schatten aus der Zeit erwähnt.
Handlungsort: Der Planet R‘lyeh
Die Großen Alten / Dienerrassen: Cthulhu, Cthulhus Brut
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Zu Diensten |
Gabrielle wird von ihrer ehemaligen Chefin Dianna Wallace um Hilfe gebeten. Sie hat den Dienst quittiert, weil sie eine Affäre mit dem Mann ihrer Chefin hatte, was sie in ein moralische Dilemma stürzte, denn sie mochte Dianna sehr.
Die Archäologin ist mittlerweile and en Rollstuhl gefesselt. Man hat sie angeschossen, als sie einen alten Kult erforschte.
Obwohl sich Gabrielle sehr unwohl dabei fühlt, willigt sie ein, ihre einstige Haushältertätigkeit wieder aufzunehmen.
Aber das wird sie bereuen. Mr. Wallace stellt ihr erneut nach, und dann ist da noch der stumme, schwarze Diener Smith, der ihr sehr seltsam vorkommt. Zudem hat sich Dianna verändert. Die körperlich gehandicapte Archäologin hat ihre Forschungen auf die Traumlande verlegt ... und dass Träume in Mythos-Geschichten keine Schäume sind, das dürfte dem geneigten Leser klar sein!
Wieder werden gewisse Motive aus Lovecrafts Geschichten aufgegriffen und vollkommen neu präsentiert. Als Lesetipp verweise ich hier auf Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath, Der Silberschlüssel und dessen Fortsetzung Durch die Tore des Silberschlüssels.
Normalerweise sind die Traumgeschichten nicht so meins, aber da diese Erzählung (die jedoch mehr im Hier angesiedelt ist) hat mir gut gefallen!
Handlungsort: Das Haus der Wallace, N‘Kai
Die Großen Alten / Dienerrassen: Tsathoggua, die gestaltlose Brut des Tsathoggua
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Konglomerat |
Der Wachmann kommt ins Grübeln, als ein Mann in die Empfangshalle der Versicherung Monumental Life mit einer Sprühdose über eine Skulptur verschandelt (Mit einem fünfzackigen Stern, in dessen Mitte ein Flammendes Auge sitzt). Dieser Akt des Vandalismus endet im Selbstmord des Täters, wobei er sich der Waffe des Wachmannes bedient.
Der Wachmann macht sich natürlich Vorwürfe, dass er weder den Vandalismus, noch den Selbstmord hat verhindern können – obwohl er gut geschult ist. Er forscht nach und findet heraus, dass der Tote ein Professor für Frühgeschichte am Berg College gewesen war – bis er vor einiger Zeit von unvorstellbaren Wesen sprach, die in unsere Welt eindringen wollten, was man unbedingt verhindern müsse..
Weiterhin recherchiert der Wachmann, dass seine Firma Teil eines Konzern namens Nye Conglomerate ist, und dass in allen Empfangshallen die gleichen Skulpturen zu finden sind, als habe der Konzernchef Nye (der wie ein Inder oder Araber aussieht) sie um diese Gebilde herumgebaut...
Geil. Diese Geschichte ist einfach nur geil. Wie ein harmloser Angriff mit einer Sprühdose ein weltumspannendes Komplott, oder vielmehr einen galaktischen Plan aufdeckt. Hammer!
Handlungsort: Die Erde?
Die Großen Alten / Dienerrassen: Yog-Sothoth, Nyarlathotep; trollähnlicher, krötenartiger Zwerg (Tiefes Wesen?)
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: Metall-Buch
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Hinter durchsichtigem Glas |
Als Judith ihren Ehemann betrog, zog Robert Fuseli wieder heim nach Sesqua. Dort hat er eine Aufgabe zu erfüllen. Eine schwere Bürde, die es ihm verbietet, seine Frau zurückzunehmen, selbst wenn er ihr verzeihen könnte.
Aber er gestattet ihr, eine Nacht zu bleiben. Und in dieser Nacht hat sie seltsame Träume, aus denen sie erwacht, weil sie seltsame Geräusche hört. Die sucht die Quelle und findet dort eine Halbkugel aus Glas im Boden, und schreckliche Wesen, die auf der anderen Seite lauern...
Eine kleine, aber feine Geschichte, die um das Traum-Okular gesponnen wurde, so wie in Sesqua das Haus darüber errichtet wurde. Es wird schnell klar, dass die Aufgabe darin besteht, das Tor geschlossen zu halten – und dass das keine leichte Aufgabe ist!
Nicht sehr überraschend, aber sehr gut geschrieben!
Handlungsort: Sesqua, Der Turm Koth (Traumlande)
Die Großen Alten / Dienerrassen: die Gugs
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Aus dem Bauch der Hölle |
Viele von Euch kennen die biblische Geschichte von Jona (Jonas). Er versuchte, sich vor Gott an Bord eines Schiffes zu verstecken. Daraufhin gab es eienn gewaltigen Sturm, sodass das Schiff zu sinken drohte. Die Matrosen warfen ihn also ins Wasser, wo er von einem Wal verschlungen wurde...
... in Jeffrey Thomas‘ Geschichte wird das Ganze jedoch ein wenig anders erzählt. Da ist der Auftrag, die Lasterhaftigkeit der Hauptstadt Assyriens zu rügen (die Bibel erzählt uns von Sodom und Gomorrha, welche aufgrund ihrer Lasterhaftigkeit von Gott zerstört wurden), aber er weigert sich, Handlanger eines Göttes zu sein:
Sie glaubten, Gott sei eine Stimme, eine Gestalt, ein Wesen das ähnlich wie Jona aussehe. Einem Vater gleich, an den sich sein Kind wenden, mit dem es reden kann. Sie würden Jona töten, falls er ihnen die Wahrheit verriet. Ihr beschränkter Verstand, ein nichtiger Klumpen irdischer Zellmasse, konnte die Wahrheit nicht fassen, dass es viele Götter gab, und Jona sich oft nicht sicher war, welcher gerade zu ihm sprach.
(...)
Selten waren sie für ihn bestimmt – direkt an ihn gerichtet. Er hatte schlicht und einfach diese besondere Gabe, die Kakofonie der Götter zu vernehmen.
Manche dieser Wesen waren längst tot, und die Worte, die sein Geist auffing, waren Tausende von jahren zuvor gesprochen worden, um ziellos ins Himmelreich hinauszuschweben.
Manche Worte trieben ihm aus der Zukunft entgegen, und er lauschte ihnen wie jemand, der heimlich an einem Schlüsselloch horcht. Einige Götter hatten Mitleid mit dem Tier namens Mensch, andere betrachteten sie nur mit Verachtung – doch die meisten scherten sich nicht im Geringsten um ihn.
Als dieser Jona wegen seiner Weigerung ins Meer geworfen wird, verschlingt ihn kein Wal, sondern der große Cthulhu selbst!
Ich finde diese Neuinterpretation des biblischen Stoffen phantastisch! Jona trifft im Inneren des Gottes einen Wahnsinnigen (Araber?). Viele Anspielungen und Insidergags und ein köstlicher Humor machen diese Geschichte zu einem wahren Lesegenuss!
Handlungsort: Das Meer, der Magen Cthulhus
Die Großen Alten / Dienerrassen: Cthulhu
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Die Fratze Baphomets |
Ein ehemaliger Priester bittet einen Privatsammler, ihm ein seltenes Kunstobjekt zu zeigen: Ein Bildnis des Baphomets, den die Tempelritter angeblich angebetet haben sollen. Das wurde ihnen zumindest vom Papst zur Last gelegt, als sie verfolgt und ausgerottet (?) wurden...
Einige cthuloide Geschichten bringen den Götzen Baphomet mit Shub-Niggurath, der Ziege mit den Tausend Jungen in Verbindung. Eine Idee, die diese feine Geschichte aufgreift. Nett.
Handlungsort: Ein Herrenhaus
Die Großen Alten / Dienerrassen: Baphomet (Shub-Niggurath)
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: Necronomicon
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Leichenkerzen |
Weil sich die Gebrüder Brill nicht einigen können, welchen Gott sie nun anbeten sollen, hetzt der eine dem anderen einen Feuervampir auf den Hals. Dass er dann schwer verbrannt ist, aber immer noch irgendwie lebt, führt Detective Grange auf dessen Spur. Ein unheimliches Sumpfgebiet, Irrlichter (vond en Walisern Leichenkerzen genannt) und okkulte Beschwörungsutensilien würzen dann diese gruselige Geschichte, die sich erheblich besser liest, als diese Zusammenfassung.
So gut die Geschichte auch ist (spontane Selbstentzündung ist ein faszinierendes Thema), der Name Feuervampir stößt mich ab. Wie wir wissen, hat sich Lovecraft nicht mit den klassischen Monstern abgegeben, in keiner seiner Erzählungen kommt ein Vampir vor. Tatsächlich stammt der hier erwähnte Feuervampir von Donald Wandrei. Es sind Dienerwesen Cthughas, angeführt von Fthagghua. Die flammenden Gaswesen stammen von einem Stern namens Formalhaut.
Handlungsort: Eastborough Sumpf
Die Großen Alten / Dienerrassen: ein Feuervampir
Erwähnte Große Alte: Cthugha
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Pazuzus Kinder |
Ein amerikanischer Kampfpilot wird verhört. Da er etliche Bücher über den Irak gelesen hat, hält er seine Geiselnehmer für Jesiden, also für Teufelsanbeter. Wenn dem so wäre, würden sie sich hüten, das Sch aussprechen, weil damit der Teufel in ihrer Sprache beginnt (und der bekanntlich erscheint, wenn man ihm beim Namen ruft).
Der Verhör-Spezialist will wissen, warum man ausgerechnet diesen Berg angegriffen hat, ob die Amerikaner etwas über diese Berge wüssten...
Nun, wenn sie etwas wussten, der Pilot weiß es nicht. Für den Iraker ist sein Tod beschlossene Sache, und so erzählt er ihm von Pazuzu:
Mann nennt ihn Pazuzu, wobei sein Name ähnlich, doch grundlegend verschieden und unendlich heiliger ist. Man gibt ihm den Kopf einen Hundes, denn man kann ... oder will ... ihn sich nicht als den Leib eines Tintenfisches vorstellen.
Es verwirrt diesen Piloten, sich Pazuzu als Geheimwaffe vorzustellen, aber er sieht, dass die Iraker viele Bücher bergen, und einen riesigen Tentakel...
Wieder die geniale Verknüpfung eines aktuellen Themas mit den Lovecraftschen und älteren Mythen. Einfach nur klasse!
Übrigens: Pazuzu ist ein alter assyrischer Dämon, der Teufel des Südwinds. Er ist der große Gegenspieler in dem Horrorfilm Der Exorzist.
Handlungsort: Irak
Die Großen Alten / Dienerrassen: Pazuzu (Cthulhu?)
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: Viele, namentlich nicht benannt
Erwähnte Bücher: -
Story-Titel: Der Tanz der Ugghiutu |
Während der Aufführung des Tanz der Ugghiutu werden mehrere Tänzerinnen erschossen. Die Regisseurin erzählt, wie es dazu kommen konnte, dass ihre Geliebte, die die Haupttänzerin war, sterben musste.
Die öffentliche Vorführung dieses geheimen, rituellen Tanzes sollte die Emanzipation der kalianischen Frauen demonstrieren. Dafür haben die Beteiligten ihn auf das Genauste rekonstruiert, aufgrund zweier verbotener Bücher, welche die Initiatorin einerseits aus dem Internet herunterlud und andererseits stellenweise abfotografierte, weil der Kaufpreis ihre Möglichkeiten überstieg. Der Bau der Kulissen folgte nach strengen geometrischen Grundlagen eines traditionellen des Tempels Ugghiutus.
Er verschlang die Seelen der Lebenden, eine Art Gevatter Tod in Oktopusgestalt, furzte sie dann aber wieder als neue Seelen heraus, wiederverwertet und wiedergeboren. Er war hat, unnachgiebig, rachsüchtig, grausam, monströs ... wie ein Gott eben so ist.
Wie Jeffrey Thomas an anderer Stelle andeutet, werden die Großen Alten auf vielen Planeten unter vielen Namen angebetet. Ugghiutu wird hier verglichen mit einem kriechenden Chaos, aber auch mit Azathoth.
Das kalianische Buch Fizala enthält eine Passage:
Nicht erloschen, noch immer glühend
im tiefen Eis das Feuer liegt,
Bis der Kreis sich wendet und Leben
Spendet dem, der Tod besiegt.
Sie wird gleichgesetzt mit der bekannten Strophe aus dem Necronomicon:
Es ist nicht tot, was ewig liegt.
Und in ferner Zeit wird selbst der Tod besiegt.
Es ist gerade das verweben verschiedener Kulturen und Mythen, die diese Geschichte so interessant machen. Kalianische Tänzerinnen – die Bezeichnung lässt mich an Kali denken, zumal die Beschreibung der Frauen und ihrer Tänze exotisch anmuten.
Dass der Mythos der Großen Alten auch auf fremden Planeten verwurzelt ist, hat uns der Autor schon mehrfach glaubhaft gemacht. Der Vergleich des Fizala mit dem Necronomicon ist klasse. Es wäre auch unglaubwürdig gewesen, hätte das Al Azif ebenfalls auf fremden Welten eine Rolle gespielt. Die Verwendung des Internets und der Fotografie bei der Vervielfältigung verbotener Bücher bringt einen aktuellen Bezug in die Erzählung. Dass jedoch auch in einer modernen raumfahrenden Gesellschaft die alten Gebräuche (das rituelle erhängen) eine große Rolle spielen, ist nachvollziehbar.
Aber mindestens ebenso bemerkenswert finde ich eine kleine Episode am Rande, wo Mutanten eine Art Monster (eine riesige Qualle mit weißen Tentakeln) in ein Gebäude einsperren, und dieses dann anzünden. Wobei sie unter Einsatz ihres Lebens dafür sorgen, dass das Vieh nicht ausbrechen kann.
Eine sehr schöne Geschichte!
Handlungsort: Planet Oasis, Paxton (Punktown)
Die Großen Alten / Dienerrassen: Ugghiutu (Azathoth, das kriechende Chaos?), ein Hund des Ugghiutu (Hund des Tindalos?)
Erwähnte Große Alte: -
Bücher vor Ort: Fizala; ein Buch, dessen Titel man nicht auszusprechen wagt
Erwähnte Bücher: Necronomicon
Story-Titel: Die Kinder des Drachen |
Der Drachenkönig Lac Long Quan hat die Göttin Au Go geheiratet, und mit ihr 100 Kinder hervorgebracht, die Vorfahren der Viet Nam, die Kinder des Drachen.
Der Biologielehrer French ist fasziniert von der Kryptozoologie, weswegen er seinen Jahresurlaub in Viet Nam verbringt, um Drachen zu finden. Seine Führerin ist die einheimische No, die ihm (gegen Geld) gewisse Massagen verabreicht, ihn aber auch im Land herumführt. Obwohl es scheint, dass sie ihm sehr zugetan ist, vermutet er nur, dass sie ihn als Sprungbrett nach Amerika nutzen möchte. Er verhält sich (zeitweise) abweisend, was sie zu dem Ausspruch veranlasst: „Doch wie mir scheint, magst du schreckliche Dinge mehr, als schöne Frauen.“
Auch in dieser Hinsicht kommt sie ihm entgegen. Er bekommt Dinge zusehen, die einem normalen Touristen verborgen bleiben. Seltsame Dinge, von denen der Waltempel noch ein harmloser ist.
Ich möchte hier nicht spoilern, aber in dieser Geschichte bekommen wir eine Variante des Innsmouth-Themas präsentiert, die sehr eindringlich und sehr verstörend ist. Wow.
Handlungsort: Viet Nam
Die Großen Alten / Dienerrassen: nguoi o duoi sau (die, welche in der Tiefe leben)
Erwähnte Große Alte: Dagon
Bücher vor Ort: -
Erwähnte Bücher: -
Ein echt geniales Buch, dass den manchmal etwas verstaubten Cthulhu-Mythos (die grundlegenden Geschichten stammen aus den 30er und 40er Jahren) gehörig auffrischt. Sie beziehen sich zwar auch auf klassische Geschichten, allerdings sehr subtil. Jeffrey Thomas unterlässt es, bei der Beschreibung der Großen Alten Dutzendweise ihre Namen zu nennen, und auch die Aufzählung diverser Verbotener Bücher unterbleibt.
Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen sind seine Geschichten voller Kraft und originelle Ideen, wissen aber auch durch Spannung und Action zu überzeugen. Eines der besten Mythos-Bücher, die ich je gelesen habe!
Abgerundet wird das Ganze durch ein Interview, das Christian Endres mit Jeffrey Thomas geführt hat. Sehr informativ, insbesondere was die Beziehung des Autors zum Cthulhu-Mythos angeht (Er outet sich als echter Fan – aber das habe ich aufgrund der Geschichten sowieso vermutet).
Wobei auch andere Werke erwähnt werden. Bis jetzt habe ich die Geschichten um Punktown (mit Ausnahme der hier enthaltenen, die hervorragend sind) nicht gelesen, weil ich mit Science Fiction und Cyber Punk eher wenig am Hut habe – aber das muss ich dringend nachholen!
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