Reihe: Star Trek: The Original Series, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Der Weltraum: Unendliche Weiten. Das Föderationsraumschiff Enterprise (um einen berühmten Ingenieur zu zitieren: "Ohne irgendwelche Buchstaben!") kreist um einen unbenannten Planeten. Auf dessen Oberfläche erkundet die Besatzung ein geheimnisvolles Tor, das sich als Zeitportal herausstellt. Der Schiffsarzt McCoy hat sich versehentlich eine Spritze Cordrazin verabreicht und leidet unter Wahnvorstellungen. Mit Gewalt verschafft er sich Zugang zum Transporter und beamt auf den Planeten. Kirk und Spock folgen ihm und entdecken, das McCoy durch ein Portal flieht, das die Historie ganzer Planeten anzeigt. Das Tor stellt sich als Zeitportal heraus, Leonard McCoy ist derweil in die 30er Jahre der irdischen Vergangenheit geflüchtet und verändert dort die Zeitlinie offenbar derart, das die Enterprise aufhört zu existieren. Kirk und Spock versuchen die Intelligenz hinter dem Portal, dem "Wächter der Ewigkeit", zu überreden, sie in die selbe Zeitlinie wie den Doktor zu schicken. Dies gelingt auch, Kirk und Spock stellen dann im New York der frühen 30er Jahre fest, das der Tod einer jungen Frau, den McCoy verhinderte, ausschlaggebend für die radikal veränderte Zeitlinie ist.
Soweit die bekannte Geschichte der Episode "Griff in die Geschichte" (The City on the Edge of Forever) aus der ersten Staffel der Classic-Serie. David George III. nimmt diese Grundgeschichte auf und spinnt sie konsequent weiter. Was geschieht in New York, warum ändert das Leben Edith Keelers so stark die komplette Historie der Menschheit? Und was macht der Leonard McCoy aus der Zeitline, in der Edith Keeler weiterlebt? Und wie wirkt sich die veränderte Geschichte auf die bekannte Zeitlinie aus?
Der Autor schildert vom Ereignishorizont des Wächters aus zwei Geschichten.
Zum einen verfolgen wir die Reise der Enterprise - Leonard McCoy versieht seinen Dienst, erlebt die aus der TV-Serie bekannten Abenteuer und lebt sein Leben. Kernpunkte dieses Geschichte sind das aufreiben des Doktors an einer immer wieder scheiternden Beziehung, die entsprechenden bekannten Abenteuer - und Erinnerungen des Arztes an ein Leben, das er gar nicht führte. Der "Landarzt", der er eigentlich immer sein wollte, spielt hier eine größere Rolle, als er annimmt.
In der parallel erzählten Zeitlinie, in der Edith Keeler überlebte, versucht McCoy sein Leben so gut als möglich zu gestalten. Die erwartete Hilfe von seinen Schiffskameraden bleibt aus, da er ja unwissentlich die Existenz der ganzen Sternenflotte auslöschte. Stattdessen muss sich Leonard McCoy durch das Amerika der Weltwirtschaftskrise durchkämpfen, verdingt sich als Arbeiter und landet irgendwann auf dem Weg zu seinem Geburtsort in einem kleinen Nest. Dort wird er freundlich empfangen und aufgrund eines zufälligen Zwischenfalls bleibt er eine Weile - länger als geplant. Er verdingt sich als Landarbeiter und kann irgendwann auch seine medizinischen Kenntnisse wieder anwenden. Immer mehr verschwinden die Erinnerungen an sein früheres Leben als Offizier der Sternenflotte und er wird Teil der amerikanischen Gesellschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieses ist voller Leid und Krieg erfüllt, denn Edith Keeler, verhinderte - wie in der entsprechenden TV-Folge von Spock erwähnt - den Kriegseintritt der USA gegen Nazi-Deutschland. Das Ergebnis ist erschütternd: Deutschland unter Hitler gewinnt den Krieg in Europa und wendet sich nun dem amerikanischen Kontinent zu...
Der eine Teil, der die für die Leser bekannte Zeitlinie schildert, ist angereichert mit etlichen Begebenheiten aus Szenen, die aus der normalen TV-Fassung herausgeschnitten wurden. Gerade dieser Umstand macht den kleinen Reiz des Buches aus, denn die Person McCoy wird hier entsprechend mit Hintergrund unterfüttert und facettenreicher dargestellt, als es bislang in den Episoden zu sehen war. Das allein reicht jedoch nicht, um ein interessantes Buch zu gestalten, denn trotz allen Bonus-Facts, um es mal so platt auszudrücken, wird nicht viel neues geschildert. Die beschriebenen TV-Abenteuer sind jedem Star Trek Fan gut bekannt und flimmern seit Jahrzehnten über unsere Bildschirme.
Den eigentlichen Reiz des Buches macht die parallele, alternative Zeitlinie des Doktors aus. Erst einmal hat dieser Bereich mit Science Fiction nicht viel zu tun. Der Autor fokussiert alles auf die Person des Leonard McCoy. Das Ergebnis kann sich wahrhaft sehen lassen, denn vor mir liegt eine wundervolle und rührend erzählte Lebensgeschichte eines Mannes, der an sich selbst scheiterte, sich fast aufgab und dann neuen Lebensmut fand. Das im Laufe der zweiten Geschichte die Bereiche einer Parallelwelt immer stärker auftreten, stört nicht, ist aber auch kaum wichtig. Der Leser findet in diesem Roman keine Weltraumschlachten, keine Erforschung fremder Planeten und Kulturen. In dem gut 800 Seiten starkem Taschenbuch (die Originalausgabe hat rund 200 Seiten weniger) geht es um das Portrait eines von drei Männern, die für Generationen von Fans Star Trek verkörperten. Langsam und bedächtigt schlendert McCoy durch ein alternatives Amerika, entsprechend ist der Roman keinesfalls voller Tempo, sondern leuchtet die verschiedenen Charakterzüge bedächtigt und ausführlich aus. "Feuertaufe: McCoy" ist eine faszinierende Charakterstudie rund um den berühmtesten Bordarzt eines Raumschiffes. Die faktische Nacherzählung schon leidlich bekannter TV-Episoden lässt den Leser zwar manchmal zum "weiterblättern" neigen, aber allein die Alternativweltgeschichte macht den Roman vollends empfehlenswert!