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Titel: Follower Eine Besprechung / Rezension von Carmen Weinand |
Daniela ist Reinigungskraft in einem Seniorenheim und lebt eigentlich ein ganz normales, unauffälliges Leben – wäre da nicht ihr Hobby, ihr Ein und Alles. Sie ist nämlich auch ein leidenschaftlicher Fan der Daily Soap “Berlin im Herzen” oder auch kurz BIH genannt. Diese Fernsehserie, insbesondere einer der Hauptdarsteller, Kiran Advani, hat es ihr besonders angetan. Außer diesem Mann gibt es in ihrem Leben nicht wirklich Platz für andere Dinge. Für Daniela gibt es eigentlich nur zwei Dinge, die neben essen, schlafen und arbeiten auf dem Tagesplan stehen: BIH schauen und in einschlägigen Fan-Foren kommentieren.
In ihrer Fantasie liebt Kiran Advani sie ebenso sehr, wie sie ihn und sie sind schon lange ein Paar. Der Traum, diesem Mann auch real näher zu kommen, rückt in greifbare Nähe, als Daniela bei einem Gewinnspiel des Fernsehsenders eine Komparsenrolle gewinnt. Daniela sieht ihre große Chance gekommen und noch kann niemand ahnen, wie sehr diese Sache aus dem Ruder laufen wird.
Bisher kannte ich Isabell Schmitt-Egner nur durch das Gemeinschaftsprojekt “Sand & Blut” mit Xander Morus. In diesem Doppelthriller, wenn man das so nennen darf, begeisterte sie mich mit ihrem Thriller “Sandbank” gleich so sehr, dass ich nicht umhin konnte, nach weiteren Werken von ihr Ausschau zu halten.
“Follower” präsentiert sich mir nicht als knapper Kurzthriller, sondern als ausgewachsener Psychothriller mit einem satten Umfang von 335 Seiten.
Während die meisten Charaktere nur grob angerissen werden, bekommt der Leser ein tiefgehendes und äußerst klares Bild von Daniela, deren Obsession für Kiran sich Schritt für Schritt in einen ausgewachsenen Wahn steigert. Diese Entwicklung vollzieht sich eher schleichend, dafür aber gnadenlos. So kommt Daniela anfangs als etwas überdrehter Fan daher, um im Laufe der Geschehnisse immer mehr zu einer geisteskranken Persönlichkeit zu mutieren.
Diese Entwicklung vollzieht sich parallel zum Schreibstil. Zu Beginn liest sich der Thriller eher simpel und irgendwie naiv. Mit fortlaufender Handlungsdichte und ebenso fortlaufender Geisteskrankheit wird dann auch der Schreibstil komplexer. Die Illusionen, in die Daniela sich hinein steigert, sind mitunter anstrengend und streckenweise kaum noch zu ertragen. An solchen Stellen findet dann meist ein Wechsel der Perspektive statt, der dem Leser Gelegenheit gibt, sich kurz von Danielas kranker Psyche zu erholen.
Ich finde die Darstellung insgesamt sehr gelungen, zeigt sie doch auf gekonnte Weise einen Seiltanz zwischen der einerseits total zerrissenen Daniela, die es ständig ihrer dominanten Mutter und allen anderen Recht machen will und der Gefährlichkeit, die sich aus diesem Bedürfnis nach Anerkennung ergibt. Man ist eigentlich ständig hin- und hergerissen. Einerseits möchte man Daniela am liebsten erschlagen und andererseits hofft man, dass ihr endlich jemand gibt, wonach sie so sehr verlangt, damit sie ihren Frieden finden kann.
Nebenher nimmt Isabell Schmitt-Egner noch gekonnt die deutschen Daily Soaps aufs Korn, deren kommerzielle und klischeebehaftete Vorhersehbarkeit in “Follower” zum wirksamen Stilmittel wird.
Wenn auch die Idee insgesamt nicht allzu neu ist, habe ich mich trotzdem sehr gut unterhalten und das Buch in ca. vier Stunden an einem Stück verschlungen. “Follower” kommt komplett ohne “porn and blood” aus und kann trotzdem ausgezeichnet unterhalten, ohne übertrieben die Schockertrommel zu schlagen.
Das Ende hat mir gut gefallen – hinterhältig und gemein – wie ich es mag.
Schließlich sei noch anzumerken, dass Isabell Schmitt-Egner das gesamte Werk im Alleingang gestemmt hat. Lektorat, Korrektorat, Satz und Covergestaltung hat sie komplett allein bewerkstelligt. Wenn ich mich recht erinnere, sind mir vielleicht zwei winzige Fehlerchen aufgefallen. Sprachlich und stilistisch erschien mir das Gesamtwerk einwandfrei und absolut verlagstauglich. Respekt, Frau Schmitt-Egner! Eigentlich sollten die Verlage bei Ihnen Schlange stehen. Das war sicherlich nicht mein letzter Roman aus Ihrer Schmiede.
Fazit:
“Follower” von Isabell Schmitt-Egner ist ein spannender und stilistisch einwandfreier Thriller, der mich ausgezeichnet unterhalten und über Stunden vom Schlafen abgehalten hat. Gerne mehr davon. Wer es unblutig und trotzdem fesselnd mag, ist mit “Follower” bestens bedient.