Reihe: Fischer Kompakt Eine Besprechung / Rezension von Rainer Skupsch |
Fischer Kompakt: Science Fiction ist ein kleines, handliches Sachbuch, das in Geschichte und Themen der geschriebenen SF einführen will. Der Autor Thomas P. Weber ist laut Verlagsangabe "Biologe, Wissenschaftshistoriker und Kenner der Science-Fiction-Literatur". Wie die anderen Bücher der Fischer-Kompakt-Reihe ist der Band auf 128 Seiten begrenzt und inhaltlich in die Abschnitte "Grundriss", "Vertiefungen" und "Anhang" unterteilt. Aufgelockert wird der Text immer wieder durch Schwarz-Weiß-Illustrationen.
Den bei weitem größten Umfang besitzt der Grundriss-Teil, in dem im Wesentlichen die Geschichte der Gattung im 20. Jahrhundert beschrieben wird. Dabei fällt positiv auf, welche Beachtung der Autor dem zeitgeschichtlichen Rahmen schenkt - also etwa den Publikationsbedingungen, den historischen Ereignissen, aber auch der sich wandelnden Leserschaft. Nichts geschieht im sozialen/kulturellen Vakuum, und viele Entwicklungen in der SF blieben ohne eine solche Einordnung unverständlich.
Den viel kürzeren Abschnitt "Vertiefungen" widmet Weber einigen Hauptthemen und -spielarten der SF. Aus Platzmangel bleibt dieser Teil des Buches zwangsläufig unvollständig. Neben den behandelten Themen [eine Liste findet sich weiter unten] hätte man sich auch gut Kapitel etwa über Zeitreisen, Künstliche Intelligenz, Big Dumb Objects, Konzeptionelle Durchbrüche, Weltuntergänge, Evolution, Ungeheuer, Utopien u.v.a.m. vorstellen können. Wer sich für eines dieser Themen interessiert, dem geben womöglich die Literaturhinweise im Anhang eine erste Hilfestellung für die Suche nach Informationen. Das ebenfalls im Anhang zu findende Glossar ist wieder viel zu kurz, um dem Leser mehr als eine Ahnung davon zu vermitteln, was bei einer gründlicheren Beschäftigung mit dem Genre noch alles auf ihn zukommt.
Fazit: Fischer Kompakt: Science Fiction bietet einen guten Einstieg für alle, die beginnen wollen, sich mit Sekundärliteratur zum Thema SF zu beschäftigen. Außerdem liefert das Buch gute Leseanregungen und hilft Leuten wie mir, die sich ab und zu die Geschichte des Genres in Erinnerung rufen möchten. Wer sich zu Teilbereichen oder bestimmten Autoren detailliertere Informationen beschaffen will, wird früher oder später jedoch nicht darum herum kommen, selbst eine Universitätsbibliothek zu besuchen oder den Fernleihedienst seiner örtlichen Stadtbücherei in Anspruch zu nehmen.
Der Inhalt kurz zusammengefasst:
GRUNDRISS (S. 3-93)
Was ist Science Fiction?
Wer erfand den Begriff, und wann? - Etablierung der Gattung/ Festlegung ihrer inhaltlichen Konventionen. - Die antiliterarische Leserschaft vor dem 2. Weltkrieg. - Weltweite Verbreitung des Begriffs SF nach dem 2. Weltkrieg.
Wegbereiter der Science Fiction
Naturwissenschaft als wissenschaftliche Disziplin ("Mad scientist"). - Das kopernikanische Weltbild und seine Folgen. - Außerirdisches Leben: Auffassungen des 18./19. Jahrhunderts. - Jules Verne u.a. Franzosen. - H.G. Wells: die Etablierung moderner Themen, Motive und Standards in Großbritannien. - Der Zukunftsroman in Deutschland: Kurd Laßwitz, Friedrich Wilhelm Mader, Paul Scheerbart.
"Pulp" Science Fiction - Die Gernsback-Ära
Veröffentlichungsbedingungen: Vom "three decker novel" zu "dime novel" und "pulp magazine". - Amazing Stories. - Dank "super science" durchs Universum: E.E. Smith. - Stanley Weinbaums Mars-Odyssee. - David H. Kellers Technologiekritik. - Gernsback vor dem kultur- und wirtschaftshistorischen Hintergrund seiner Zeit. - Astounding Stories: Gedankenexperimente.
Vom "Goldenen Zeitalter" zur Respektabilität und Stagnation
John W. Campbell als Autor und Herausgeber. - Einbeziehung der Sozialwissenschaften. - Van Vogt, Asimov, Heinlein, Sturgeon. - Technokratie als Antwort auf politische Ideologien? - Die "Futurians" um Pohl, Kornbluth und Blish. - Diversifizierung der SF auf einem gewandelten Buch- und Zeitschriftenmarkt. - The Magazine of Fantasy and Science Fiction , Galaxy. - SF in Großbritannien. - Die Folgen des 2. Weltkriegs auf die europäische SF.
Die Revolte der "New Wave"
Stagnation der amerikanischen SF. - Michael Moorcock übernimmt New Worlds. - Die katastrophale Welt J. G. Ballards. - Disch, Sladek, Spinrad. - Amerikanische New Wave? - Harlan Ellisons Dangerous Visions. - Was vom Tage übrigblieb: Samuel Delany, Philip K. Dick u.a. - Die sechziger Jahre anderswo: Perry Rhodan, Stanislaw Lem und die Strugatzkis.
Die Science Fiction auf der Suche nach neuen Wegen
Die siebziger Jahre (1): Postmoderne Literatur und akademische Anerkennung. - Die siebziger Jahre (2): der Anfang vom Ende der SF als kulturelles Projekt? Star Wars und seine kommerziellen Folgen. - "Harte" SF. - Feministische SF: LeGuin, Tiptree, Russ. - Hauptwerke der 70er und 80er.
Cyberpunker und kalte Krieger
Zeitbezug. - Bruce Sterlings "Programm". - Vorgänger, die den Weg ebneten. - William Gibsons Neuromancer. - Steampunk. - "Militärische" SF: Autoren für Reagan. - Baen Books.
Neue Weltraumoper, "New Weird" und neue "harte" Science Fiction
Die britische SF und ihre wichtigsten Autoren seit Mitte der achtziger Jahre. - Iain Banks, Ken MacLeod, Gwyneth Jones, Alastair Reynolds, Adam Roberts. - Die neue Weltraumoper: Charles Stross, Vernor Vinge, Dan Simmons, John C. Wright, Scott Westerfeld. - "Harte" Autoren: Greg Egan, Ted Chiang. - "Chickpunk". - "New Weird": China Miéville, Jeff VanderMeer.
VERTIEFUNGEN (S.94)
Hohlweltgeschichten. - Die britische "scientific romance". - Raketenpioniere und die Science Fiction. - Die klassische Weltraumoper. - Okkultismus, Scheinwissenschaft und Science Fiction. - "Harte" Science Fiction. - Alternative Geschichte.
ANHANG (S.121)
Glossar (sehr selektive Auswahl von Begriffen - wie "WisCon" oder "Cyborg"-, die auf insgesamt fünf Seiten erklärt werden)
Literaturhinweise (Hinweise auf etwa 70 deutsche, englische bzw. französichsprachige Sekundärwerke)