Reihe: Die Chroniken vom Anbeginn, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Im Alter von vier Jahren ändert sich das Leben der vierjährigen Kate und ihrer jüngeren Geschwistern Michael und Emma grundlegend. Gerade am Weihnachtstag stürmt ihre Mutter in das Kinderzimmer und verabschiedet sich tränenreich. Die Kinder werden einem alten Mann übergeben, der zusammen mit einer Nonne fortan für sie sorgen soll.
Zehn Jahre später kann sich nur noch Kate an dieses Ereigniss erinnern, da ihre Geschwister zu diesem Zeitpunkt zu jung waren. Dennoch tragen alle drei die Hoffnung in ihren Herzen, eines Tages ihre Eltern wieder zu sehen, denn in den vergangenen Jahren wurden sie von einem Waisenhaus ins nächste geschickt. Schon fast bar jeglicher Hoffnung, müssen sie nun wieder ihr Zuhause wechseln und werden in ein Haus geschickt, das von einem ominösen Dr. Pym geführt wird. Schon die Reise dorthin - die Kinder müssen alleine zurechtkommen - ist eigenartig, denn es tauchen Landschaften und gar Gebirge auf, wo zuvor nichts dergleichen zu sehen war. Wo befinden sie sich?
Das Ziel ihrer Fahrt ist ein großes, verlassenes Haus, schäbig und heruntergekommen. Jedoch werden sie von der Haushälterin und dem Hausmeister Abraham liebevoll empfangen und behandelt, als wären sie etwas Besonderes. Erstaunt stellen sie auch fest, dass sie die einzigen Kinder in diesem Haus sind - für ein Waisenhaus etwas wenig.
Bevor sie mehrere Tage später Dr. Pym kennen lernen können, nutzen die drei Geschwister die freie Zeit und durchsuchen das große Anwesen. Dabei stoßen sie auch auf ein geheimes Labor, in dem sich ein dickes, uraltes Buch befindet. Als die Geschwister eine Fotografie, die sie zuvor von Abraham bekommen haben, in das Buch legen, werden sie urplötzlich in die Vergangenheit versetzt, in der dieses Foto aufgenommen wurde.
Vieles ist verändert, die Landschaft nicht wie in ihrer Realität wüst und karg, sondern mit üppigen Wäldern ausgestattet. Die Szenerie, in die sie hineingeraten, ist jedoch alles andere als freudig: Eine grausame Frau, die sich die "Gräfin" nennt, bedroht die Kinder des nahe gelegenen Dorfes. Die Eltern der Kinder versuchen vergebens, ihren Schützlingen zu Hilfe zu kommen, da finstere Gestalten sie bedrohen. Kurz bevor die Kinder ebenfalls in die Fänge der Gräfin geraten, können sie fliehen, indem sie ein aus ihrer Realität stammendes Bild in das Buch legen - doch Michael bleibt versehentlich in der Vergangenheit zurück.
Nun beginnt ein unglaubliches Abenteuer um das Buch Emerald, seine Kräfte und die Mächte, die sich dieses Buch aus den verschiedensten Gründen aneignen möchten. Mitten darin befinden sich die drei Geschwister und müssen sich trotz ihres jungen Alters behaupten, um nicht im Strudel der Ereignisse unterzugehen. Gleichzeitig erwartet man von ihnen nichts Geringeres, als das Böse zu besiegen ...
Wenn ich ein Rezensionsexemplar ins Haus bekomme, in dessen Begleitbrief in höchsten Tönen von dem Buch geschwärmt wird und darauf hingewiesen wird, das es schon VOR Druck in mehrere Länder verkauft wurde, werde ich schnell skeptisch. Anpreisen kann man viel und natürlich erklärt jede Presseabteilung ihr Produkt zum besten auf dem Markt.
Als ich jedoch mit der Lektüre begann, verstand ich mehr und mehr, was hier angedeutet wurde. John Stephens erreicht es, mit bekannten Elementen aus "Harry Potter" oder beispielsweise "Narnia" eine neue Geschichte zu schaffen, die in den Bestsellerlisten mit großer Sicherheit einschlagen wird.
Geschwister bekommen eine Aufgabe und müssen diese in einer für sie fremden Fantasy-Welt lösen - nach diesem Schema haben wir in den letzten Jahren einige Werke zu sehen bzw. zu lesen bekommen, jedoch kann ich hier mit Fug und Recht behaupten, das keiner dieser Vorläufer diese Tiefe und trotzdem Leichtigkeit besitzt, die "Emerald" auszeichnet. Ganz nebenher schafft Stephens eine Charakterkomplexität, die beeindruckend ist. Selbst die die drei Hauptfiguren begleitenden Personen sind gut ausstaffiert und mit einer schillernden Persönlichkeit ausgestattet.
Hinzu kommt, dass sich die Geschwister erst gemeinsam, dann getrennt in Welten bewegen, die teilweise gar Tolkiensche Ausmaße annehmen. Zumindest einige Episoden erinnern frappierend an verschiedene Begebenheiten aus "Der Herr der Ringe". Der Autor bleibt sparsam mit seiner Einführung nichtmenschlicher Rassen und konzentriert sich lieber auf die Handlungskomplexität. Um diese zu steigern und die vorgegebene Ausstattung noch mehr zu nutzen, begibt er sich zudem auf die Ebene der Zeitreisen. Ein höchst gefährliches Ufer, an dem man als Geschichtenerzähler sehr schnell zerschellen kann - Stephens Roman umschifft jedoch alle Riffe und bleibt in sich logisch, so dass unterm Strich ein hoch komplexer, jedoch leicht zu lesender Abenteuerroman entsteht. "Emerald" ist eine wunderschöne Schöpfung eines jugendgerechten Fantasy-Epos, an dem man als Erwachsener keinen Deut weniger Freude haben wird. Für mich ein Roman, der in dieser Kategorie in diesem Jahr nur schwer zu toppen sein wird und den ich nur weiterempfehlen kann. Man wird seine Freude daran haben und von Anfang bis Ende in den ersten Band der "Chroniken vom Anbeginn" versinken!