Reihe: Elbenthal-Saga, Band 1 Eine Rezension von Ida Eisele |
An ihrem siebzehnten Geburtstag verändert sich das Leben der jungen Obdachlosen Svenya von Grund auf. Ein unheimliches Wolfswesen jagt sie durch Dresden, bis ein düsterer Mann sie auf dem Dach eines Parkhauses stellt. Sie wird gerettet – von dem Wolfsmann Wargo sowie den Lichtelben Hagen und Raik. Sie nehmen Svenya mit in die unterirdische Stadt Elbenthal, in der die junge Frau wie eine Prinzessin willkommen geheißen wird. Denn sie soll zur Hüterin Mitgards ausgebildet werden, um Elbenthal und seine Bewohner im Kampf gegen die Kreaturen der Dunkelelben zu unterstützen...
Auf den ersten Blick besticht das Buch durch sein auffälliges Cover, das offenbar Svenya und im Hintergrund die unterirdische Festung Elbenthal zeigt. Der Klappentext dagegen hat mich persönlich erst einmal abgeschreckt. Aber wie jeder Vielleser weiß, haben Klappentext und Inhalt bisweilen nicht viel gemein.
Die Handlung setzt sehr plötzlich ein, dennoch hat man Svenya von Beginn an als vollständige Person vor Augen. Nicht alle ihre Charaktermerkmale mögen sympathisch sein, aber gerade das macht ja auch ihren Reiz aus. Sie ist keine unerschrockene, herzensgute jugendliche Heldin, sondern eine von einem harten Leben in Heimen und auf der Straße gezeichnete Überlebenskünstlerin. Der plötzliche Luxus in Elbenthal beeindruckt sie sehr, ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass sie ihre neue Situation zuallererst unter praktischen Gesichtspunkten betrachtet: Wenn sie Elbenthal unausgebildet verlässt, bringen die Dunkelelben sie um.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten beginnt sie schließlich, Vertrauen in ihre neuen Fähigkeiten zu fassen, und versucht auch, unter den Elben Freunde zu finden. Dennoch ist sie bereit, alles wieder aufzugeben, als man etwas von ihr verlangt, das ihren Moralvorstellungen zuwiderläuft.
Nicht zuletzt diese Stärke ist es, die Svenya für mich zu einer markanten, aus der Masse hervorstechenden Hauptperson macht, die ihre guten Eigenschaften nicht nur in Worten, sondern vor allem im Taten und Entscheidungen unter Beweis stellt. Ihr Widerwille zu töten und ihre Hartnäckigkeit, nach friedlicheren Lösungen zu suchen, hebt „Die Hüterin Mitgards“ aus der Menge der Fantasybücher hervor und ermöglichen ungewöhnliche Handlungswege.
Auch die Nebenpersonen sind überzeugend und überraschend tiefgründig dargestellt, sodass alle mit ihren charakteristischen Eigenschaften in Erinnerung bleiben.
Das verborgene Leben der Elben ist übergangslos in die Realität eingeflochten. Das menschliche Leben in Dresden und Umgebung ist zu jedem Zeitpunkt gegenwärtig und wichtiger Bestandteil aller Pläne der Elben. Deren Dasein ist nicht nur ein bisschen an die altnordische Mythologie angelehnt. Vertrieben aus ihrer ursprünglichen Heimat Alfheim versuchen sie, wenigstens die letzte Bastion Elbenthal gegen die Dunkelelben zu halten. Auch von den Aesir ist die Rede, von Wyrm und Wolfsmännern, von Seeungeheuern und Frostriesen. Besonders gefallen haben mir die riesigen Flemys, die den Elben als Reittiere dienen. Sie betonen den mythologischen Aspekt des Buches noch ein wenig – die guten Elben reiten nicht auf zauberhaften zahmen Einhörnern oder dergleichen, sondern auf eher düster wirkenden Fledermäusen.
Die unterirdische Welt der Elben ebenso wie die oberirdische der Menschen wird in angenehmer Sprache beschrieben, sodass man immer ein detailreiches Bild vor Augen hat. Spannend ist das Buch eigentlich von Anfang bis Ende, kleine Längeperioden gibt es allenfalls während Svenyas Training.
Mein einziger ernsthafterer Kritikpunkt besteht in dem sagenhaften Luxus, der das Leben in Elbenthal bestimmt. Woher genau der eigentlich stammt, kann man sich höchstens mit den Zauberkräften der Elben erklären. Meistens kam er mir jedenfalls übertrieben dekadent vor, etwas zu märchenhaft im Vergleich zum Rest des Buches, etwas zu unwichtig für den Fortgang der Geschichte, um dermaßen in den Vordergrund gerückt zu werden.
Von diesem kleinen Makel abgesehen ist „Die Hüterin Mitgards“ ein wirklich gelungenes Buch und ein spannender Auftakt zur geplanten Elbenthal-Saga, auf deren weitere Bände man sich nur freuen kann.