Reihe: Nomadengott-Saga, Band 3 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Während der Stamm der Tajarim in der phönizischen Stadt Byblos ein sorgenfreies Leben genießt, träumt Seshmosis von der Aufnahme in die Gilde der Schreiber - und von Tani, einer liebreizenden Priesterin. Seine Visionen einer glorreichen Zukunft finden ein jähes Ende, als GON ihm erscheint, der Gott ohne Namen, der sich Seshmosis als Propheten erwählt hat. In Gestalt eines geflügelten Drachen offenbart er ihm, dass sein einziger Nachfahre in größter Gefahr sei. Trotz all seiner Proteste sieht Seshmosis sich gezwungen, aufs Neue eine Reise ins Ungewisse zu unternehmen, allein geführt von einem Gott, dessen Wirkungsradius gerade mal der Sehweite seiner kurzsichtigen Augen entspricht. Was ihm sein kleiner Gott verschwieg, ist die etwas andere natürliche Umgebung. Auf dem Weg in den Norden lernen die sonnenverwöhnten Tajarim den Begriff kalt ganz neu kennen. Seshmosis und sein Seher Nostr'tut-Amus können auf der Fahrt nach Island ihren Atem sehen. Eine ganz neue Erfahrung. Doch das ist nur nebensächlich.
Zur gleichen Zeit herrscht tiefe Besorgnis im fernen Eisland. Ein vorwitziges Eichhörnchen bringt das Gefüge des Weltenbaums durcheinander, in Asgard wird ein allseits beliebter Gott ermordet, und die mythischen Tiere fliehen aus der Götterwelt, um den Widerstand gegen ihre Herren zu organisieren.
Unter anderem haben Odin, Loki und Hönir ihr Abendessen selbst gejagt. Es ist ein dicker Otter, den sie gern zubereiten lassen wollen. Also suchen sie, grölend mit einem Metfass unter dem Arm, ein Haus auf, in dem Vater und Sohn sitzen. Zuerst sind diese sehr erbost, weil Odin die Haustür einschlägt und sich dann als Gott vorstellt. Als er jedoch den Otter auf den Tisch wirft, werden die beiden fuchsteufelswild. Denn Otter ist ihr gestaltwandlerischer Bruder. Loki wird ausgeschickt so viel Gold zu besorgen, wie benötigt wird, um den toten Otter voll damit zu bedecken. Ansonsten kommen Odin, Hönir und Loki nicht frei. Bei diesem Akt der Eigentumsübertragung in Form eines Golddiebstahls fällt Loki ein Ring in die Hände den der Vorbesitzer gerade mal eben verflucht. Frei nach einem alten Kinderlied, das auch der Autor zitiert, "Ringlein, Ringlein, du musst wandern ...", ist der Ring nun weltweit unterwegs.
Als Seshmosis an Bord der Gublas Stolz die eisige Insel erreicht, wird klar: Ragnarök, der Weltuntergang, steht bevor. Auf Asgard herrscht Ratlosigkeit. Trotzdem sortieren die Lichtalben die Waffen für die letzte Schlacht, die Walküren teilen sich das Schalchtfeld auf usw.Auf der Suche nach seinem Nachkommen gerät der kleine Schreiber aus Byblos unversehens in das unbarmherzige Spiel der Götter. Auf Island führt ihn sein Weg zu den viel gerühmten Nibelungen-Helden: Siegfried, König Gunther und Hagen von Tronje landen im Hafen Eislands. Das ist aber noch nicht alles: Die Fremden aus Ägypten landen in Worms, Nostr'tut-Amus lernt sogar Ortwin kennen, einen ganz besonderen Mann, der die Großen Magier und Seher der Welt kennen lernen durfte. Ortwin ist Kerkermeister zu Worms und Nostr'tut-Amus sein Gast - im Kerker versteht sich.
Ob Gerd Scherm mit seinem "Weltenbaumler" nur vorhatte, eine Weltreise zu unternehmen und seine Seele baumeln zu lassen, oder ob er damit die Bewohner des Weltenbaums gemeint hat, sei sein Geheimnis und ihm unbenommen. Wer mehr über ihn erfahren und so manches Geheimnis lüften will, mag sich dem phantastischen Bücherbrief 410 zuwenden [oder hier das Interview mit Gerd Scherm lesen] oder auch unter www.nomadengott.de nachschauen.
Seshmosis wird von seinem Gott ohne Namen in den wilden Norden ausgesendet, um einen seiner - oder besser: seinen letzten - Nachkommen zu retten. Ob GON nun bedeutet "Gerd oder Nichtgerd", ähnlich wie bei "Sein oder nicht sein", oder tatsächlich "Gott ohne Namen" ist ein weiteres Geheimnis. Das Geheimnis um Seshmosis’ Nachkommen, den es zu retten gilt, ist jedoch nicht so verschleiert. Sonst hätte der Autor diesen Roman nicht geschrieben. Denn er lüftet nicht nur dieses Geheimnis. Gerd Scherm schreibt einen wundervollen phantastischen, humorvollen Roman. Aber er ist auch etwas wehmütig, denn die Trilogie ist damit erst einmal abgeschlossen. Mal sehen, was es Neues von ihm gibt.