Reihe: Sevenwaters, Band 4 Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
“Die Erben von Sevenwaters” ist der vierte Band der Reihe um das Gut Sevenwaters und ihre Bewohner. In diesem Band ist es die junge Clodagh, die ihr Schicksal findet.
Vielleicht ist sie die junge Frau, die auf dem Cover in ein von einem Fluss durchzogenes Tal hinabblickt – vielleicht sogar direkt ins Feenland hinein. Vom Stil her passt das Cover zu den anderen der aktuellen Ausgabe und auch, wenn es mich mit der Darstellung nicht zum Reinlesen verleitet hätte, passt es sich damit perfekt neben den anderen Büchern der Reihe im Regal ein.
Mit der Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Deidre ist es nun Clodagh, die ihrem Vater den Haushalt führen muss, solange ihre Mutter sich aufgrund einer späten und gefährlichen Schwangerschaft schonen muss. Eine Schwangerschaft, die durchaus mit dem Tod von Frau und Kind enden könnte.
Groß ist die Freude, als ein Sohn geboren wird – und sowohl Mutter als auch Kind wohlauf sind. Eine Freude, die jäh getrübt wird, als das Kind wenige Tage später während Clodaghs Wache verschwindet und nur ein Haufen Zweige zurückbleibt. Ein Kuss war es, der sie ablenkte – umso verdächtiger, dass der Mann, der sie küsste, anschließend ohne Vorwarnung verschwindet.
Da sie die einzige ist, die den Haufen Zweige als lebendes Wesen – als Wechselbalg – erkennt, trifft sie eine folgenschwere Entscheidung: Sie wagt eine Reise ins Feenland, um durch die Rückgabe des Wechselbalges ihren kleinen Bruder zurückzubekommen.
“Die Erben von Sevenwaters” schließt sich nahtlos an die vorangegangen Bände ein. Sean von Sevenwaters, Clodaghs Vater, sollte den Lesern schon seit dem zweiten Band bekannt sein, ebenso wie sein Erbe Johnny. In diesen Band spielt einer seiner Männer, Cathal, neben Clodagh die Hauptrolle in der Geschichte.
Während in "Der Sohn der Schatten" und "Das Kind der Stürme" die Feenwelt und die Magie etwas in den Hintergrund gerückt wurden, stehen sie mit “Die Erben von Sevenwaters” wieder im Vordergrund. Hier verwebt Juliet Marillier einmal mehr die Märchen- und Mythenwelt gekonnt mit der Geschichte Irlands. Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Feenwesen, die Kinder stehlen und ein Wechselbalg zurücklassen? Und genau diese Erzählungen sind der Aufhänger für die Geschichte, der Grund für Clodaghs Reise in die Feenwelt.
Wie in den anderen Büchern der Reihe sind es die Personen, die auf Sevenwaters leben, die im Vordergrund der Geschichte stehen. Clodagh und Cathal werden neu eingeführt, was es auch neuen Lesern möglich macht, die Geschichte zu verstehen und sich von Juliet Marilliers Welt verzaubern zu lassen. Trotzdem würde ich jedem Leser empfehlen, die vorangegangenen Bände zu lesen – so kann man sich dann auf ein Wiedersehen mit alten liebgewonnen Bekannten freuen – und einmal mehr die Luft von Sevenwaters spüren.
Wieder einmal werden die Geschehnisse aus der Sicht einer Frau geschildert, aus Clodaghs Sicht. Während sie ziemlich offenherzig und gradlinig unterwegs ist – eine Heldin, die man einfach gern haben muss – ist Cathal schweigsam und mürrisch – ja fast sogar unsympathisch. Wäre er nicht einer von Johnnys Männern, würde Clodagh vermutlich nicht einmal ein Wort mit ihm wechseln. Der Verdacht, dass er etwas mit Finbars Entführung zu tun hat, liegt nach seiner plötzlichen Flucht sogar dem Leser nahe – und erst nach Clodaghs Aufbruch wird man eines Besseren belehrt. Stück für Stück offenbart er sich Clodagh, mal durch Worte, mal durch Taten – und gewinnt so nicht nur Clodaghs Sympathie. Und in Cathals Vergangenheit verborgen wartet noch die ein oder andere Überraschung auf den Leser. Aber auch das kleine Wechselbalg, das Clodagh liebevoll Becan nennt, wächst einem als Leser ebenso wie Clodagh schnell ans Herz.
Dank Cathal finden Clodagh und er den Weg in die Feenwelt, verfolgt von den Männern, die in Cathal Finbars Entführer sehen. Die Feenwelt selbst ist ebenso bedrohlich wie schön – und auch, wenn dort nicht nur Feinde, sondern auch Freunde warten, ist Finbars Befreiung längst kein Zuckerschlecken, sondern fordert einen hohen Preis. Einen Preis, den Clodagh nicht bereit ist zu zahlen.
In “Die Erben von Sevenwaters” stürzt Juliet Marillier den Leser nicht nur in ein Wechselbad der Gefühle, sondern hält auch den Spannungspegel stets auf hohem Niveau. Auf die Angst um Seans Frau und seinen ungeboren Sohn folgen die Wut und der Unglaube ob dessen Entführung. Die daraus entstehenden Verdächtigungen lassen alte Verbündete zu potentiellen Feinden werden – Sevenwaters schwebt damit in großer Gefahr. Clodagh und Cathal hingegen müssen sich auf ihrer Reise nicht nur vor den Feenwesen fürchten. Gleichzeitig auf der Flucht und auf der Suche haben die beiden einiges vor sich.
Was Clodagh und Cathal mit dem Ende des Buches erwartet ist ziemlich vorhersehbar. Bisher gab es doch immer ein Happy End für die Hauptpersonen – und noch immer ist die Liebe stärker als jeder Zauber. Noch immer hat Sevenwaters Bestand – hoffentlich für noch viele weitere Bände. Zumindest einen gibt es noch: Seer of Sevenwaters – ich hoffe, das auch dieser noch übersetzt wird, ansonsten bleibt wohl nur ein Ausflug in die englische Literatur.