Titel: Der Weg nach Mittelerde Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Es ist nicht immer sehr einfach, sich einem Autor zu nähern, der so viel Einfluss auf die phantastische Literatur ausübte wie John Ronald Reuel Tolkien. Tom Shippey ist Professor für Mediävistik und nicht nur ein Tolkien-Fan, sondern auch ein Experte auf dem Gebiet der Veröffentlichungen Herrn Tolkiens. Leider wird John Ronald Reuel Tolkien, gerade im Zeitalter des gigantischen Filmepos, nur auf seine Publikation Der Herr der Ringe, und damit auf die drei Filme Peter Jacksons, reduziert. Dabei veröffentlichte er nicht nur diese Trilogie, sondern noch wesentlich mehr. Gerade seine Gedichte und wissenschaftlichen Aufsätze sind in Deutschland so gut wie unbekannt. Daher ist dieses Werk, das zum großen Teil auf einer älteren Veröffentlichung basiert, immer noch interessant, wenn wir den Spuren folgen, die Tom Shippey für uns sichtbar macht. In diesem Zusammenhang sei auch eine Würdigung des deutschen Übersetzers Helmut W. Pesch angebracht. Der Übersetzer ist selbst ein großer Tolkien-Fan und -Experte, Mitglied der deutschen Tolkien-Gesellschaft und damit gerade für die Übersetzung dieses Buches geeignet. Als Produkt seiner Zusammenarbeit mit Hannes Riffel, der die Endredaktion übernahm, liegt ein interessantes Buch vor, welches in jedem Fall lesenswert ist. Das Buch enthält viel über den als Meister der Fantasy bezeichneten Autor, sowohl über sein bekanntes und unbekanntes Werk als auch über ihn persönlich. Professor Tolkien war mehr als drei Jahrzehnte in Oxford und hatte einen Lehrstuhl der Philologie inne. Philologie ist die vergleichende Sprachwissenschaft, mit einem Spezialgebiet für Alt- und Mittelenglisch von Herrn Tolkien und Herrn Shippey. Auf Grund dieser Wissenschaft und der Beschäftigung mit Sprache schuf Tolkien eine eigene Welt. Tom Shippey berichtet in diesem Buch über den schöpferischen Werdegang, den John Ronald Reuel Tolkien hinter sich gelassen hat, als er starb. Doch der Werdegang bedarf immer noch der Erklärung, und Herr Shippey hatte das große Glück, Herrn Tolkien persönlich kennen lernen zu dürfen. Er beschreibt in vielen Einzelheiten den wissenschaftlichen Hintergrund zu dessen Werken. John Ronald Reuel Tolkien hat mit seinen Beiträgen, Romanen, Gedichten ein Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht. Die Faszination gerade des Herrn der Ringe dauert bereits mehr als fünfzig Jahre an. Bei dem vorliegenden Buch Der Weg nach Mittelerde möchte ich nicht von einem Standardwerk sprechen. Doch sind die wissenswerten Beiträge dazu geeignet, den Autoren und sein Werk in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.
Zitat, Seite 366, erster Satz: "Mit anderen Worten, Literaten sollten Geschichten in ihrer endgültigen Form studieren, wie sie 'serviert' oder veröffentlicht werden, nicht in ihren Zwischenstadien." Zitat Ende.
Wenn ich dieses Zitat nehme und aus seinem Zusammenhang nehme, komme ich jedoch zu dem abweichenden Schluss, dass alles, was zum Herrn der Ringe geschrieben wurde, eigentlich überflüssig ist. Im Buch Der Weg nach Mittelerde wird immer wieder Bezug auf das zwölfbändige Werk The History of Middle-Earth genommen. Das heißt doch, wie auch im Buch erwähnt: Hätte Herr Tolkien die Zeit gehabt, er hätte den Herrn der Ringe noch einmal oder gar mehrmals überarbeitet, das Werk wäre noch nicht abgeschlossen. In diesem Fall käme das obige Zitat voll zum Tragen. Andererseits zeigt aber die über Jahrzehnte anhaltende Beschäftigung von Lesern, Kritikern und Literaturwissenschaftlern die Begeisterung für den Autor und seine Veröffentlichungen. Seit der Erstveröffentlichung 1982 wurde dem Buch Der Weg nach Mittelerde 2005 eine Betrachtung über die Verfilmungen Peter Jacksons beigefügt. Peter Jackson gab einmal in einem Gespräch zu, Fan von Herrn Tolkien zu sein. Trotzdem hielt er sich nicht sklavisch an dessen Vorlage, sondern brachte Veränderungen hinein, die auf die Sehgewohnheiten der heutigen Kino-Besucher abzielten. Im Nachhinein gibt es zwei hauptsächliche Reaktionen. Die erste Gruppe fand den Film nicht so gut, eben weil die Veränderungen der Handlung durchgeführt wurden. Die zweite Gruppe hingegen, die den Herrn der Ringe nach den Filmen gelesen haben, sind von der modernen Frische des Films überzeugt. Wer weiß, vielleicht wäre eine Überarbeitung durch Herrn Tolkien selbst auch so durchgeführt worden.
In der Schlussbetrachtung zu Der Weg nach Mittelerde bin ich zu der Überzeugung gelangt, ein lesenswertes Buch in der Hand zu halten und eine Meinung vertreten zu sehen, die nicht in allen Einzelheiten meiner Meinung gleicht. Andere Leser werden zur gleichen Überzeugung kommen. Wie ich stimmen sie mit mir hoffentlich überein, jede Meinung zwingt einen dazu, die eigene Meinung, den eigenen Standpunkt zu überdenken, in den Grundlagen zu festigen und die Überzeugung fundierter zu vertreten. Das Buch Der Weg nach Mittelerde ist für mich lesenswert, bietet Wissen, das mein Wissen erweiterte und manch eine Stellungnahme meinerseits zunichte machte. Aber das macht gerade Wissen aus: Nichtwissen durch Fakten ersetzen.