Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Die Borg-Krise ist vorbei, die Gefahr vor den übermächtigen Cyborgs besteht nicht mehr. Ein Grund zur Freude? Nein, denn in der Föderation herrscht Chaos. Mehrere dicht besiedelte Planeten sind zerstört, andere schrecklich verheert. Große Teile der Sternenflotte existieren nicht mehr, Millionen von Flüchtlingen sind inmitten des Weltalls gestrandet, umkreisen Planeten oder harren auf deren Oberfläche in Flüchtlingscamps aus. Captain Picard hatte sich nach der Bewältigung der Krise erhofft, dass die Enterprise wieder in die Weiten des Alls geschickt wird um neue Welten zu erforschen und neue Zivilisationen. Doch Fleet Admiral Akaar benötigt das Schiff im Zentrum der Föderation, als "Kümmerer" für die vielen unzähligen Probleme und Tragödien, die tagtäglich bekannt werden. Picard ist nicht sonderlich begeistert, diese Aufgabe zu übernehmen, sieht aber deren Sinnhaftigkeit ein.
Seine Frau, Dr. Beverly Crusher, bekommt einen gesonderten Auftrag. Zusammen mit der Sicherheitschefin der Enterprise-E Lieutenant Jasminder Choudhury und dem zweiten Offizier des Schiffes, Commander Miranda Kadohata soll sie zum Planeten Pacifica fliegen, um dort die Unterbringung der Flüchtlinge von verschiedenen anderen Planeten zu begutachten. Crusher ist schockiert, denn die Situation der Flüchtlinge ist alles andere als gut, im Lager herrschen katastrophale Bedingungen, es gibt kaum Nahrung und medizinische Versorgung. Die Bewohner Pacificas, amphibische Lebewesen, reagieren immer gereizter auf die Anwesenheit der Neulinge auf ihrem Planeten und verwandeln das Flüchtlingslager immer mehr in ein Gefängnis. Mit Mauern und Zäunen schotten sich die Amphibienwesen von den Neuankömmlingen ab, teilweise kommt es gar zu aggressiven Auseinandersetzungen. Crusher muss nun nicht nur die Lebensgrundlage der Flüchtlinge verbessern, sondern auch noch in einem sich zuspitzendem politischem Streit vermitteln.
Picard hingegen widmet sich der Suche nach gestrandeten Raumschiffen, die vor der Borgarmada geflüchtet sind. Meist findet er nur Trümmer vor, was die Moral der Besatzung nicht verbessert. Als sich die Regierung von Alpha Centauri weigert, weitere Flüchtlinge aufzunehmen und damit droht, die bislang auf dem Planeten untergebrachten abzutransportieren, eilt Picard sofort hin, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Empfangen wird er jedoch von einer Administration, die alles andere als den klassischen Föderationsgedanken in sich trägt und nur an den eigenen Planeten denkt. Ganz offen droht Alpha Centauri als Gründerwelt der Föderation der Planeten mit einem Austritt aus dem Völkerbund...
Nach einem fast schon wahnhaften Destiny-Dreiteiler und einem politischem Aufräumen in Form des Romanes "Einzelschicksale", geht es nun um die Aufarbeitung der emotionalen Seite der Borg-Krise. William Leisner kommt dabei die nicht unbedingt leichte Aufgabe zu, den Müll von David Mack irgendwie aufzuräumen. Gleichlautendes hat Mack im letzten Destiny-Band ja seinen Nachfolgeautoren aufgebürdet.
Primär dreht sich der sechste TNG-Band aus dem Hause Cross Cult um Charaktere. Dabei werden bekannte Gesichter benutzt wie Picard oder Crusher, aber auch und insbesondere Mitglieder des neuen Enterprise-E Teams wie Choudhury oder Kadohata. Crusher ist sich nicht im klaren, wie sie angesichts des großen Leids und der Ungewissheit, die der Föderation droht, ein Kind großziehen kann und vergleicht ihre Situation in Rückblenden mit der traumatischen Erfahrung vom Tod ihres ersten Ehemannes, damals war Wesley noch ein kleines Kind.
Choudhury hingegen sieht sich in der Situation, das nur noch wenige Überlebende des von den Borg zerstörten Deneva leben. Was mit ihrer Familie geschah, ist völlig ungewiss, viel Hoffnung kann sie sich aber kaum machen. Wie geht man damit um, wenn der Heimatplanet und der größte Teil dessen Bevölkerung nicht mehr da ist? Jasminder zieht sich zurück, lässt nur noch dienstliches zu, aber in ihrem Inneren brodelt es. Irgendwann droht der Vulkan in ihrem Inneren zu explodieren.
Viele weitere Charaktere werden in ihrer Trauer und mit ihren Problemen dargestellt, meist in sehr ergreifender Form.
Lediglich Picard kommt keine aufarbeitende, sondern einmal mehr eine aufbegehrende Rolle zu. Wieder einmal ignoriert er Befehle der Admiralität und entführt auch noch Regierungsmitglieder. Zwar hat am Ende alles seinen Zweck und Sinn, aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, das Picard sich so derb verhalten würde. Das passt nicht so ganz zu seinem ansonsten bedächtigem Wesen. Aber na gut, lassen wir die eine Sache auf sich beruhen.
Insgesamt ist "Den Frieden verlieren" kein Buch, in dem man einen Spannungsbogen oder gar hitzige Weltraumschlachten erwarten kann, sondern eine ergreifende und mitfühlende Charakterstudie. Auf der einen Seite war ich sehr zufrieden und positiv eingestellt zu dem Buch, möchte es aber nicht unterlassen darauf hinzuweisen, das es nach meinem Geschmack jetzt dann auch mal gut ist mit Aufarbeitungsromanen.
Meine Bewertung: gute 7.0 von 10 Punkten