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Titel: Die J. R. R. Tolkien-Gemälde von Greg und Tim Hildebrandt
Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Was in den 70'er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts für den „Science Fichtion“-Fan die phantastische Raumschiff-Entwürfe Chris Foss' und für den Horror-Freak die düsteren, surrealen Airbrush-Alpträume H. R. Gigers gewesen sind, waren für den Fantasy-Freund die Tolkien-Bilder der Zwillinge Tim und Greg Hildebrandt: in Acryl gebannte Wunder, Ausflüge in märchenhafte Welten, die von seltsamen Wesen –Hobbits, Elfen und Drachen –bewohnt wurden und in der epische Abenteuer auf den staunenden Reisenden warteten.
Damals – vor mehr als 40 Jahren – begann gerade der erste weltweite Hype um die Pathos durchtränkten und literarisch eher drögen Geschichten des englischen Professors John Ronald Reuel Tolkien, die in der Folgezeit einen so außerordentlichen popkulturellen Einfluss zeitigen sollten, wie kein anderes (High-)Fantsy-Roman-Werk.
Das Tolkien-Werk der Hildebrandts umfasst fünfundvierzig Gemälde, die für die vom Publikum begeistert aufgenommen Herr-der-Ringe-Kalender der Jahre 1976, 1977 und 1978 von Ballantine Books geschaffen wurden sowie eine erkleckliche Anzahl von weiteren Auftragsarbeiten –ein Künstler kann nicht nur von Luft und Inspiration leben –sowie einige freie Werke.
Das vorliegende Artbook enthält auf 152 Seiten nicht nur sämtliche dieser Arbeiten als zum Teil zweiseitige Drucke, sondern ergänzt diese durch Konzeptskizzen und Posenfotos. Der Aufbau des Buches folgt dabei einer Chronolgie, beginnend mit dem Titelblatt des 76'er-Kalenders endend mit den Bildern, die Greg nach dem Tode Tims im Jahre 2006 anfertigte und die von ein eher düstereren Atmosphäre geprägt sind.
Im inhaltlichen Zentrum jeder Doppelseite steht das einzelne Gemälde, überschrieben (falls wegen des Großformates layouttechnisch möglich) mit seinem Titel – etwa „Gandalf besucht Bilbo“, „Helms Klamm“ oder „Die Grauen Anfurten“ - , untertitelt ab und an durch einen kurzen Kommentar Gregs oder Tims. Ergänzt wird jedes der farbigen Bilder durch einen ausführlichen, lebendigen und anschaulichen Textbeitrag, in dem der Autor Gregory Hildebrandt, Jr. die Entstehung aus der Sicht des Kindes nachzeichnet, das er damals in den 70'ern gewesen ist, und indem er eigene Erinnerungen, Notizen des Vaters und des Onkels verarbeitet.
Das aus künstlerischer Sicht bemerkenswerteste Element des Buches sind jedoch die zahlreichen Abbildungen von Konzept-Skizzen über Fotos, auf den Familie und Nachbarn verkleidet oder unverkleidet bestimmte Posen darstellen, bis hin zum fotografischen Blick über die Schulter während des Malprozesses. Diese ergänzende Abbildungen vermitteln nicht nur tiefe Einblicke in den Schaffensprozess speziell der Hildebrandts, sondern erläutern dem künstlerisch eher Unerfahrenen, wie auch heute noch vielerorts gearbeitet und (gegenständlich) gemalt wird.
So informativ und unterhaltsam das Buch auch ist, zwei Wermutstropfen –der eine davon in Flaschengröße –trüben das Vergnügen. Der kleinere Makel betrifft die fehlenden Bilddaten (Technik, Originalgröße, Trägermaterial, Datum), den fehlenden, tabellarischen Bildindex sowie den Verzicht auf eine Kurzbiografie der Künstler. Das lässt sich aber noch verschmerzen; richtig ärgerlich ist Papierqualität! Ein viel zu geringes Papiergewicht vermittelt nicht taktil einen labberigen, instabilen Eindruck und sorgt für eine extrem hohe Knickanfälligkeit, sondern lässt in helleren Bildpassagen die dunklere Rückseite schwach durchschimmern und nimmt dem Druck dadurch ein Teil jener Brillanz, die man mit schwarzen Rahmen unterstreichen will.
Fazit: Ein interessantes Zeitzeugnis, das nicht nur die fünfundvierzig, für ihre Zeit bahnbrechenden und begeistert aufgenommen „Herr der Ringe“-Gemälde zweier großer Fantasy-Künstler komplett präsentiert, sondern auch noch mit reichlich Zusatzinformationen die Entstehungsgeschichte der einzelnen Kunstwerke illustriert. Bedauerlicherweise ein großer Abzug in der B-Note für die gewählte Papierqualität. Dennoch: für „Herr der Ringe“- und Fantasy-Fans empfehlenswert.