Reihe: The Unwritten oder das wirkliche Leben, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Nach den brutalen Morden in der Diodati-Villa, die zwar der sinistre Pullman begangen hat, für die man aber Tom Talyor verantwortlich macht, da man ihn zwischen den verstümmelten Leichen hockend vorfand, wird der junge Mann in ein französisches Gefängnis überstellt. Schon auf dem Weg dorthin freundet er sich mit dem undurchsichtigen Richard Savoy an, der dann auch sein Zellengenosse wird. Obgleich Savoy sein ganz eigenes Spiel mit dem jungen Mann treibt, erweist er sich in Zukunft als zuverlässiger Retter in der Not, denn die Verbindungen von Toms geheimnisvollen Gegenspieler reichen bis hinter die Gefängnismauern. Zunächst jedoch muss sich der junge Taylor nicht nur in der Gefangenen-Hierarchie alleine behaupten, sondern es deutet sich auch ein Konflikt mit dem Direktor an, dessen zwei Kinder sich als große Fans des fiktiven Tommy Taylor ausnehmen, was sie letztendlich das Leben kosten soll.
Wohlwissend, dass Tom im Gefängnis tödliche Gefahr droht, lässt sich die Reporterin Lizzie Hexam, die dem jungen Helden wider Willen schon in der Vergangenheit mit ihrem mystischen Wissen zur Seite stand, in den Frauentrakt des Knastes einschleusen; gerade noch rechtzeitig, denn die Schergen Pullmans und seiner Organisation machen sich in einer Nacht- und Nebelaktion mit paramilitärischer Unterstützung daran, das Gefängnis in Blut zu ertränken. Dank Lizzies mystischer Kräfte können Tom, Richard und die junge Frau durch ein magisches Portal entkommen und landen als Geister in der Vergangenheit, in Nazi-Deutschland, wo ihnen nicht nur Pullman wiederbegegnet, sondern auch Joseph Goebbels, der aus Lion Feuchtwangers Roman "Jud Süß" eine zerstörerische Kino-Geschichte spinnen lässt.
Verglichen mit dem ersten Tradepaperback wirkt die Handlung trotz einiger Schnitte und Szenenwechsel diesmal deutlich stringenter, klarer, weniger verschachtelt, weil die "fiktiven" Interludien reduziert wurden. Dennoch sind genug Rätsel, Anspielungen, Mysterien und originelle, fast literarisch-philosophische Ansätze eingewoben, um einen gleichermaßen unterhaltsamen, wie tiefgründigen Eindruck zu vermitteln. Bemerkenswert ist insbesondere, dass die umfangreiche Bezugnahme auf den Roman und Film "Jud Süß" und – allgemein - die im Dritten Reichen angesiedelte Handlung nicht ins peinliche Stereotype oder sogar dämonisch Verzerrte – wie es in US-Mainstream-Comics gerne mal bemüht wird, wenn es um Hitler & Co geht - abgleiten, sondern Feuchtwangers Roman als Anlass für zumindest interessante Gedanken über das Wesen von guter Literatur und gefährlichen Büchern gemacht wird.
Das Artwork kann zwar unterm Strich nach wie vor nicht ganz mit der Story in Hinblick auf Originalität mithalten, ist aber in einigen Szenen, die von Gastkünstlern "gefinisht" wuden – welche Arbeiten das auch immer exakt umfasst –, visuell anregend. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang das Fehlen einer Galerie der genialen Cover Yuko Shimizos, die zwar in das Tradepaperback eingestreut sind, die aber ob ihrer Ausdrucks- und Strahlkraft eine gesonderte Würdigung verdient hätten.
Fazit: Ein gleichermaßen spannende wie unterhaltsam-tiefgründige Comic-Serie über das Wesen bzw. das Verhältnis von Fiktion und Realität. Neben den "Freakangels" die zur Zeit aufregendste Reihe im Panini-Programm.