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Reihe: The Broken Earth, Band 1
Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Stillness ist eine raue Welt, die von seismischer Aktivität geprägt ist. Immer wieder kommt es so sogenannten fünften Jahreszeiten, in denen Erdbeben, Vulkanausbrüche oder andere Folgen der Verschiebung der Kontinentalplatten die Welt umgestalten. Im ersten Band der Broken Earth Trilogie von N. K. Jemisin geht es nun darum, wie die Menschen mit den globalen Natur-Katastrophen umgehen.
Let's start with the end of the world, why don’t we?
Mit diesem Satz beginnt das Buch und damit das Ende schon vorweg genommen. Aber verraten wird damit überhaupt nichts, ganz im Gegenteil, denn genau hieraus entsteht viel Spannung die den Roman bis zum Ende hin trägt.
Es gibt drei Handlungsebenen, die verschiedene Schicksale beschreiben und die dem Leser nach und nach die Art und die Gesellschaftsstruktur der Welt erklären.
Das ist zunächst Damaya, ein junges Mädchen, das über die Fähigkeit verfügt Erdbewegungen auszulösen bzw. diese auch zu stoppen. Die Menschen haben Angst vor den sogenannten Orogenen, die mit ihren Kräften ganze Städte vernichten können und so beschließen ihre Eltern, das Kind den Behörden zu übergeben. In der Hauptstadt Fulcrum werden die Orogenen in einem Schulungslager (manchmal wirkt es eher wie ein Konzentrationslager) trainiert und Damaya lernt ihre Fähigkeiten zu kontrollieren.
Syenite ist eine Orogene, die bereits ihr Training abgeschlossen hat. Sie lebt kontrolliert von Wächtern in den Mauern von Fulcrum und muss Aufträge erledigen. Je höher ihre Fähigkeiten und ihre Selbstkontrolle wurden, umso mehr Freiheiten bekam sie zugestanden. Syenite verfügt bereits über fünf Ringe und somit auch über einen gewissen Status. Doch dann wird sie zu Alabaster geschickt, einen der sehr wenigen Orogenen, die zehn Ringe vorweisen können, um mit ihm talentierte Kinder zu zeugen. Doch die Begegnung mit ihm öffnet Syenite die Augen für all die Missstände in der Welt.
Zuletzt ist da Essun, eine Frau, die als Orogene unerkannt in einer Dorfgemeinschaft lebte, bis ihr Mann ihren Sohn aus Angst vor dessen Fähigkeiten erschlug und mit der Tochter floh. Essun verfolgt ihn, doch dann bricht das Chaos über die Welt herein und eine fünfte Jahreszeit beginnt mit ihren biblischen Katastrophen.
Es fällt schwer die Geschichte in wenigen Sätzen zusammenzufassen. N. K. Jemisin ist eine brillante Autorin, die sehr geschickt dem Leser eine komplexe Welt offenbar. Dabei gibt sie dem Leser immer genau so viele Informationen wie notwendig sind, um die Handlung zu verstehen. Und das führt auch dazu, dass sich das, was man über Stillness und der Gesellschaft der Menschen zu wissen glaubt, sich immer wieder als falsch heraus stellt. Nach fast jedem Kapitel erhält die Geschichte eine neue Wendung oder gar eine ganz andere Richtung in der die Handlung fortschreitet. Dabei bleibt es lange ein spannendes Rätsel, in welche zeitliche Reihenfolge die drei Handlungsebenen zu bringen sind. Und um es noch bizarrer zu machen, sind die Kapitel um Essun in der zweiten Person geschrieben und es ist klar, dass eine talentierte Autorin wie N. K. Jemisin dies nicht macht, um den Leser in einer weiteren Weise herauszufordern. Dahinter verbirgt sich ein ganz bestimmter Grund, denn wenn die Kapitel in der zweiten Person erzählt werden, dann muss es eine Person geben, die das Ganze erzählt. Das wiederum unterstreicht die Wichtigkeit dieser Figur.
Man merkt schon: Das hier ist kein einfaches Buch und auch der Einstieg fällt schwer. Es dauert ca. 50 bis 60 Seiten, bis man sich an den ungewöhnlichen Schreibstil der Autorin gewöhnt hat, die komplett davon Abstand nahm, mit Infodumps den Lesern Informationen zu reichen. Alles was man am Ende über die Welt und die Protagonisten weiß, erschließt sich nur aus der Handlung, den Interaktionen und den Ereignissen. Außerdem ist dieses Buch nichts für zartbesaitete, denn mal liest von viel Leid und Grausamkeiten. Im Anhang findet sich noch ein Register der voran gegangenen fünften Jahreszeiten, aber das hat für den Roman keine wirkliche Bedeutung, wenn man davon absieht, dass vergangene Katastrophen hier und da erwähnt werden.
2016 wurde dieser Roman mit dem Hugo Award als bester Roman ausgezeichnet. Damit folgten die Leser einer gewissen Tradition, denn es haben bereits andere Autorinnen mit Science-Fantasy Romane den Hugo gewonnen wie Ursula K. Le Guin - Die linke Hand der Dunkelheit oder Joan D. Vinge - Die Schneekönigin. Interessanterweise geht in letzterem Roman auch um entscheidende Änderungen der Lebensbedingungen. Die Auszeichnung ist durchaus berechtigt. Es ist nicht die Geschichte an sich, die den Roman weit über das Mittelmaß hinaus hebt, sondern, die innovative und extrem spannende Art und Weise, diese Geschichte zu erzählen. Es bedarf einer sehr talentierten Schriftstellerin wie N. K. Jemisin, um so einen Roman zu schreiben.
10 von 10 Punkten.
Kleine Anmerkung noch zum deutschen Titel: Zuerst stand wieder die Frage im Raum, warum man wieder einmal auf eine wörtliche Übersetzung des Titels verzichtet hat. Allerdings ist einem Rheinländer sofort klar, warum der Titel "Die fünfte Jahreszeit" etwas ungeschickt gewählt gewesen wäre. Und nach ein bisschen Überlegen kommt auch der Rest Deutschlands auf die Antwort. Helau und Alaaf!