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Titel: Schwarzer Rauch Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Vor dem hellen Hintergrund des Covers hebt sich ein wie mit Aquarellfarben gemaltes Bild deutlich ab: Wenige Pinselstriche zeigen dem Betrachter die Dächer einer Stadt und einen blutroten Mond, der den nächtlichen Himmel erhellt. Ein passendes Bild, schließlich ist der Mond Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte.
Es ist immer wieder derselbe Traum, der Victoria aus dem Schlaf reißt: Ein Traum, in dem sie einen ihr im wirklichen Leben unbekannten Mann, Darian, sucht und dabei einen unermesslichen Verlust spürt. Der blutrote Mond in einer dieser Nächte ist es, der Victoria in die Vergangenheit führt: Zu den Anfängen ihrer Geschichte und der Geschichte der Kinder des Mondes. Die Geschichte eines jungen Mädchens, eines magischen Buches und dem Kampf gegen dunkle Mächte.
Schon mit dem Prolog ist der Bogen zwischen Cover und Geschichte geschlagen: Der blutrote Mond am Himmel ist es, der Victoria in die Vergangenheit führt und dem Leser ihre Geschichte erzählt.
Auf den ersten Blick hat “Schwarzer Rauch” einige Gemeinsamkeiten mit anderen Jugendromanen: Ein begabtes Mädchen, das in ihren besonderen Gaben ausgebildet werden muss, klingt erst einmal nach “Schema F” – und hat mich das Buch nach den ersten Seiten beiseitelegen lassen. Der Prolog lies mich jedoch nicht mehr los – und so habe ich am nächsten Tag das Buch wieder in die Hand genommen. An Victorias Seite bin ich immer tiefer in die Kultur und Geschichte der “Kinder des Mondes” eingetaucht. Eine Geschichte, die die altbekannten magischen Wesen wie Elfen, Feen, Hexen, Vampire und Werwölfe auf einen einzigen Ursprung zurückführt – und die Entwicklungen hin zu den verschiedenen “Arten” auf ganz eigene Art erklärt. Stefanie Hasse flicht diese Erläuterungen gekonnt in die Geschichte ein, macht sie zu einem Teil des Plots und zieht den Leser so immer tiefer in die fremde – und doch so nahe – Welt hinein.
Der Großteil der Geschichte, vor allem der Anfang, wird aus Victorias Sicht erzählt. Im weiteren Verlauf der Geschichte lässt die Sichtweise von weiteren Charakteren (Victorias Jahrgangskameraden) den Leser einen ganz anderen Blick auf das Geschehen werfen – und verleihen diesem so zum Teil eine ganz andere Bedeutung und der Geschichte damit so manch’ eine überraschende Wendung. Der Perspektivenwechsel macht allerdings nicht nur den Plot interessanter, er verleiht einigen Figuren, die gerade am Anfang noch etwas flach wirken, einiges mehr an Tiefe. Die wirklichen Gefühle der einzelnen Figuren kommen dadurch allerdings erst im weiteren Verlauf der Geschichte ans Licht – und das auch nur bei den Hauptpersonen. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass sich das im Nachfolgeband ändern wird – schließlich gibt es bereits in “Schwarzer Rauch” immer wieder eine Verschiebung von Blickwinkel und Fokus.
Der Plot selbst ist – auf den ersten Blick – ziemlich einfach: Eine ungewöhnlich begabte junge Frau findet ein lang verschollenes magisches Buch – und hat die Fähigkeit, es zu lesen. Das Auffinden des Buches ruft einige Bösewichte auf den Plan, die die Mächte des Buches für finstere Machenschaften nutzen wollen. Schon der Prolog macht die Geschichte jedoch zu etwas Besonderem – und lässt einen als Leser das ganze Buch über spekulieren, wie es zu der im Prolog geschilderten Wendung gekommen ist. Eine Frage, die Stefanie Hasse in diesem Band (noch) nicht beantwortet, dem Leser allerdings einige Hinweise liefert. Wer Darian ist, erfährt der Leser schon zu Anfang der Geschichte. Und im weiteren Verlauf bekommt man zumindest eine Ahnung, wie es nach Band eins weiter gehen könnte. Auch die Figuren sind ziemlich ungewöhnlich: So liegen in einigen Figuren Gut und Böse nah beieinander, während andere sich völlig von der jeweiligen Gegenseite abgrenzen können. Ich finde es erstaunlich, wie Stefanie Hasse diese deutlichen Abgrenzungen mit den fließenden Grautönen zu einer Geschichte vermischen konnte. Bei einigen Figuren ist es gerade diese Mischung, die es dem Leser schwer macht, sie einzuschätzen – auch im Nachhinein. Einige der Bösewichte haben nicht einmal die kleinste finstere Aura (zumindest keine, die Protagonisten oder Leser spüren können) – und können nur anhand eines kleinen (aber wichtigen) Indizes überführt werden. Die Konsequenz ist “Schwarzer Rauch” – und damit ist auch der Bogen zum Titel geschlagen.
Schlussendlich führt Stefanie Hasse den Leser mit “Schwarzer Rauch” erst einmal “nur” in die Welt der Kinder des Mondes ein. Eine spannende Einführung, die für den Nachfolgeband noch einiges verspricht – und dem Leser bereits hier schon nicht die geringste Zeit für Langeweile einräumt. Auf ein tiefes Kennenlernen der beteiligten Figuren muss der Leser allerdings ebenso verzichten wie auf einen richtigen Showdown. Dieser wartet vermutlich im Nachfolgeband – und die Neugier darauf hat Stefanie Hasse mit “Schwarzer Rauch” definitiv geweckt.