Serie: Sandman präsentiert; Band 6 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
„Die Ewigen“ – Dream (Traum), Destiny (Schicksal), Death (Tod), Destruction (Zerstörung), Desire (Verlangen), Despair (Verzweiflung) und Delirium (Wahn) – sind sieben Geschwister, Wesenheiten, die der britische Autor Neil Gaiman im Rahmen seiner bahnbrechenden Comic-Reihe „Sandman“ in den späten 80'ern des letzten Jahrtausends erschaffen hat. In ihrer ursprünglichen Konzeption und ihrem Auftreten im Comic folgen diese Figuren einem vergleichsweise tiefgründigen und philosophischen Ansatz, der ihnen eine fast schon gravitätische Würde verleiht.
Dieser Würde und „Abgehobenheit“ setzt nun die Autorin und Zeichnerin Jill Thompson, die schon einigen Serien des VERTIGO-Imprints visuelles Leben einhauchte, in „Geschichten über die kleinen Ewigen“ zwei leichte Storys in Form eines illustrierten Buches – nicht etwa eines Comics - entgegen, die sich auch – aber nicht nur – sprachlich wie künstlerisch in erster Linie an Kinder richten und die Abenteuer aus der Kindheit der Ewigen erzählen.
Hauptprotagonistin beider Abenteuer ist die unstete, leicht verwirrte und verwirrbare Delirium, eine Figur, deren Wesen und Habitus denen von Kindern am nächsten kommen und die damit eine passendere Identifikationsfigur für die Zielgruppe liefert, als die dräuende Despair oder der rätselhafte Destiny.
Die erste Geschichte berichtet davon, wie Delirium während eines Spaziergangs mit Barnabas, dem kleinen Hund Destructions, gleichsam verloren geht, woraufhin das Tierchen auf der Suche nach seiner Prinzessin zunächst mögliche irdische Orte und dann nach und nach die Gefilde der ewigen Geschwister abklappert. Doch statt Deliriums Aufenthaltsort zu erfahren, erhält Barnabas von den Ewigen jeweils einen kleinen Glücksbringer.
In der zweiten Story möchte die fröhliche Delirium ihrer immer griesgrämig dreinblickenden Schwester Despair ein Lächeln ins Gesicht zaubern und plant zu diesem Zweck eine Party, zu der sie die übrigen Geschwister einlädt. Doch alle Kuchen, Leckereien, Geschenke, Tänze und Lieder vermögen Despair nicht aufzuheitern … im Gegenteil … und das ist dann doch irgendwie lustig.
Kurze, knappe Sätze, poetische, gefühlvolle Wortkreationen sowie die gradlinige, einfache Handlung lassen in Verbindung mit den liebevollen, federleichten, oft kunterbunten, stimmungsvoll-heiteren Aquarell-Illustrationen keinen Zweifel daran aufkommen, dass Jill Thompson Geschichten in der Tat primär für Kinder konzipiert sind. Dass auch reifere Leser – insbesondere die, die Gaimans Sandman-Universum heimisch sind – auf ihre Kosten kommen, liegt zum einen natürlich am gefälligen Artwork, zum anderen an der gelungenen Charakterisierung der Protagonisten, in der sich zwar zurückhaltend, aber dennoch erkennbar die besonderen Eigenheiten der Ewigen wiederfinden.
Ein ausführlicher redaktioneller Teil mit Konzeptskizzen, Fotos und Texten über Hintergrund und Entstehungsgeschichte des kleinen Pantheons rundet die gelungene Hardcover-Edition ab.
Fazit: Zwei heitere, kindgerechte Geschichten, gefällig erzählt, mit leichter Hand farbenfroh illustriert. Nicht nur für kleine Leute unterhaltsam.