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Titel: Alle werden frei sein
Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Nachdem sich die sechs Neulinge an der „Morning Glory Academy“- Zoe, Hunter, Jun, Jade, Ike und Casey –mehr oder weniger willfährig an das totalitäre Schulsystem und die sadistischen Lehrer angepasst haben, steht nun nicht mehr das Entkommen im Vordergrund, sondern das Lernen und das Nicht-Auffallen. Doch nicht nur die Lehrkräfte terrorisieren die Schüler, auch Mobbing durch ältere Kommilitonen steht an der Tagesordnung. Allerdings lässt sich nicht jeder diese Art des Umgangs gefallen, sodass bald die ersten ausgeweideten und abgeschlachteten Älteren aufgefunden werden. Zudem treten einmal mehr die unterschiedlichen Charaktere und Interessen der sechs Neuen in den Vordergrund; die Art und Weise, wie sie mit dem Druck umgehen, wurzelt tief in den Erfahrungen ihrer Kindheit und Jugend, Erfahrungen, mit denen sie sich nun auseinandersetzen müssen.
Auch im Führungsgremium der Akademie ist nicht alles eitel Sonnenschein: während Lehrer wie Miss Daramount und Mister Gribbs entweder mit brutaler Gewalt oder offenkundiger Korrumpierung versuchen, die Neuen zu brechen, und dabei nur vereinzelte Erfolge verzeichnen können, scheint die an die Schule zurückgekehrte Miss Hodge mit sanfter Manipulation weiter zu kommen.
Was zunächst auffällt, ist der relativ abrupte Bruch in der Dramaturgie gegenüber dem ersten Tradepaperback; statt für eine weitere Eskalation der unterschwelligen und offenen Konflikte zu sorgen und die Spirale der Gewalt weiter zu drehen, nimmt der Autor Tempo aus der Handlung, indem er nach der Vorstellung der Akademie und des Terrorsystems, das sie am Funktionieren erhält, nun die Hintergründe der einzelnen Charaktere näher beleuchtet und auch erste Andeutungen –nicht viel mehr - über besondere Fähigkeiten der Aspiranten fallen lässt. Viele kleine Geheimnisse der einzelnen Protagonisten, neue Verknüpfungen und Rätsel sorgen dafür, dass die Story trotz des gemächlichen Tempos und des nach wie vor visuellen klaren und ruhigen Artworks Joe Eismas, das sich ganz in den Dienst der Handlung stellt, von der ersten bis zur letzten Seite atemberaubend spannend bleibt
Fazit: In den Charakterzeichnungen sowie der Dramaturgie, dem langsamen - auch visuell ruhigen - Aufbau von Handlungsbögen, Rätseln und rätselhaften Verbindungen neben „Freakangels“das Panini-Highlight schlechthin. Für Freunde plakativer Gewalt eher weniger zu empfehlen; jeder jedoch, der Freude an hintergründigem Grauen, struktureller Gewalt und Mysterien hat, muss einfach zugreifen.