Serie: Ehapa Comic Collection Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Mittlerweile ist die Ehapa-Comic-Collection fast schon zum Synonym für ambitionierte Gesamtausgaben nicht nur frankobelgischer Comic-Klassiker geworden, welche man dem Genre der Funnys zuordnen kann. Neben einer großen Palette von Walt-Disney-Publikationen sind es Serien wie Asterix, Lucky Luke, Isnogud oder nun auch die Minimenschen, die dem Freund leichter Comic-Unterhaltung Herz und Geldbeutel aufgehen lassen.
Der erste Band dieser Gesamtausgabe enthält die ersten sechs Abenteuer der winzigen Zeitgenossen. Doch bevor es in medias res geht, ist ein Blick auf die Vorgeschichte dieser Abenteuer hilfreich:
Das Leben der Einwohner der kleinen, im Grunde durch und durch durchschnittlichen Stadt Rajevols, die vor allem wegen ihrer ruhigen Lage der Standort eines wissenschaftlichen Forschungszentrums wurde, ging seinen ganz normalen, unaufgeregten Gang, bis eines Tages ein Nachwuchsforscher ein geheimnisvolles Meteoritenstück mitbrachte, das schon bald ein bizarres Ereignis in Gang setzen sollte: Jede Person, die das Gestein berührte, schrumpfte Tags darauf auf Streichholzgröße; ebenso erging es jenen, die in Kontakt mit den „Infizierten“ kamen; und so dauerte es nicht lange bis ein großer Teil der Bevölkerung Rajevols aus winzigen Menschen bestand.
Um die Krankheit einzudämmen und gleichzeitig die Opfer vor der Unbill einer nun plötzlich viel zu großen Welt zu bewahren, entschloss man sich, in den vier Zisternen unter dem alten Park von Schloss Eslapion vor den Großen verborgen, eine hochgeheime Miniaturstadt, „Eslapion-unter-Rajevols“, zu errichten.
Seit damals sind einige Jahre ins Land gegangen, die Minimenschen haben sich mittlerweile dank futurologischer Technik sowie ihrer großen Herzen in ihrem neuen Heim bestens eingerichtet und die Großen ahnen nichts von ihrer Existenz.
1. Alarm in Eslapion (Alerte à Eslapion-sous-Rajevols, 1967)
Nicht ahnend, dass unter seinen Füßen kleine Menschen wuseln, plant das Militär den Bau eines Beobachtungsstützpunktes exakt über den Zisternen von Rajevols. Als die Minimenschen von dem Unterfangen Wind bekommen, versuchen der ehemalige Mirage-Pilot Renaud und seine kleinen Mitstreiter, die Pläne zu durchkreuzen, in dem sie die Gerätschaften der Soldaten sabotieren. Doch der Widersacher erweist sich als zäher als erwartet.
2. Auf der Flucht (Les évadés, 1968)
Zwar ist die kleine Gemeinschaft der Minimenschen ein verschworener, ehrlicher Haufen, in dem Verbrechen an Mitwinzlingen so selten sind, dass man sich einen Musterknast leisten kann, dennoch gibt es auch in Eslapion den einen oder anderen Gefangenen. Bert, seines Zeichens Häftling Nummer 00001, sowie ein Knastbruder beschließen, dass es an der Zeit ist, Blumen in ihrer normalen Größe zu betrachten, und suchen daraufhin das Weite.
Da die beiden Flüchtlinge nicht auf den Kopf gefallen sind, erfordert es Renauds ganzes Geschick, die beiden Kleinen in einer Welt der Großen wieder dingfest zu machen.
3. Der lachende Mini (Le petit homme qui rit, 1968)
Gustav, den Gärtner und Champignon-Züchter Eslapion-unter-Rajevols, hat es erwischt: Er kann nicht mehr aufhören zu lachen. Seine Mitbewohner argwöhnen zwar, dass ein ansteckender Virus hinter der merkwürdigen Lachkrankheit stecken könnte, doch keiner von ihnen ist in der Lage, eine zuverlässige Diagnose zu stellen. Guter Rat ist also teuer, und daher beschließt man mit Bauchgrimmen, Dr. Ludwig Hundsecker zu konsultieren. Das Problem dabei: Dieser Arzt ist ein Großer!
4. Der Hahn im Korb (Le coq en pâte, 1969)
Ab und an ist es notwendig, die Stadt Eslapion aus- oder umzubauen. Das Material dafür pflegen Renaud & Co auf nächtlichen Exkursionen in einen nahen Steinbruch zu organisieren. Eines Nachts jedoch geschieht ein Unglück: Eines der winzigen Transportflugzeuge kollidiert mit dem Wetterhahn einer Kirche der Großen und die ausgeklinkte Last bricht durch das Dach des sakralen Gebäudes.
Um ihr Geheimnis zu bewahren, sind die Minimenschen gezwungen, die Spuren des Unfalls zu beseitigen; doch das ist leichter gesagt als getan.
5. Ostern für Kinder (Des Pâques pour deux enfants, 1969)
Zufällig erfahren die Winzlinge während der Getreideernte vom schweren Los eines verarmten, großen Bauernehepaars. Ohne zu zögern, machen sie sich daran, für die Kinder der armen Leute den Osterhasen zu spielen.
6. Minimenschen ganz groß (Des souris et des petits hommes, 1969)
Als das neue Schwimmbad Eslapions eingeweiht werden soll, geschieht ein Unfall, in dessen Folge nahezu die gesamten Zuckervorräte der Stadt vernichtet werden. Das heißt: Nachschub aus der Welt der Großen muss her. Was jedoch als eine einfache Mission beginnt, wächst sich für einige der kleinen Leute zu einer wahren Odyssee aus, die sie tief in eine Welt führt, für die sie eigentlich viel zu klein sind.
Als Epigone des großen André Franquin, der zusammen mit Hergé - dem Vertreter der „Ligne Claire“ - stilbildend für das Gesicht des europäischen Comics gewesen ist, steht Pierre Seron ganz in der Tradition der École Marcinelle, einer nach dem belgischen Verlagsort des Spirou-Magazins benannten Malschule, die sich oft durch knollnasige Figuren sowie einen sehr leichten, fast schon beschwingten Pinselduktus auszeichnet.
Auch wenn sich Serons „Science Fiction“-Geschichten um die Minimenschen großer Publikumsbeliebtheit erfreuten, erreichten sie gerade in Deutschland nie den Status, den bspw. Morris' „Lucky Luke“ oder Peyos „Schlümpfe“ innehaben.
Ein Grund dafür liegt in den biederen Storys, die weder den Sprachwitz bzw. Esprit noch den slapstickhaften Humor oder den anarchischen Überschwang erfolgreicherer frankobelgischer Funnys bieten. Der zweite Grund sind die alles in Allem charismalosen Charaktere, denen jene signifikanten Eigenarten fehlen, welche sie für den Leser greifbar machen. Selbst Hauptfiguren wie der Chef oder Renaud bleiben - wenn überhaupt - dem Leser lediglich auf Grund ihres Äußeren in Erinnerung.
Trotz der inhaltlichen Defizite sind die Minimenschen-Geschichten alleine wegen Serons hinreißendem, leichtem Artwork, in dem immer wieder Funken situativer Komik aufblitzen, so unterhaltsam, dass ein Funny-Freund die Lektüre nicht bereuen wird.
Regelrecht ärgerlich und in diesem Preissegment letztlich nicht tolerierbar ist die editorische Qualität des ersten Bandes. Das uninspirierte Vorwort Achdès nimmt man noch hin, zumal für die folgenden Ausgaben ein informativerer redaktioneller Teil in Aussicht gestellt wird, die schlechte Druckqualität ab Seite 39 jedoch ist ein Unding. Unscharfe Konturen und verwaschen wirkende Farben vergällen selbst wohlwollenden Lesern einen großen Teil des Spaßes. Mir persönlich ist es unerklärlich, wie es das Album trotz solcher drucktechnischer Mängel an einer hoffentlich existierenden internen Qualitätssicherung vorbeigeschafft hat.
Fazit: ein frankobelgischer Funny-Klassiker, der zwar nicht die inhaltliche Qualität vieler vergleichbarer Serien besitzt, dessen beschwingtes, unterhaltsames Artwork ihn jedoch zu einer Empfehlung machte, würde dem die schlechte Druckqualität nicht entgegenstehen.