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Interview mit James Lovegrove James Lovegrove schreibt auch unter dem Pseudonym Jay Amory. 1965 wurde er in England geboren. Er schreibt vorwiegend Science Fiction, aber auch Fantasy. James Lovegrove lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Eastbourne, Sussex.
Pseudonyme: Homepages:
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Die Übersetzung des Interviews stammt von Oliver Keth.
Kannst Du Dich für die Leser kurz vorstellen?
Mein Name ist James Lovegrove, ich schreibe seit über 20 Jahren als Berufsautor und habe bis jetzt über 30 Bücher publiziert. Meine erste Veröffentlichung war The Hope und erschien im Jahre 1999 in Deutschland. Das Buch Days kam in die engere Auswahl des Arthur C. Clarke Awards und war ein Bestseller in Frankreich. Ebenso kam United Kingdom in die engere Auswahl des John W. Campbell Memorial Awards.
Ich schrieb einige Bücher für junge Leser, die eine Leseschwäche haben, und bin ein regelmäßiger Kritiker der Financial Times in Sachen Fiction. Ich bin 44 Jahre alt und Vater von zwei Söhnen.
Erik Schreiber:
Warum benutzt Du ein Pseudonym?
James Lovegrove:
Ich wurde von meinem britischen Verleger gebeten, meine Kurzgeschichte „Wings“ zu einem ganzen Buch für jugendliche Leser auszubauen. Jedoch waren meine Bücher bisher nur für Erwachsene bestimmt gewesen und man dachte, das Buch hätte mehr Erfolg, wenn es unter einem Pseudonym herausgebracht würde. Das würde meine Werk von den bisherigen Büchern unterscheiden und es leichter machen, es als Erstlingswerk vorzustellen.
Erik Schreiber:
Kannst Du ein wenig über die Welt von Az erzählen, das noch nicht in den Büchern erzählt wurde?
James Lovegrove:
Vier Az-Bücher wurden bisher in Großbritannien veröffentlicht und ich plane ein fünftes, warte aber ab, um zu sehen, ob es in Auftrag gegeben wird oder nicht. Im fünften Buch kommen die Deacons zurück und stürzen mit aller Macht die Welt in Krieg und Chaos. Sie lauern am Rand und warten auf ihre Chance zuzuschlagen. Az und Cassie fanden den Ursprung des Wissens der Luftlinge heraus, die jedoch erst im vierten Buch, Empire of Chaos, entdeckt werden.
Erik Schreiber:
Du sagst, es sind vier Bücher um Az erschienen. Werden alle in Deutschland erscheinen?
James Lovegrove:
Ich weiß es nicht. Es liegt nicht an mir, sondern an Blanvalet, und natürlich an der Leserschaft. Wenn genügend Lesern meine ersten beiden Bücher gefallen und ausreichend verkauft werden, kann ich mir schon vorstellen, dass Blanvalet die Rechte an den nächtsen beiden Büchern haben will. Ich hoffe, sie machen es.
Erik Schreiber:
Wie kamst Du dazu, Az zu erfinden? Gab es dafür einen bestimmten Auslöser?
James Lovegrove:
Die ursprüngliche Kurzgeschichte wurde für einen Sammelband mit Geschichten über Engel geschrieben. Meine Idee war es, alles Bekannte auf den Kopf zu stellen, das Außergewöhnliche an Engeln normal erscheinen zu lassen und auch eine neue Welt, in der sie leben, zu erschaffen. Fliegen zu können ist alltäglich. Um das Ganze anzuheben, wurde der zentrale Charakter flügellos - und somit unfähig zu fliegen - geboren. So entstand Az. Ich versuchte so auch einen Blick auf diese Art von Invalidität in den Vordergrund zu stellen und fand es interessant, diesen Weg zu entdecken.
Erik Schreiber:
Ich kenne (zum Zeitpunkt, da ich diese Frage stelle) leider nur Piraten der Lüfte, daher war ich von der Welt sehr überrascht. Allerdings kann ich mir unter den Fahrstühlen in den Himmel nichts richtig vorstellen. Ähnliche Ideen habe ich schon einmal gelesen, aber das bleibt etwas vage für mich. Wie muss ich mir diese Vorrichtung vorstellen?
James Lovegrove:
Die Luft-Städte wurden gebaut, um der Staubwolke einer monumentalen und weltweiten Katastrophe zu entkommen (diese Welt wird in dem vierten Buch der Serie vorgestellt). Städte zu erschaffen, die auf schmalen Pfeiler sitzen und durch Lifte versorgt werden, ist sicherlich ein unmögliches architektonisches Kunststück. Die Vorstellungen sind eher Fantasy als Science Fiction. Die Ideen basieren mehr auf Vorstellungsvermögen als tatsächlichen Fakten.
Erik Schreiber:
Wie hoch über der Erde sind die Städte und wie groß sind die Städte?
James Lovegrove:
Ich schätze sie so auf 4 bis 5 Kilometer über der Erde und jede Stadt hat die Größe eines größeren Ortes. Hier bin ich vage mit meinen Angaben, einfach damit ich diese Vorstellung dem Leser überlasse.
Erik Schreiber:
Die Idee, mit Luftschiffen zu arbeiten, finde ich sehr faszinierend, wird in den letzten Jahren aber vor allem mit Steampunk-Geschichten gleichgesetzt. Siehst Du Dich als Steampunk-Autor?
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Ich habe die ungewohnte Steampunk-Geschichte geschrieben, und ich mag dieses Genre, aber die Wahrheit ist einfach, dass ich ein riesengroßer Fan von Luftschiffen bin. Für mich bedeuten sie, auf romantische Art zu reisen - so um die 30er Jahre, als die Welt voller Abenteuer und Möglichkeiten war. Ein goldenes Zeitalter demnach.
Nicht nur das, sie sind auch etwas brilliant Unbeholfenes und nicht Eingängiges. Diese Luftschiffe sehen aus als könnten sie nicht fliegen, tun es aber trotzdem.
Ich habe schon Luftschiffe in einige meiner Bücher eingebaut, bevor die „Clouded World“-Serie erschien, und habe alles verschlungen, was damit zu tun hatte. Ich glaube, es hat mich auf gewisse Art und Weise geheilt, über sie zu schreiben. Das und der Punkt, dass jedes Steampunk-Buch ein Luftschiff aufweisen kann.
Erik Schreiber:
Az ist unterwegs, um Luftpiraten zu fangen. Dabei sind Deine Luftpiraten eher Piraten als Flugzeugentführer. Das mag aber an der Übersetzung liegen. Welche Rolle spielen sie?
James Lovegrove:
Die sind mehr eine Gang als etwas anderes, eine Ansammlung junger Außenseiter, vereint unter einem charismatischem Führer, der sich dazu entschlossen hat, Robin Hood zu spielen, von den Reichen zu stehlen und sich selbst alles in die eigene Tasche zu stecken, ohne es an die Bedürftigen zu verteilen. Technisch gesehen sind sie Hijackers, aber Piraten klingt als Wort dramatischer und bewegender.
Erik Schreiber:
Ich sehe in den Luftpiraten eher Marionetten von jemandem, der noch unbekannt im Hintergrund die Fäden zieht. Ist das so?
James Lovegrove:
Nicht wirklich. Sie sind Gesetzlose und denken, sie seien hart im Nehmen und die Welt schulde ihnen etwas. Die Piraten der Lüfte sind nicht das Letzte, was wir von ihnen in der Serie sehen werden.
Erik Schreiber:
Es ist die Geschichte des Außenseiters Az. Die Geschichte wird langsam zu einem SF-Krimi. War das gewollt?
James Lovegrove:
Ein kleiner Gedanke war schon vorhanden, es nicht nur als ein Buch über Az zu schreiben. Als ich einmal mit dem ersten fertig war, wollte mein Verleger mehr und ich nutzte die Gelegenheit aus, die Welt und Charaktere von Az weiterzuentwickeln, und versuchte mich in einigen Subgenres.
So wurde aus dem zweiten Buch eine Art Piratenwildfang, das dritte, Darkening for a Fall, eine Kriegsgeschichte und das vierte, glaube es oder nicht, eine Art von Zombieabenteuer.
Erik Schreiber:
Stichwort Zombie. Kennst Du die Zombiegeschichten von David Moody? Oder hast Du speziell Zombie-Bücher oder -Filme angesehen? Oder ganz allgemein, hast Du Vorbilder, wenn ja, welche?
James Lovegrove:
Ich habe David Moody nicht gelesen, aber ich liebe Zombie-Filme, insbesondere George Romeros und die italienischen aus den 80ern. Es gibt nichts Schöneres als einen guten, widerlichen Zombie-Film, besonders jene vor dem digitalen Zeitalter und den digitalen Spezialeffekten, als noch richtiges Make-Up und Prothesen benutzt wurden. Es sah einfach realistischer aus.
Erik Schreiber:
Ein Seelenverkäufer (Die Hoffnung ist ein Schiff auf hoher See) als Mittelpunkt einer SF-Geschichte und gleichzeitig als Analogie auf die Gesellschaft. Bist Du immer so gesellschaftskritisch?
James Lovegrove:
Die Eingebung kam während einer Fährüberfahrt zurück nach England aus einem Urlaub in Frankreich. Es gab alles auf dem Schiff, Geschäfte, Unterkunft, Unterhaltung, all das und ich fühlte, dass es eine kleine Miniaturwelt war, ein Mikrokosmos. Ich hatte gerade mit der Universität abgeschlossen und wollte etwas schreiben, ohne eine Idee zu haben bis zu dieser Eingebung. Zu dem Zeitpunkt war ich immer mehr in Sorge über unsere Umwelt und entsetzt über die Vergewaltigung und Vergeudung unserer Resourcen.
Beides kam zusammen und das Ergebnis war eine wütende Hetzrede in Buchform. Sehr therapeutisch.
Erik Schreiber:
The Hope ist mehr ein Experiment gewesen? Zumindest sehe ich das so. Es ist im Vergleich zu Piraten der Lüfte sehr hart und brutal. Siehst Du Dich seither einem Wandel ausgesetzt, der sich auf Deine Schreibweise auswirkt?
James Lovegrove:
The Hope wurde in einer sehr düsteren Zeit in meinem Leben geboren. Ich verließ die Universität und die Realität traf mich vollkommen unvorbereitet. Bis dahin war alles reglementiert und geradeaus. Man machte die Schulkurse, schreib seine Berichte, bestand Tests, das war einfach. Dann, aus heiterem Himmel, musste man sich das Leben verdienen und sich Gedanken machen, womit man das am besten kann. Ich entschied mich, es auf einen Versuch ankommen zu lassen und als Schriftsteller tätig zu werden. Ich war nicht glücklich in diesem Lebensabschnitt, war nicht mal sicher, einen Platz im Leben gefunden zu haben, und hatte Angst vor der Zukunft. In den späten 1980ern bekam die ökologische Bewegung mehr Unterstützung und wir hatten zusätzlich die hässliche Plage AIDS, um die wir uns Gedanken machten. Zu der Zeit war es nicht schön, jung zu sein. Das, teilweise, ist es, worum es in The Hope geht: meine Verzweiflung.
Seitdem wurde ich erwachsener, älter und vielleicht etwas reifer. Ich mag es immer noch, über Gewalt und Action zu schreiben, versuche aber meine Bücher optimistischer und positiver klingen zu lassen.
Das Schiff erscheint mir sehr unglaubwürdig. Hattest Du dafür Vorbilder?
James Lovegrove:
Sicherlich hatte ich in meinen jüngeren Tagen (ich war 22, als ich The Hope schrieb) geglaubt, eine gottgegebene Mission auszuführen, Menschen zu bekehren und die Welt besser zu machen, wobei ich dachte: Macht sie mehr so, wie ich denke und für richtig halte. Nun bin ich über dieses Stadium hinausgewachsen, aber meine ersten paar Bücher haben alle eine Form des sozialen Kommentares in sich.
Heute bin ich geneigt, zuerst in Action und Handlung zu denken, während soziale Kommentare sich selbst überlassen sind und so zwangsläufig zu den Charakteren und der Situation gehören. Es ist ein "Erwachsen werden"-Ding.
Erik Schreiber:
Was wolltest Du mit der Geschichte ausdrücken? Reine Gesellschaftskritik und die Leser wachrütteln?
James Lovegrove:
The Hope war nie dazu bestimmt, plausibel zu sein. Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, bricht das ganze Konzept zusammen. Man kann dieses Buch nicht wörtlich nehmen. Darin liegt das Verrückte. Kein so großes Schiff könnte gebaut warden, geschweige denn seetauglich. Was ich versucht habe zu entwickeln, war eine Dampfkesselumgebung, ein fünf Meilen langes, schwebendes Gefängnis, das Passagiere langsam in den Wahnsinn treibt. Wie gefangene Ratten wenden sich die Passagiere gegeneinander und töten rigoros, ohne Verstand und sie kommen nicht drum rum, können nicht fliehen. Es war mehr oder weniger so, wie ich mich in der Zeit damals selbst gefühlt habe. Ich habe zu der Zeit in London gelebt und das war keine große Hilfe. Da ist eine Stadt voll angespannter Wut und Aggression. Man fühlt es die ganze Zeit. The Hope ist auf eine Art und Weise gleichbedeutend mit London.
Erik Schreiber:
Wenn ja, dann ist Dir das leider nicht gut gelungen. In Deutschland fanden sich nicht viele positive Kritiken.
James Lovegrove:
Ich kann nichts über deutsche Kritiken sagen, aber in Großbritannien wurde es gelobt.
Beinahe bin ich geneigt zu sagen, dass durch eine bessere Promotion das Buch zu einem Kult-Klassiker geworden wäre. Unglücklicherweise verließ der Editor, der das Buch freigegeben hat, den Verlag ein paar Wochen später. Wie man so schön im Verlagsjargon spricht, wurde ich zum „Waisen“ und einem neuen Editor überlassen, der zwar menschlich gesehen ein netter Mensch ist, aber nicht dieselbe Sympathie gegenüber dem Buch an den Tag legte wie ich als Autor. Niemandem möchte ich die Schuld in die Schuhe schieben und es ist einfach schlicht und ergreifend Pech.
Erik Schreiber:
Das Riesenschiff Hope, die Städte über den Wolken, alles ist, denkt man darüber nach, unglaubwürdig. Hast Du einen Hang zu Übertreibungen?
James Lovegrove:
Übertreibungen sind nützliche Dinge, vor allem wenn man etwas Satirisches schreibt, was bei The Hope der Fall ist. Setze Dir ein großes Ziel und habe Spaß dabei, es zu zerstören. Heute versuche ich es ein bisschen weniger übel. Mein Fokus liegt mehr bei den Charakteren als beim eigentlichen Konzept, auch wenn ich gerne ein literarisches Gerangel habe zwischen Realität und dem Aufbau der Geschichte (z. B. herrschen die ägyptischen Götter über die Erde wie in The Age of Ra).
Erik Schreiber:
Du hast mir die Geschichte „Wings“ zum Lesen geschickt. Ich sehe „Wings“ als eine wundervolle Kindergeschichte. Mein Englisch ist nicht sehr gut, doch hoffe ich, sie verstanden zu haben. Was hat Dich dazu gebracht, diese Kurzgeschichte zu schreiben?
James Lovegrove:
Ich wurde von einem Herausgeber aufgefordert, eine Kurzgeschichte für einen Sammelband zu schreiben (der Herausgeber ist ein Freund und ein einmaliger Mitarbeiter). Das Thema dieses Sammelbandes waren Engel. Ich beschloss daher, eine Welt zu beschreiben, in der jeder ein Engel ist - ausgenommen ein kleiner Junge. Er steht metaphorisch für eine Behinderung. Az ist schlichtweg normal, vergleicht man ihn mit uns. Er ist aber nicht normal, wenn man ihn mit den normalen Standards seiner Welt vergleicht. Mit dieser Geschichte wollte ich einen großen literarischen Helden, Ray Bradbury, nachahmen und im Geiste der Green-Town-Geschichten schreiben.
Erik Schreiber:
Was glaubst Du, warum sie den Jugendlichen gefiel, und was meinen die Jugendlichen selbst dazu? Erhälst Du Rückmeldungen zu „Wings“ und all Deinen anderen Werken?
James Lovegrove:
Die Kurzgeschichte „Wings“ kam sehr gut an. Später wurde daraus Wings, der Kurz-Roman, und der kam noch besser an. Vom Verlag Barrington Stoke wurde ich gebeten, es in einen Roman zu fassen, weil es für junge Leser mit Legasthenie und andere Leseschwächen gedacht war. Die Leser beantworteten die Geschichte mit großem Enthusiasmus, weil sie in der Lage waren, sich mich Az zu identifizieren, und auch mit anderen ungünstigen Umständen zu kämpfen hatten, die es zu überwinden galt.
Erik Schreiber:
Wie wurde aus der Kurzgeschichte ein Romanmehrteiler?
James Lovegrove:
Mein Herausgeber bei Gollancz schlug vor, dass dieses Buch erweiterbar wäre und seine Welt für jungen Leser gedacht ist. Für mich war es eine lächerliche Idee und ich sagte „Nein“.
Je mehr ich aber darüber nachdachte, desto mehr realisierte ich, dass es doch klappen könnte. Daraufhin rief ich ihn beschämt an und sagte ihm, dass ich es doch versuchen würde. Das Resultat war The Fledging of Az Gabrielson, zeitlich einige Jahre vor Wings platziert. Um die Geschichte etwas in die Länge zu ziehen, musste ich einige Elemente des Originals abändern und versuchte die Kontinuität, so gut es ging, aufrechtzuerhalten.
Erik Schreiber:
Hattest Du in Deiner Jugend selbst das Gefühl, jeder steht gegen Dich, ähnlich wie bei Az?
James Lovegrove:
Manchmal. Ich fühlte mich nie richtig von jemanden verstanden oder wurde nie darin bestätigt, was mir gefiel. Comics, zum Beispiel: Mir wurde beigebracht dass Comics Müll sind, wertlos, Unterhaltung für dumme Menschen. Trotzdem liebte ich sie, besonders die Marvel Comics, auch heute noch. Eine Zeit lang musste ich darum kämpfen und auch mit der Tatsache, dass ich SF mochte, wie nur wenige andere auch. Gefühlt habe ich mich wie ein Außenseiter und ich gab nach außen hin vor, ein vollständiger Streber und stolz darauf zu sein.
Erik Schreiber:
Wie begann Deine schriftstellerische Laufbahn? Erst Artikel, dann Kurzgeschichten und jetzt Romane?
James Lovegrove:
Tatsache ist, dass neben zahlreichen Kurzgeschichten aus meiner Unizeit, die ich nie veröffentlicht habe, The Hope mein erstes Werk ist. Ich begann sofort nach meinem Abschluss mit dem Schreiben und wurde sofort von einem Verlag akzeptiert. Danach schrieb ich weitere Kurzgeschichten, Journalismus und nebenbei noch ein paar andere Werke.
Erik Schreiber:
Wenn Du schreibst, wie gehst Du vor? Hast Du zuerst eine Idee, eine Überschrift oder wird Dir ein Vorschlag gemacht?
James Lovegrove:
Normalerweise komme ich mit einem großen Konzept an und beginne dem Ganzen Leben einzuhauchen, indem ich Szenen ausarbeite und die Charaktere erschaffe, die darin erscheinen sollen. Eine Seite der groben Übersicht wird meinem Verleger vorgeführt und später ein Plot der Geschichte. Das alles wird in 5-10 Seiten geschehen, neben einigen Charaktereigenschaften versteht sich. Es ist dann eine Frage des Schreibens, wenn man sich mit diesem Konzept beschäftigt.
Erik Schreiber:
Die gefürchtetste Frage an einen Autor: Woher nimmst Du Deine Ideen?
James Lovegrove:
Das weiß ich nicht und möchte es auch nicht wissen. Versuche nicht weiter zu fragen. Das kommt einfach so. Manchmal sind sie gut, manchmal nicht so gut. Wenn es gut ist, lasse ich sie ein wenig in ihrem eigenen Saft schmoren und hole sie hervor, wenn sie bereit sind, serviert zu werden. Ich kann Dir nur sagen, dass mir die Geschichte von The Hope während einer Überfahrt auf einer Fähre von Frankreich gekommen ist. Das Schiff erschien mir wie eine eigene Welt, Geschäfte, Restaurant, Schlafmöglichkeiten. Das gab mir den Anstoß für ein echt reisiges Schiff, unterwegs nach nirgendwo. Das darauf folgende Buch, Days, findet in einer riesigen Lagerhalle statt. Die Familie meiner Mutter besaß eine Lagerhalle in der Oxford Street in London. Als ich klein war, stromerte ich darin herum. Auch hier erschien mir diese Lagerhalle wie eine kleine eigene Welt. Zwei Jahrzehnte später entwickelte sich daraus meine Geschichte.
Erik Schreiber:
Kommt es schon mal vor, dass Du vor dem Computer sitzt, Du weißt, es muss etwas geschrieben werden, und dann fällt Dir nichts ein?
James Lovegrove:
Niemals. Und auch nicht mehr. In meinen zwanziger Jahren hatte ich oft Tage, an denen nichts Gescheites bei rauskam, Tage, an denen nichts wirklich Wertvolles dabei war.
Ich begann auch schon mit vielen Geschichten die ich niemals beendete. Heute schreibe ich jeden Tag, außer an Wochenenden. Sollte ich müde sein oder mich nicht richtig wohl inspiriert fühlen am Morgen, dann habe ich immer etwas, worauf ich zurückgreifen kann, wie z. B. einen Zeitungsbericht zusammenzufassen, eine Gastgeschichte für Kurzgeschichtensammlungen oder ein Interview wie dieses hier.
Erik Schreiber:
Was inspiriert Dich beim Schreiben? Musik? Oder bist Du eher jemand, der die Ruhe atmen hören muss?
James Lovegrove:
Ich kann keine Musik hören, während ich schreibe. Am Ende lausche ich mehr der Musik, als dass ich mich dem Schreiben widme. Das liegt wohl daran, dass ich selbst Musiker bin. Passiv kann ich keiner Musik zuhören, weil ich sonst immer anfange zu analysieren oder emotional darauf reagiere. Daher brauche ich Ruhe zum Schreiben.
Mir gelingt es immer, aber letztens wurde schräg gegenüber von mir gebaut, Lärm, laute Rufe, Bohren und Hämmern das machte mich wahnsinnig!
Erik Schreiber:
Zweifelst Du an dem, was Du schreibst, oder ist die Handlung immer so, wie sie sein soll?
James Lovegrove:
Permanent zweifle ich an mir selbst, an dem, was ich schreibe. Es ist keine schöne Angewohnheit. Ich bin Perfektionist. Alles, was ich anfasse, muss korrekt sein und es richtig treffen. Ich habe aber auch herausgefunden, dass es besser ist, auf meine innere Stimme zu hören und ihr zu vertrauen. Sie weiß schon, was sie tut, auch wenn ich es nicht immer selbst weiß. Kommt es zu einem Konflikt mit der Szene, dann lasse ich Dinge geschehen und meine Charaktere finden selbst eine Lösung. Manches Mal stehe ich vor einem Problem, das ich 100 Seiten vorher verursacht habe.
Schreiben an sich ist genauso praktisch wie instinktiv. Man muss schon wissen, wie man Sätze schreibt, aber das Unterbewusstsein nimmt einem die schweren Sachen ab.
Erik Schreiber:
Besuchst Du Fan-Treffen? Wenn ja, was bedeuten Sie Dir?
James Lovegrove:
Ich bin kein Convention-Geher. Ich verstehe, dass viele Menschen sich davon etwas versprechen und mitnehmen, aber ich sehe den Sinn darin nicht so ganz. Ich habe wenig Interesse daran, anderen Autoren dabei zuzuhören, wie sie über sich selbst reden, daher kann ich mir auch nicht vorstellen, dass andere das von mir hören wollen. Für mich ist es nichts Großartiges.
Erik Schreiber:
Kann Literatur die Welt verändern?
James Lovegrove:
Ich dachte es mal. Jetzt bin ich mir nicht so sicher. Was ich denke, was ein gutes Buch kann, ist, den Leser an einen anderen Ort zu transportieren, weg aus der eigenen Welt und manches Mal Probleme erleuchtend, manches Mal ordnet man seine Weltanschauung zurecht. Vor allem muss das Buch unterhalten. Es dauerte eine Weile, dies herauszufinden. Wahrscheinlich ist es deswegen, weil ich Kinder habe und sie an mir zehren und ich weniger Zeit habe, mich in meine Fiktionen zu vertiefen wie früher.
Nun muss ich beschäftigt und von einem guten Plot ergriffen werden. Heute habe ich nicht mehr die Geduld und Ausdauer, die ich einmal hatte, wenn es ums Lesen geht. Das wird durch meine Arbeit reflektiert, die actionreicher ist. Ernsthaft bin ich aber bei meiner Arbeit. Das Arbeiten an sich ist weitaus weniger seriös.
Erik Schreiber:
Welche Bedeutung hat Literatur für Dich?
James Lovegrove:
Es ist eine Schnittstelle zwischen Leser und Autor. Ein Dialog der Geister. Man ergibt sich selbst der Handlung, den Charakteren und den Machenschaften. Es ist auch eine Gelegenheit, eigene Meinungen und die der anderen zu beachten. Es ist die mysteriöse Alchemie von nur sechsundzwanzig unterschiedlichen Buchstaben, geformt und transferiert in lebhafte, mentale Bilder.
Erik Schreiber:
Du veröffentlichtest mit 22 Jahren Deinen ersten Roman. Wolltest Du Autor werden? Und wenn ja, wann hattest Du das Bedürfnis, Deine Gedanken niederzuschreiben?
James Lovegrove:
Eigentlich wollte ich immer ein Rock-Star werden. Ich schreibe und nehme Lieder auf, auch instrumentale Stücke, allerdings spiele ich sie nur wenigen Leuten vor. Die Musikerkarriere entwickelte sich nicht gut für mich und war auch sicherlich der Grund, dass ich insgeheim wusste, ich musste Schreiber werden. Ich mochte es als Kind, Geschichten niederzuschreiben.
Erik Schreiber:
Lieber James, vielen Dank für Deine ausführlichen Antworten. Ich wünsche Dir noch viel Erfolg mit den weiteren Projekten.
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Titel: Die Hoffnung  |
Die Hope ist ein vor sich hinrostendes altes Kreuzfahrtschiff von fünf Meilen Länge, zwei Meilen Breit und einer Meile Höhe. Irgendwann mal war sie der Stolz der sieben Weltmeere. Damals, als das Schiff noch neu war und die Leute, die als Passagiere an Bord kamen, noch Geld hatten. Heute ist aus dem riesigen Pott nichts als ein schwimmender Sarg geworden. Die alten Leute, die damals an Bord kamen, wissen heute nicht mehr, warum und die jungen Leute, die auf dem Schiff geboren wurden, wissen erst recht nicht, was sie hier sollen. Sie Menschen sind nach verschiedenen soziale Abstufungen eingeordnet, und der soziale Rang gleichzeitig entspricht dem Wohnort. Je weiter oben man in diesem Schiff wohnt, desto höher steht man in der Hierarchie, je tiefer man im Schiff lebt, desto niedriger ist der soziale Rang. Aber dessen ungeachtet gilt für alle, ob arm oder reich, das Gleiche: Jeder ist Gefangener des Schiffs, ohne Möglichkeit, wieder von diesem Seelenfänger herunterzukommen.
James Lovegrove legt hier sein Debüt vor, das mich sehr wenig begeistert. Angefangen von dem technisch nicht machbaren Schiff in dieser Größe bis hin zu den Charakteren, die auftreten, wirkt alles leicht unglaubwürdig. Für Unterhaltungsliteratur ist es nicht ansprechend genug, für eine sozialkritische Zukunftswelt zu einfallslos. Die Handlung tröpfelt dahin wie ein undichter Wasserhahn, und die Erzählkunst gleitet wie ein schmieriger Ölfilm über die Wasseroberfläche, ohne tief eindringen zu können.