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Titel: Hiki Buch/Verlagsdaten: Ehapa Comic Collection - Egmont Manga & Anime, Oktober 2011, 182 Seiten Broschiert, ISBN-13: 978-3770476886, 6,50 € Eine Rezension von Gloria Manderfeld |
Schüler Rin hat sich ein schwerwiegendes Problem eingehandelt: Nachdem er in einer Schublade eine Schatzkarte gefunden hatte, die ihn an die Zeichnungen seiner Kindheit erinnert hat, machte er sich mit seinem Freund Yada auf die Suche nach dem Schatz. Doch anstelle von Gold und Juwelen finden sie am angegebenen Ort eine alte Kommode. Als Rin diese durchsucht, muss er feststellen, dass sie leer ist – bis er in einer Schublade mit seinen Fingern unwissentlich einen Mädchenkopf anstößt, im letzten Moment aber die Hände zurückzieht und dem Ereignis nicht viel Bedeutung beimisst.
Von diesem Moment an wird er diesen Kopf nicht mehr los – überall, wo er etwas aus einem Behältnis herausholen muss, stößt er auf den Kopf, und wenn man sich bewusst macht, wie viele Dinge heutzutage irgendwo geordnet liegen, gibt es auch sehr viele Gelegenheiten für Rin, auf den geisterhaften Kopf zu stoßen.
Dabei bleibt es jedoch nicht, versucht die Geistererscheinung doch, Rin in die Schublade hinein zu ziehen – nur mit viel Mühe gelingt es ihm, sich zu retten – wenig später wird einer seiner Lehrer von dem Geistermädchen aus seinem Leben gerissen und verschwindet vor Rins Augen. Der Horror hat von diesem Zeitpunkt an sein ganzes Leben erfasst, er lebt in ständiger Angst vor Schubladen, zieht sich von seinem überforderten und der toten Mutter nachtrauernden Vater und seinen Freunden völlig zurück.
Das Gesicht des Mädchens scheint eine Saite in ihm zum klingen zu bringen, und auf der Suche nach der Wahrheit dämmert ihm langsam die Erkenntnis, dass es sich um seine Schwester handeln muss, die er verdrängt hat – doch ist dies wirklich eine reale Erinnerung? Warum verfolgt ihn das Geistermädchen so vehement?
Wer Filme wie 'The Ring' gesehen hat, dürfte sich bei der Lektüre von 'Hiki' an die simple Grundstruktur erinnert fühlen – ein Haupthandelnder tut etwas, das er am Besten nie getan hätte, und fortan wird er von einem Horror verfolgt, der sein Leben (und oftmals das seiner Umgebung) zerstört. Dass man als Leser keine letztendliche Erklärung für das 'warum' und das 'wie geht es weiter' erhält, ist der Sparte asiatischer Horrorerzählungen durchaus zueigen.
Es muss auch nicht zwingend eine klare Auflösung geben, um den unterschwelligen Horror der Geschichte zu stützen – allein die Tatsache, wie sehr Rin versucht, sein Leben trotz des Schubladenproblems zu meistern, bringt einem die Gandlung schon sehr nahe, lässt die Problematik greifbar werden. Wenn man sich selbst die Frage stellt: Könnte ich leben, ohne irgend etwas zu öffnen? ist die Antwort im Grunde klar, das Grauen auf Dauer unausweichbar.
Die klaren Linien der 'realen' Welt und die verworrene, schraffierte Gestaltung des Geistermädchens bilden einen deutlichen Kontrast, der die subtile Hässlichkeit des Geisterkopfes und des wirren Haars sehr hervortreten lässt. Dabei lassen sich im Zeichenstil von Banana Nangoku auch Anklänge an die Gesichts- und Ausdrucksgestaltung koreanischer Mangaka entdecken, die bei starken Mimik-Momenten am ehesten hervortritt. Die konventionelle Panelgestaltung wird bei dramatischen Momenten regelmäßig durchbrochen, lässt die Story ansonsten in einem geordneten Rahmen weiterlaufen, wo immer Rins 'normales Leben' weitergeht – dieser geschickt in das allgemeine Storytelling eingeflochtene Kontrast erhöht die Dynamik des Geschehens zusätzlich.
Generell ist dieser Manga nichts für schreckhafte Gemüter – wer bei Horror gerne eigenes Kopfkino entwickelt, könnte von dieser Story ziemlich eingefangen werden, vor allem, wenn man sich 'Hiki' vor dem Schlafengehen gönnt. Wer lieber klare Storylines mit einer verständlichen Auflösung haben will, wird hier eher weniger geeigneten Lesestoff finden – 'Hiki' spielt mit Emotionen, nicht mit Logik, und will wohl auch gar nicht die typische Geistergeschichte sein.
Fazit: Nicht für jedermann geeignet – subtiler Horror mit einer verworrenen, aber packenden Geschichte. Sieben von zehn möglichen Punkten.