Titel: Gefangen Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Nachdem der grobschlächtige Jepperd den kleinen Jungen Gus, der sich ihm anvertraute, den Wissenschaftlern des Militärs ausgeliefert hat, den Menschen also, die seine Frau töteten, macht er sich auf den Weg zurück zum dem Haus, das ihm und seiner geliebten Louise vor der Seuche einst ein trautes Heim war. Doch auch nachdem er seine Frau unter die Erde gebracht hat, findet der Mann keinen inneren Frieden: gepeinigt von Gedanken an bessere, liebevolle und friedfertige Zeiten mit Louise streift er ziellos durch die sterbende Welt, versucht, sein Gewissen in Alkohol zu ertränken und sucht geradezu körperliche Bestrafung. Schwer verletzt, gebrochen findet Jepperd schließlich Unterschlupf in einem Haus, in dem er nicht nur Hilfe durch ein weiteres Opfer der Militärs erfährt, sondern auch ein neues Ziel für sein zukünftiges Leben aufstellt: Rache!
Unterdessen befindet sich Gus in den Klauen perfider Forscher, die keinerlei Skrupel haben, tödliche Experimente an den jungen Mensch-Tier-Hybriden durchzuführen und die Kinder - im wahrsten Sinne des Wortes – auszuschlachten. Gus bleibt dieses Schicksal allerdings zunächst erspart, da Dr. Singh in dem Jungen das Besondere sieht: nicht nur, dass Gus vor der Seuche auf die Welt gekommen ist und damit die bisherigen Theorien zur Krankheit ad absurdum führt, er scheint auch nicht auf natürlichem Wege geboren zu sein. Und so verwendet der Forscher alle Mittel darauf, sich das Vertrauen des Jungen zu erschleichen und ihn mittels Hypnose in eine Zeit zurückzuführen, die für ihn zur glücklichsten seines bisherigen kurzen Lebens gehörte, denn Singh vermutet in Gus Vater einen genialen Wissenschaftler, der irgendwo seine bahnbrechenden Aufzeichnungen versteckt haben muss.
Der vorliegende zweite Sammelband weist zwei erzählerische Schwerpunkte auf: zum einen wird die Vergangenheit der Figuren aufgearbeitet, wobei in Gus' – anders als in Jepperds – noch einiges im Dunkeln bzw. rätselhaft bleibt, zum anderen setzt Lemire auf die emotionale Entwicklung der Figuren, wobei auch hier Jepperd alleine auf Grund seines Alters mehr zu erleiden hat, als der nach wie vor natürlich naive Junge. Beiden starken Hauptprotagonisten ist jedoch gemeinsam, dass man als Leser ihr Leiden und ihre Handlungen auch ohne pathetischen Firlefanz emotional wie intellektuell gänzlich nachvollziehen kann.
Nach wie unterstreicht zeichnerisch das grobe und dennoch markant-ausdrucksstarke Artwort mit seiner stimmig-kühlen Koloration den lakonischen, ruhigen Grundton der Geschichte, die gleichermaßen spannend – auch visuell – wie emotional anrührend ist.
Fazit:
Ein ausdrucksstarkes Artwork in Verbindung mit einer hochemotionalen, spannenden Story und starken, ungewöhnlichen Protagonisten lassen die Eisner- und Harvey Award Nominierung der Serie geradezu selbstverständlich erscheinen. Ein echtes Highlight im Panini-Programm.