Reihe: Steam&Magic
Eine Rezension von Gloria H. Manderfeld |
Das London des Jahres 1851 ist ein gefährlicher Ort – neben der allgegenwärtigen Armut und der gesellschaftlichen Ungleichheit der Klassen machen den Menschen übernatürliche Wesenheiten das Leben schwer. Der Orden der Tafelrunde, der seine Ursprünge bis zur legendären Tafelrunde von König Artus zurück verfolgt, hat sich ganz dem Kampf für Krone und England verschrieben, seine Mitglieder, die „Ritter“, gehen mit Schwert und Zauberkraft gegen alles Feindliche vor. Auch Sir Merrick Hadrian zählt zu diesen Rittern und tut sein Bestes, um verschwundene Ladenmädchen zu finden. Als er in einem der finsteren Viertel Londons von Vampiren überfallen wird, eilt ihm eine Bande höchst ungewöhnlicher Straßenkinder zur Seite und hilft ihm, die finsteren Wesen zu bekämpfen.
Da er bei allen Kindern außergewöhnliche Fähigkeiten feststellt – der Anführer Tommy verfügt über rohe, ungeformte Ritter-Zauberkraft, Wink ist eine Meistertüftlerin beim Bau von Mechanischem, Nell kann Geister sehen, Jamie verfügt über die Gabe des Blicks in die Zukunft und Piers ist hochintelligent – nimmt er sich ihrer an und bringt sie in sein wohl geordnetes Stadthaus, welches dank der ungebärdigen Kinder innerhalb kürzester Zeit im Chaos versinkt. Sir Merricks gewitzte Tante Dorothy erweist sich als Retterin in der Not, als sie Miss Caroline Bristol als Gouvernante ins Haus bringt und diese den Kindern tatsächlich beibringen kann, sich besser zu benehmen. Doch mit der hübschen jungen Frau treten neue Probleme in Sir Merricks Leben…
Angesichts der Aufmachung und der typischen Elemente (Covergestaltung, viktorianisches Zeitalter, häufige Erwähnung von irgendwelchen technisierten Gegenständen) könnte man vermuten, es handle sich bei ‚Feuerspiel‘ um einen Steampunk-Roman – was aber nicht wirklich der Fall ist. Natürlich wird die Epoche bedient, ebenso die Notwendigkeit mechanischer und auch dampfbetriebener Gegenstände und Fortbewegungsmittel, doch der Fokus der Erzählung richtet sich spätestens nach dem ersten Drittel des Buches ganz klar auf die Lovestory zwischen Caroline Bristol und Sir Merrick. Auch die Fantasy-Elemente wie Zauberei, Werwölfe, die Ritter des Ordens und die Bedrohung durch eine Vampir-Verschwörung sind dem Haupt-Erzählstrang nur beigeordnet und dienen dazu, die Liebesgeschichte aufzulockern und zu umrahmen.
Dabei sind gerade die Neben-Charaktere interessant und abwechslungsreich gestaltet – die fünf Kinder, welche das Leben von Sir Merrick gründlich auf den Kopf stellen, erscheinen als eigenständige Persönlichkeiten, Sir Merricks Tante Dorothy ist als streitbare, aufgeklärte Dame sehr überzeugend. Sir Merrick und Caroline folgen allerdings sehr den für Liebesromane genretypischen Klischees: Beide sind sehr attraktiv, gute Menschen mit Verantwortungs- und Pflichtgefühl, es gibt den üblichen Standesunterschied, beide fühlen sich extrem voneinander angezogen et cetera.
Das Geplänkel zwischen den beiden wird dabei trotz Carolines unangenehmen Erfahrungen mit übergriffigen ehemaligen Dienstherren sehr schnell vorhersehbar und steuert klar auf eine Beziehung zu. Dabei empfand ich die Gewichtung zwischen romantischem Geplänkel in den ersten drei Vierteln des Buches und immer wiederkehrenden Erotikszenen im letzten Viertel als sehr unausgewogen – ich habe mich selbst irgendwann beim Überblättern ertappt, auch wenn das Ganze durchaus angenehm geschrieben war.
Warum ich das Buch dennoch mit Vergnügen gelesen habe? Es unterhält trotz seiner Genre-Mängel kurzweilig und mit einer guten Prise Humor! Wenn man nicht mit überzogenen Erwartungen an diese Story herangeht, wird man ganz sicher nicht enttäuscht, Sir Merricks kunterbunter Haushalt hat Potential für eine Fortsetzung. Allenfalls Leser, die einen echten Steampunk-Roman anstelle einer Romance-Story erwartet haben, dürften hier den Daumen nach unten drehen, was ich vollauf verstehen kann. Zu beliebig, zu wenig ausgeformt scheint der Steampunk-Bezug der Rahmenwelt.
Auch die in Rekordzeit durchlaufene Entwicklung der Kinder von der Gosse hin ins Esszimmer eines Lords, ohne unangenehm aufzufallen, erscheint mir recht zweifelhaft, aber wohl notwendig, damit die Erzählung in sich stimmig funktioniert. Miss Bristols Aufstieg in die feine Gesellschaft verläuft nach einem ähnlichen Muster wie die Zähmung der Kinder. Generell habe ich mich sehr an die Bücher von Susan Elisabeth Philips erinnert gefühlt, die als Chick-Lit-Autorin mit in der Gegenwart spielenden Romanzen Genre-Bekanntheit erreicht hat.
Fazit: Wer Mystery-Romance mag, kann hier bedenkenlos zuschlagen, wer echten Steampunk erwartet und Lovestories nicht lesen möchte, sollte die Finger davon lassen. Sieben von zehn möglichen Punkten.