Titel: Die dunklen Gassen des Himmels Eine Besprechung / Rezension von Sebastian Hallmann |
Inhaltszusammenfassung:
Bobby Dollar ist ein Engel. Genauer gesagt ein Anwaltsengel. Seine Aufgaben auf Erden besteht darin, die Seelen von Verstorbenen gegenüber den Anklägern aus der Hölle zu verteidigen und sie natürlich möglichst “ins Haus droben” zu bringen – oder zumindest ihre Zeit im Fegefeuer so kurz wie möglich zu halten. Eines Tages übernimmt er einen Job für seinen Kumpel Sam, der sich jedoch in einem Punkt eklatant von seinen bisherigen Fällen unterscheidet. Die Seele des Verstorbenen ist verschwunden. Plötzlich findet sich Bobby im Kreuzfeuer zwischen Engeln und Dämonen wieder und wird bald zum gesuchtesten Engel in San Judas. In dem Bestreben, herauszufinden was da passiert ist und seine eigene Unschuld zu beweisen, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln.
Kritik:
“Die dunklen Gassen des Himmels” ist einer dieser Romane, bei denen ich schon nach der Leseprobe hin und weg war. Sie war spritzig und erfrischend geschrieben und machte mir trotz meiner Abneigung gegenüber religiösen Themen eine Menge Spaß. Es galt nun also herauszufinden, ob Autor Tad Williams diese Qualität über die gesamte Länge seines immerhin knapp 580 Seiten starken Romans halten kann – und ob es lohnt, einen Blick auf die noch folgenden Bände der als mehrteilige Reihe ausgelegten Geschichte um Bobby Dollar zu werfen.
Zunächst einmal möchte man sagen, dass Williams’ Interpretation der ewig alten Geschichte um Himmel und Hölle tatsächlich recht innovativ ist. Zwar nutzt er ein uraltes Prinzip als Grundlage, erweitert das aber auf eine sehr eigene Art und Weise. Somit muss man sich keine Gedanken darum machen, dass man einfach nur bekanntes erneut vorgesetzt bekommt. Mit der Einleitung wirft der Autor den Leser dann auch direkt ins Geschehen und macht schnell klar, dass Bobby alles andere als heilig ist. Es wird geflucht, beleidigt und ja, es wird auch Blut vergossen. Schnell und actionreich gestartet, wird dann zunächst aber erst einmal aufgearbeitet, wie unser Anwaltsengel überhaupt in diese Situation gekommen ist. Es wird also etwas langsamer, aber zu keiner Stelle langweilig. Williams baut seinen Spannungsbogen sehr gekommt auf und versteht sich gut darauf, den Leser auch permanent an diesem lang zu führen. Atmosphärisch hat er ebenfalls einen Glückstreffer gelandet, denn er versteht es sehr gut, seinen Engel zu vermenschlichen, ohne ihm dabei jedoch jegliche Mystik zu nehmen. Das ist für “Die dunklen Gassen des Himmels” auch wesentlich, denn genau von dieser Gradwanderung lebt das Buch.
Einen Volltreffer kann man ebenfalls bei den Charakteren vermelden. Zwar erfolgt bei dieser Thematik schon zwangsläufig oftmals eine klare Trennung zwischen gut und böse, doch wird man als Leser über die Motive lange im unklaren gelassen. So werden die Figuren weder langweilig noch eintönig, sondern behalten ihre Geheimnisse solange es eben nötig ist. Ein paar der Engel und Dämonen sind dann aber doch in sehr interessanten Graustufen gezeichnet, die man sich so eigentlich nicht vorgestellt hätte. Alles in allem ist “Die dunklen Gassen des Himmels” also mit einer bunten Mischung phantastischer Gestalten ausstaffiert worden, wie wunderbar ins Setting passen und, zumindest in Hinsicht auf die Hauptprotagonisten, auch alle den einen oder anderen sympathischen Zug mit sich bringen, der für die Identifikation wichtig ist, dabei jedoch nie ein echtes Saubermann-Image auf den Leib geschneidert bekommen. Ecken und Kanten bleiben also und genau das ist auch absolut passend und gelungen.
Ted Williams ist ein toller Geschichtenerzähler, das hat er mir mit diesem Werk eindeutig gezeigt. Sein Erzählstil ist sehr anschaulich, ohne dabei ausschweifend zu werden. Er bringt die wichtigen Dinge schnell auf den Punkt und hat ein Händchen für gutes Timing. “Die dunklen Gassen des Himmels” kommt zudem mit einer großen Prise Humor daher, der oftmals schon recht schwarz ausfällt, an anderen Stellen dann aber eher auf Situationskomik setzt. Nicht falsch verstehen: das Buch ist nicht lachhaft und versucht auch nicht, Dinge ins Lächerliche zu ziehen. Es spiegelt einfach nur den Galgenhumor von Bobby Dollar wider, aus dessen Perspektive der Roman geschrieben ist. Alles in allem hat Williams eine sehr gut verdauliche Mischung aus Humor, Action und einer interessanten, äußerst spannenden und mitunter tiefgreifenden Geschichte zu Papier gebracht.
Fazit:
“Die dunklen Gassen des Himmels” hat mich so sehr überzeugt wie schon lange kein Buch mehr. Ich mochte den Stil des Autoren, ich mochte die Figuren wie auch die Geschichte und das Setting. Der Roman ist Urban Fantasy at it’s best und ich bin wahnsinnig gespannte darauf, was Bobby Dollar aka. Engel Doloriel in Zukunft noch erwartet – auch wenn diese Geschichte hier mit dem Enge löblicherweise tatsächlich abgeschlossen ist und man nicht ewig auf eine direkte Fortsetzung seiner Abenteuer warten muss. Dennoch: Mehr davon! Schnell!
10/10 Punkten