Titel: Die Suche nach der Vorherbestimmung oder Der siebenundzwanzigste Lehrsatz der Ethik Eine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Die Suche nach der Vorherbestimmung ist von Boris Strugatzki (Jahrgang 1933), der vor allem zusammen mit seinem Bruder Arkadi (1925-1991) Erzählungen und Romane verfasste. Bei der Lektüre des vorliegenden Romans darf der Leser sich auf einiges gefasst machen. Es ist Gegenwartsliteratur mit düsterer Phantastik, nicht immer leicht für einen West- und Mitteleuropäer zu greifen, wenn es um politische oder gesellschaftliche Besonderheiten Russlands geht, aber spannend erzählt und mit einer dichten Atmosphäre.
Stanislaw Krasnogorow - Programmierer auf dem Gebiet Künstlicher Intelligenz und Amateurschriftsteller - ahnt, daß in seinem Leben nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Der Tod scheint keine Macht über ihn zu haben ... In den über 30 Jahren seines Lebens hat Stanislaw Krasnogorow - genannt Stak - 23mal am Rande des Abgrunds gestanden. Nur um Haaresbreite entkam er jedesmal dem Tode. Jeder Versuch, die Tatsache seines Überlebens durch puren Zufall zu erklären, spräche dem gesunden Menschenverstand Hohn. Doch wenn er nicht zufällig überlebt hat, gibt es also eine Gesetzmäßigkeit, etwas, das ihn rettet, beschützt, aufspart - aber für welche Bestimmung? (aus der Verlagswerbung)
In mehreren Teilen verfolgt der angespannte Leser Krasnogorows Leben. Im ersten, es ist 1970, konfrontiert Stanislaw Krasnogorow seinen Freund Vikont mit der Entdeckung, dass er mehrmals unglaubliches Glück hatte und dem Tode entronnen ist. Und das waren mehr als nur harmlose Ereignisse, bei denen anderen Menschen bestimmt ein schlimmeres Schicksal widerfahren wären. Vikont mag das ihm zuerst gar nicht glauben.
Dann wird Krasnogorows Leben unruhiger und der Sicherheitsdienst beginnt sich für sein Leben zu interessieren. Denn nun bringt der KGB mehrere Todesfälle mit Stas Krasnogorow in Verbindung. Leute, die ihm schaden wollten sind umgekommen. Aber das Rätsel ist für den Geheimdienst nicht zu lösen.
Jahre später, die Sowjetunion ist zerfallen, wird Krasnogorow ein erfolgreicher und schnell aufstrebender Politiker. Seine Maxime ist die der absoluten Wahrheit. Er findet treue Anhänger und verfolgt eine fantastische Zukunft, die vielleicht gar nicht so wünschenswert ist. Es geht um Machtfragen, und die sind immer kontrovers, wie der Roman zeigt.
Die Suche nach der Vorherbestimmung ist ein "politisches Buch", das sich zuerst ohne wesentliche Science Fiction- oder Fantasy-Elemente entwickelt. Mit einem Klonlabor zum Ende hin, gibt es zwar noch typische SF, generell ist es ein kritischer zeitgenössischer Roman, in dessen Realität die Phantastik eintritt. Boris Strugatzki lässt Krasnogorow zusätzlich über die Vergangenheit erzählen, zum Beispiel von seinen Kindheitserfahrungen im belagerten Leningrad.
Der Roman entstand bereits 1992 bis 1994 und mit großer Sensibilität und Gespür sah Boris Strugatzki die Verhältnisse in Osteuropa und die begonnenen Umbrüche, die nicht nur Gutes verhießen. Nicht immer mag man Strugatzkis Ansichten und seiner Sprache folgen, ob diese nun kulturell bedingt seien oder doch eher seine persönliche Art über Menschen zu denken. Manchmal geht es nämlich sehr unfreundlich zu, wie beim horrorlastigen Basker, einem unheimlichen Wesen.
Die Sprache ist sehr bildhaft und lebendig. In jedem Fall ist es gute Literatur, düster und philosophisch. Der Klett-Cotta Verlag hat zurecht Die Suche nach der Vorherbestimmung endlich auf Deutsch herausgebracht und mit Erik Simon einen Übersetzer genommen, der sich mit Boris Strugatzki bestens auskennt.