Serie: Luuna, Band 2 Titel: Die Dämmerung des Luchses Originaltitel: Luuna: Le Crépuscule du Lynx Autor: Didier Crisse Zeichnungen: Nicolas Keramidas Farben: Bruno Garcia Übersetzer: Tanja Krämling Lettering: Delia Wüllner-Schulz Ausstattung: HC, Albumformat, 48 Seiten Verlag: Splitter Verlag (2008), ISBN: 978-3-939823-81-0 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Eine Unachtsamkeit eines der drei Waldgeister, welche die junge Paumanok-Indianerin Luuna und ihre beiden Totems, den schwarzen und den weißen Wolf, auf ihrer Suche nach Erlösung von ihrem Fluch begleiten, sorgt dafür, dass die kleine Schar den Frieden einer Grabstätte und den Übergang eines dort ruhenden uralten Indianers in die Himmlischen Gärten stört.
Der Alte - „Der, dem man zuhört und den man nicht sieht“ - erzählt dem Mädchen seine Lebensgeschichte und bittet es, ihm bei seiner letzten Reise behilflich zu sein: Als junger Mann beging er, verlassen von seinem Totem, dem Luchs, einen schweren Frevel, nachdem ihm Ausgestoßene seines Stammes die Ehefrau töteten und den Sohn raubten. Er verfluchte den Wald, in dem das Verbrechen geschah, so dass sich dieser aus der Welt zurückzog und zu einem Ort der Finsternis wurde.
Am nächsten Morgen folgen Luuna und ihre Begleiter dem Indianer an den Ort des Bösen, an den er sich des Nachts alleine begeben hat, um sein Totem zu finden und mit ihm erneut jene Seelenverbindung einzugehen, die für seinen friedvollen Übergang in das Reich der Ahnen notwendig ist.
Doch der Wald ist voller Gefahren: Nicht nur, dass dort dunkle Waldgeister ihr Unwesen treiben, auch die Söhne des Waldes - Menschen mit finsterer Gesinnung - stellen sich der jungen Paumanok entgegen und nehmen sie schließlich gefangen. Allerdings haben sie die Rechnung ohne Unkui gemacht, die Schwarze Seele des Waldes, deren Totem in Vollmondnächten von Luuna Besitz ergreift. Und gerade ist wieder Vollmond.
Im Vergleich zum ersten Band wirkt der indianische Hintergrund in „Die Dämmerung des Luchses“ authentischer. Die Story selbst, die zwischen mysthischer Schwere und jugendlicher Verspieltheit schwankt, erinnert in zentralen Teilen - ein alter Indianer erhebt sich von seinem Totenbett, um nach dem gewaltsamen, frühen Verlust der Familie seinen Frieden mit den Geistern zu machen - an das weithin unbekannte, schwedische Film-Genre-Highlight „Windwalker“, auch wenn das Comic deutlich lebendiger sowie actionorientierter daherkommt und dadurch die tiefe Tragik der Lebensgeschichte des Alten etwas abmildert.
Luuna selbst muss einmal mehr mit ihrer dunklen Seite ringen, um den verlockenden Einflüsterungen Unkuis zu widerstehen. Das ist in gewisser Weise zwar die Wiederholung eines Grundthemas des ersten Bandes, doch diesmal verliert sich Luuna stärker in ihrer inneren Finsternis, es bedarf einer massiveren Intervention von außen, um das Mädchen zurückzuholen, und insofern entwickelt sich die Hauptprotagonistin nachvollziehbar weiter.
Ist die Story an sich schon mitreißend, so ist es erst das Artwork der beiden Künstler, was Luuna zu etwas Besonderem auf dem Albenmarkt macht. Neben Keramidas an sich schon origineller grafischer Handschrift trägt dazu der Spagat zwischen westlicher und östlicher Comic-Kunst bei. Erinnert die Expressivität in der Darstellung der Figuren - ihrer Mimiken und Posen - an die asiatische Manga-Kultur, so sind der Seitenaufbau sowie der narrative Inhalt der einzelnen Bilder durch und durch westlich geprägt. Gleichermaßen ausdrucksstark ist die atmosphärisch intensive Koloration Garcias, die zwischen aktueller Handlung und Rücklenden so subtil wie eindeutig dadurch zu differenzieren weiß, dass in Letzteren weichere, oft ins Grünliche spielende, warme Farben vorherrschen, während das Hier und Jetzt in kräftigeren, kühlen Tönen gehalten wird.
Fazit: eine mysthische Geschichte; eine gelungene Gratwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit; hinreißend expressiv visualisiert.