Titel: Neue Verbindung Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Das Konzept, die Idee hinter „Dial H – Bei Anruf Held", mittels einer Telefonwählscheibe zufällige, bizarre Helden mit noch seltsameren Fähigkeit zu erschaffen, geistert schon seit dem Jahre 1966 durch die DC-Veröffentlichungshistorie. Auch für dieses Konzept, dessen erfolgloser letzter Neustart - „H.E.R.O." - rund 10 Jahre zurückliegt - sah DC im Zuge des „The New 52"-Relaunches die Zeit für einen frischen Neuanfang gekommen, für den der Verlag mit China Mieville einen der renommiertesten und erfolgreichsten Autoren phantastischer Belletristik gewinnen konnte – ein echter Glücksgriff, wie dieses erste Tradepaperback belegt!
Couch-Potato Nelson Jent ist das, was man ohne Zögern einen Loser nennen würde; er lebt in einer heruntergekommenen Wohnung, ist schmuddelig, fett, herzkrank und nikotinsüchtig. Eines Tage wird er zufällig Zeuge, wie sein bester Freund Darren in einer dreckigen Gasse überfallen wird; da Nelson körperlich nicht in der Lage ist, zu helfen, versucht er über eine nahe Telefonzelle Hilfe zu holen und verwandelt sich, kaum dass er die Wählscheibe berührt hat, in ein Wesen mit absonderlichen Fähigkeiten, die ihn die Lage versetzen, die Angreifer notfalls sogar zu töten.
Nachdem er seinen Freund gerettet hat, stattet Nelson in neuer Gestalt den Hintermännern des Überfalls einen Besuch ab, um sie vor weiteren Übergriffen zu warnen. Die Folge seines Tatendrangs ist allerdings, dass die Verbrecher nun an Darren ein Exempel statuieren. Und plötzlich findet sich Nelson in einem kosmischen Kampf wieder, der seine Vorstellungskraft weit übersteigt, in einem Kampf, in dem die Fronten nicht eindeutig geklärt sind.
Eine geheimnisvolle Frau namens Manteau, die augenscheinlich dieselben Fähigkeiten wie Nelson aktivieren kann, bitte ihn um Hilfe im Feldzug gegen den Abgrund und seine Wegbereiter auf Erden, die Hexe des Nichts - die Nullomantin Ex Nihilo - und ihren außerirdischen Verbündeten, einen Nullhirten.
Was als klassische Superhelden-Story beginnt, entwickelt sich schon bald zu einer hintergründigen Geschichte, die nicht nur in textlicher Hinsicht ungewöhnlich phantasievoll bzw. gehaltvoll ist, sondern die auch mit erfreulich komplexen, einzigartigen Figuren aufwartet, deren Interaktionen alleine auf Grund ihrer vollkommen unterschiedlichen Charakterisierung und Anlagen extrem spannungsgeladen sind. Die bizarren Helden, in die sich Nelson verwandelt, sind in diesem Kontext nicht mehr als nette Gimmicks, denen eine humoristische Note nicht abzusprechen ist, die jedoch für das Funktionieren des abgedrehten, philosophisch angehauchten, originellen Grundplots mit seinen Rätseln und Konflikten nicht notwendig sind, denn auch ohne diese sporadisch auftretenden Manifestationen des Irrsinns reißt die Handlung einen sofort mit.
Das Artwork Mateus Santoloucos ist guter amerikanische Mainstream, mit unverkennbarer „Grim and gritty"-Attitüde, der sowohl dynamisch daherkommt, als sich auch einer realismusnahen Herangehensweise bedient, und den einzelnen Panels durch präzise Verschattungen und Kontraste eine große visuelle Tiefe und Lebendigkeit verleiht.
Fazit: Auch wenn man sich lange umschauen muss, um bizarrere Superhelden als den Heulsuser, Kampfschnecke, Hula-Hoop-Hahn u.v.a.m. zu finden, so ist es doch die abgedrehte, auch sprachlich interessante Geschichte um den Abgrund, die Licht verschlingende Leere, die Leerlinge und Nichst-Reiter und einen heldischen Niemand oder Jedermann – je nach dem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet -, die dieses erste Tradepaperback zu einem echten Comic-Highlight macht.