Titel: Der Herr der Finsternis Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Die vorliegende Sammelband enthält als Gesamtausgabe die vier Einzelalben „Das Buch Haleth“ (Le grimoire d'Haleth, 2003), „Wiedergeburt“ (Renaissance, 2004), „Die Purpurgarde“ (Les gardes pourpres, 2005) sowie „Die neue Zeit“ (Une nouvelle ère, 2008).
Nach Jahrhunderten des Exils streckt das personifizierte Böse, Fedath, seine Klauen nach den friedlichen Völkern der Welt Dyfed.
Die zwergische Feste Gandaar, Thronsitz des Zwergenkönigs Ulrik Mac Stone, droht unter dem Ansturm der Truppen des dunklen Herren geschleift zu werden. Kurz bevor die Mauern fallen, eilt das Heer der Menschen unter Führung Bedwyrs den Kleinwüchsigen zu Hilfe und bringt den Angreifern dank Magie und Technik eine vernichtende Niederlage bei.
Doch auch wenn durch das Eingreifen der Menschen das Bündnis zweier Rassen neu geschmiedet wurde, so weiß der alte, weise Bran, seines Zeichens Kampf-Magier in den Reihen Bredwyns, dass Fedath nicht endgültig besiegt ist, denn dazu bedarf es des Wissens, das, in dem uralten Buch Haleth verborgen, die wahre Schwäche des Bösen dem offenbart, dem es gelingt, die kryptsichen Zeichen zu entziffern.
Daher macht sich Bran auf die Reise zur Stadt Ynis Heneziad. Jenseits des Meeres von Sens harrt dort in der Welt größter Bibliothek das Buch Haleth seiner Entschlüsselung. In einem Dorf am Meer bucht der Erzmagier beim spröden wie ehrlichen Kapitän Tor eine Passage über die See, die er zwar alleine anzutreten gedenkt, die er jedoch schließlich der Umstände halber in Begleitung der Elfin Aelfinn sowie der stummen Ednah vom Volke der Elwood antritt.
Während sich in Ynis Heneziad Bran der Prüfung des Buches Haleth stellt und stirbt, müssen sich Tor, Aelfinn und Ednah auf den Straßen der Stadt ihrem eigenen Kampf stellen.
Und das ist erst der Anfang auf einem Weg, der in den Sieg oder die Niederlage Fedaths mündet.
Dass der 1970 in Pontivy/Frankreich geborene Szenarist Jean-Luc Istin dem im weitesten Sinne keltischen bzw. nordischen Sagenkreis verbunden ist, zeigt sich nicht nur in seinen Comic-Reihen „Drachenblut“ und „Die Druiden“, sondern wird auch im „Herrn der Finsternis“ sowohl in vielen Namen - die bei Istin allerdings in der Regel nur Namen und ohne zwingenden inhaltlichen Bezug zu ihren mythologischen Vorlagen sind - als auch in auftretenden Wesenheiten sowie der druidisch anmutende Magie des Ordens Ravenfeld deutlich.
Dieses und sein Faible für christliche Erlösungsmythologie verbinden Istin mit einem der Großen der epischen High Fantasy-Literatur, J. R. R. Tolkien. Das und die Tatsache, dass zu dem Zeitpunkt, als der erste Teil des Comics entstand, Peter Jacksons Film-Adaption der tolkien'schen Trilogie in aller Mundes war, mag die Parallelen erklären, die zwischen dem „Herrn der Finsternis“ und dem „Herrn der Ringe“ in zahlreichen Elementen erkennbar sind und die es dem Leser zuweilen schwer machen, nicht an ein Plagiat seitens Istins zu denken. Dabei bezieht sich dieser unausgesprochene Vorwurf explizit nicht auf den Grundplot, den Überfall einer zunächst aus dem Hintergrund wirkenden bösen Macht auf die friedlichen Völker einer Welt, denn dieses Motiv ist gleichsam ein Archetypus nicht nur der Fantasy-Literatur.
Es sind Details wie die Figur des Bran einschließlich ihrer spirituellen Läuterung, die nicht mehr als eine charismalose Kopie Gandalfs ist, es sind die Orks, Elfen und geflügelten bzw. titanischen Kreaturen des Bösen, die an Hobbits erinnernden Elwoods, die epischen Schlachten bis hin zu der Konstruktion der gigantischen steinernen Monumente, welche Dyfed als reduziertes Abbild Mittelerdes erscheinen lassen.
Auch jenseits der - euphemistisch formuliert - „Herr der Ringe“- und oder Bibel-inspirierten Details bietet Istins Geschichte kaum Ideen, die über hinlänglich bekannte phantastische und mythologische Klischees hinausgehen, angefangen beim Schöpfungsmythos aus dem Baukasten bis hin zum finalen Kampf der beiden Hauptkontrahenten.
Zu dieser handlungsbezogenen Einfallslosigkeit gesellt sich ein nervtötend pathetischer Sprachduktus, der allenfalls LARP'er (Live Action Role Playing) unter den Lesern in Entzücken versetzt.
Das betrübliche Zwischenfazit an dieser Stelle lautet somit: Wäre Istins Geschichte als Roman erschienen, wäre das Werk in seiner Plattheit schlichtweg unerträglich.
Doch glücklicherweise handelt es sich nicht um einen Roman, sondern ein Werk der neunten Kunst, und erfreulicherweise stammt das Artwork von Dim. D.
In visueller Hinsicht ist „Der Herr der Finsternis“ beeindruckend und mitreißend, auch wenn in einigen Szenen - insbesondere solchen, in denen die Elfin und die Elwood das Geschehen dominieren - das Artwork merkwürdig glatt und emotionslos wirkt. Doch diese Passagen sind an der Zahl so gering, dass sie im opulenten Bilderreigen nahezu untergehen. Epische, doppelseitig und/oder dynamisch in Szene gesetzte Schlachten, monumentale Architekturen, detailreiche Hintergründe sowie interessante optische Texturen von Figuren und sonstigen Bildelementen ziehen den Leser in ihren Bann.
Das Bemerkenswerte sind jedoch nicht die Bildkompostionen, denn die sind bei all ihrer Stärke tatsächlich relativ konventionell, sondern es ist Dim. D's fantastische Koloration: In der Regel legt er sie seitenweise an, d.h. innerhalb einer Seite sind die Farben in sich und atmosphärisch stimmig, zwischen den Seiten jedoch sind die Kontraste zum Teil insofern extrem, als sie mehrere Kontrast-Arten umfassen (hell-dunkel, kalt-warm, qualitativ und quantitativ). Das Resultat ist eine hinreißende Lebendigkeit des Artworks, die sich in Gänze allerdings erst beim Durchblättern offenbart.
Ein paar Worte zur Aufmachung: Ohne Frage, die technische Qualität dieser Edition (Druck, Papier, Verarbeitung) ist - wie bei dem hohen Preis nicht anders zu erwarten - „State of the Art“. Das, was diesen umfangreichen Hardcover-Band verglichen mit hochpreisigen Comic-Editionen z.B. des CrossCult-Verlages oder auch anderen Publikation der Ehapa Comic Collection jedoch als unzeitgemäß erscheinen lässt, ist das Fehlen eines redaktionellen Teils, der bedauernswerte Mangel an Hintergrundinformationen zu Künstlern und Werk. Das Stichwort an dieser Stelle lautet: Zusatznutzen durch Infontainment statt bloßem Entertainment.
Fazit: Eine „High Fantasy“-Geschichte von der Stange, mit einem Artwork Dim. D's, welches den Leser für die Uninspiriertheit Istins mehr als entschädigt. Daher: empfehlenswert!