Serie: Albatros, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Ihre Flucht vor den Avancen des örtlichen Gouverneurs führt Ende des 19. Jahrhunderts die junge Ombeline an Bord des Piratenluftschiffes "Albatros" (Vgl. Band 1, "Shanghait"). Hier führt als Kapitän die vom Vogelflug obsessiv besessene, verschroben wirkende Matrone Emerance ein rücksichtsloses Regime. Obgleich der Frau Kinder nichts bedeuten, erkämpft sich Ombeline dank Fürsprache aus der Mannschaft und ihres Mutes - das Mädchen nimmt nicht ganz freiwillig an einem Flugexperiment seiner neuen Herrin teil - einen Platz innerhalb der Crew derber Seeleute. Ihr Platz ist fortan in der Kombüse, wo ihr der Smutje der "Albatros" ein so guter Freund wird, wie man es in der rauen Gesellschaft erwarten kann.
Ombelines Leben ist allerdings nicht nur hart, es ist auch nach wie vor in Gefahr, denn die Armee des Gouverneurs, ihres Onkels, folgt der Flugroute der "Albatros". Als das Schiff während eines Unwetters auf einem Berg strandet, wird die Lage so brenzlig, dass das Mädchen erneut in das fragwürdige Fluggeschirr steigen muss, mit dem sie zuvor ihren Mut unter Beweis stellte. Nach Vorstellung Emerances soll Ombeline im Schatten der Nacht in die Mitte des verfolgenden Heeres fliegen, um das Munitionsdepot des Feindes zu sabotieren. Zwar gelingt der Plan, doch der Kampf ist nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.
Während eines Scharmützels mit den gouvernalen Truppen, in welchem der Kapitän verletzt wird, trifft Ombeline auf ihre Freundin Alyette. Nachdem sich die beiden Mädchen überglücklich in die Arme gefallen sind, beschließen sie, trotz Emerances Kinderverachtung gemeinsam an Bord der "Albatros" zurückzukehren.
Für die Piraten ist die Lage an Bord immer noch verzweifelt, denn das Luftschiff hängt nach wie vor gestrandet an der Spitze des Berges fest. Zwar gelingt es der Mannschaft, sich um den Preis des Auseinanderbrechens des Schiffes wieder in die Lüfte zu erheben, doch die Rumpf-Rudimente des ehemals stolzen Bootes sind kaum flugfähig. Das Unvermeidliche geschieht: Die Reste der Albatros müssen notlanden.
Mehr noch als der erste Band, "Shanghait", belegt "Der böse Blick", dass ein begnadeter Zeichner kein guter Autor sein muss und es insofern nicht immer vorteilhaft ist, wenn Artwork und Story in einer Hand liegen.
Die zwar linear konstruierte, aber dennoch unrhythmische Geschichte kommt spannungsarm und simpel daher; zusammengeschustert aus hinlänglich bekannten Story-Elementen, fehlt es ihr an nennenswerten zündenden oder originellen Ideen, zumal zentrale Fragen des ersten Bandes nicht hinreichend fortgeschrieben oder beantwortet werden.
Die Dialoge scheinen oftmals geschwätzig, plattitüdenhaft und geben so wenig aus dem Seelenleben der Protagonisten preis, dass viele ihrer Handlungen und Beweggründe rätselhaft bzw. unerklärt bleiben. Weder die Obsession Emerances für Vögel, noch die Beziehung zwischen Ombeline und dem Kapitän sowie zwischen Ombeline und Alyette verlassen die Sphäre der Oberflächlichkeit und Trivialität, so dass das Beziehungsgeflecht, welches die drei Charaktere verbindet und in dem alle übrigen Figuren nur Staffage sind, weniger durch Intensität und Stringenz als vielmehr durch Wankelmütigkeit gekennzeichnet ist. Insbesondere Emerance agiert in ihrer Entscheidungsfindung und -durchsetzung generell so schwach, dass man sich fragt, ob die Mannschaft in ihr nicht eher eine Art bizarres Maskottchen sieht als eine ernstzunehmende Anführerin. Aber auch Ombelines Begeisterung dafür, von der Mannschaft mit Gewalt - im wahrsten Sinne des Wortes - gebrandmarkt zu werden, um sie als Mitglied der Besatzung zu kennzeichnen, entzieht sich dem Verständnis des Lesers.
So dürftig die Geschichte, so hinreißend das Artwork. Mit leichtem Strich gelingt es Vincent durchweg, die Balance zu halten zwischen notwendigen, Atmosphäre schaffenden Details und der Reduktion von Figuren und Umgebung auf das narrativ Wesentliche. So kann es geschehen, dass eben noch bspw. das Korsett Emerances oder der Faltenwurf eines Kleides zwar nicht akribisch, so doch bei aller Leichtigkeit mit spürbarer Hingabe gezeichnet sind, während einige Panels später Figuren ohne "echtes" Gesicht agieren.
Die eigentliche Stärke des Artworks liegt jedoch in der Koloration. Das Zusammenspiel der Farben, die Kontraste von weißer Haut zu rotem Stoff, die Komplementarität etwa von Rot und Grün sowie die trüben, gedeckten Töne der Umgebungen erschaffen in Verbindung mit den Zeichnungen eine intensive Atmosphäre, die auf der einen Seite geprägt ist durch unterschwellige Erotik und schwülstige Dekadenz, auf der anderen durch eine allgemeine Tristesse und Beklemmung.
Fazit: Das atmosphärisch dichte, intensive Artwork kann die Schwächen der Story - bedauerlicherweise - nicht aufwiegen, so dass am Ende nur ein "bedingt empfehlenswert" steht.