Titel: Das Cape Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Als kleiner Junge stürzt Eric beim Superhelden-Spielen von einem Baum. Zwar kommt er knapp mit dem Leben davon, aber die Verletzungen sind so schwer, dass er auch noch als Erwachsener an den Folgen leidet; das blaue Cape, das er damals trug, landet für Jahre in seinem Schrank.
Heute ist Eric ein gescheiterter junger Mann: die Beziehung mit seiner College-Liebe Angie ist den Bach runtergegangen, nachdem er seinen Pizza-Job verlor, sein Bierkonsum brachte ihn in Konflikt mit dem Gesetz und mittlerweile wohnt er wieder bei seiner Mutter im Keller.
Eines Nachts meldet sich das längst vergessene Cape zurück, indem es ihn urplötzlich in die Lage versetzt, zu fliegen. Doch anstatt seinem Leben eine positive Wendung zu geben, sucht Eric nun geradezu euphorisiert die Rache an jenen, die er für sein verpfuschtes Leben verantwortlich macht: an Angie, die er brutal tötet, an seinem erfolgreichen Bruder Nicky, der damals dabei war, als der Unfall passierte, und an der Polizei, die den Mörder Angies jagt. Selbst die eigene Mutter fällt dem Psychopathen zum Opfer; und mit ihr viel Unschuldige.
Joe Hill, seines Zeichens Sprössling Stephen und Tabitha Kings, ist dem deutschen Comic-Fan durch seine extraordinäre Comic-Reihe „Locke & Key“ (dt. bei Panini) ein Begriff. Sein Œuvre umfasst jedoch auch einige belletristische Werke in Form (aktuell) zweier Romane und zahlreicher Kurzgeschichten, von denen eine dem vorliegenden Tradepaperback zu Grunde liegt.
Während Joe Hill in „Locke & Key“ nicht nur die Tiefe menschlicher Beziehungen und Abgründe auslotet, sondern darüber hinaus auch mit feiner Fantasy und hintergründigem Horror aufwartet, kommt „Das Cape“ in jedem Aspekt plakativ und vordergründig daher, bietet Trivialpsychologie aus der Klamottenkiste und lässt sich mit „Psychopath mit Superkräften mordet Menschen“ subsumieren. Die Entwicklung Erics vom Loser zum mordenden Arschloch ist abgeschmackt, unoriginell, vorhersehbar und damit todlangweilig erzählt; die stereotypen, klischeehaften familiären und persönlichen Konflikte entlocken einem höchstens ein müdes Gähnen und einzig die Inszenierung der monströsen Gewalt bringt den einen oder anderen Voyeur zum Grinsen. Die Story wirkt so ausgelutscht, so flach und banal, dass sie nicht einmal zu einer inspirierten und inspirierenden Dekonstruktion des Superhelden-Mythos' oder gesellschaftlicher Werte taugt.
Alleine das grimmige, dunkle und visuell tiefe Artwork verhindert das Abgleiten dieses Tradepaperback in die vollkommene Bedeutungslosigkeit.
Fazit: Das grimmig-schmutzige, visuell gefällige Artwork vermag die Banalität der Story und die Trivialität des Hauptcharakters nicht zu kaschieren. Wem eine Handvoll gefällig inszenierter Morde zur Glückseligkeit verhilft, der kann dennoch zugreifen.