Reihe: Band 2 Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
Mein Sichtfeld reichte nur noch bis zum Ende meiner Arme. Alles andere versank in grauem Nichts und erinnerte mich an meine Albträume.
Jemand fasste mich am Arm. Sagte etwas. Unverständlich. Ich grinste die Gestalt an. Erkannte eine Frau. Und schloss die Augen. Ich spürte noch, wie ich zur Seite kippte und gegen einen Körper stieß, mehr bekam ich nicht mehr mit.
INHALT:
Beim Chivvy der Percents, das Joys Chance zur Flucht sein sollte, wurde ihr geliebter Néel von ihrem eigenen Clan gefangen genommen - und gefoltert, was sie nicht verhindern konnte. Dann erfährt sie von seinem Tod, und sie weiß, dass sie nicht mehr bleiben kann, denn ihre Freunde sind nicht länger ihre Freunde. Sie macht sich auf die Suche nach Antworten auf die Fragen, die ihr keine Ruhe lassen wollen. Doch vor allem will sie noch immer nicht ihre Hoffnung auf Frieden aufgeben. Auf Frieden zwischen Menschen und Percents. Und auf Frieden in ihrem Herzen...
MEINE MEINUNG:
"Dark Canopy" von Jennifer Benkau konnte letztes Jahr viele, viele Bücherfans begeistern, nun schließt die Autorin mit "Dark Destiny" direkt an die Geschehnisse aus Teil 1 an und zeigt uns wieder einmal, was für ein Schreibtalent sie besitzt. Es dauert nicht lang, und man fühlt sich Ich-Erzählerin Joy wieder genauso nahe, erlebt ihre Ängste mit und auch ihre Glücksmomente. Zwischenzeitlich wird dieser Schreibstil unterbrochen von Kapiteln aus der Sicht einer weiteren Person in der dritten Person, die auch deren Gefühle deutlich machen.
Die vergangenen Ereignisse haben Joy zu einer verzweifelten und gefährlich furchtlosen Frau gemacht, die um jeden Preis die Antworten auf ihre Fragen haben möchte. Noch immer kann sich der Leser perfekt mit ihrer starken, aber manchmal auch verletzlichen, Art identifizieren, auch wenn ihre Gedankengänge nun verständlicherweise noch etwas düsterer sind. Am meisten hat sich allerdings wohl Néel verändert: In gewisser Weise ist er gebrochen, was schon am Anfang schnell klar wird. Dennoch ist er ein Charakter, den man einfach lieben muss, weswegen man mehr als alles andere auf ein gutes Ende für ihn hofft.
Weitere altbekannte Charaktere lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten, und besonders das Wiedersehen mit Joys ehemaligem besten Freund Matthial ist eine Geduldsprobe. Er will alles richtig machen und tut dabei so viel Unrecht, dass es nur schwer zu ertragen ist. Figuren wie der frohe, hilfsbereite Graves oder der kleine Edison lockern das Geschehen auf, während die blinde, verbitterte Alex oder Matthials ängstlicher Bruder Josh eine frustrierende Grundstimmung verbreiten. Die Persönlichkeiten könnten unterschiedlicher nicht sein, werden dabei jedoch nie schwarz-weiß gezeichnet, sondern wirken immer authentisch und glaubwürdig.
Anfangs mag "Dark Destiny" für diejenigen, bei denen Band 1 schon eine Weile her ist - wie bei mir - etwas verwirrend sein, da es sich nicht mit Erklärungen aufhält. Im Laufe der Handlung werden aber immer wieder Informationen eingestreut, die beim Verstehen helfen. Spannend ist das Werk von der ersten bis zur letzten Seite, denn nicht nur formiert sich der Widerstand der Rebellen gegen die Percents, auch muss Joy mit ihren eigenen Problemen und Ängsten fertig werden. Es passiert viel, aber es wird nie unübersichtlich, und die Autorin versteht es hervorragend, den Leser mitzureißen und ihm schließlich auch eine gut durchdachte Erklärung dafür zu liefern, wie es zur Herrschaft der Soldaten über die Menschen kommen konnte.
Dies hier ist jedenfalls ein Buch, bei dem man viele, sehr viele, ja, Unmengen Tränen vergießt - Tränen des Glücks, Tränen der Freude, Tränen des Verlustes und letztendlich auch Tränen darüber, dass es zu Ende ist; auch wenn es noch so passend und noch so wunderbar geschrieben sein mag. Machen wir uns nichts vor: Abschied ist schwer. Und besonders schwer ist der Abschied von Joy, von Néel, von allen, die dazu gehören und von einer ganz besonderen Geschichte. Aber es ist gleichzeitig auch ein guter Abschied, denn er gibt Hoffnung, selbst wenn er auf die ein oder andere Weise traurig ist. Besser geht es eben einfach nicht.
FAZIT:
Jennifer Benkau versteht es beinahe schon unverschämt gut, den Leser so mitzureißen und mitfühlen zu lassen, dass dieser nicht anders kann, als das ein oder andere Mal aus den verschiedensten Gründen in Tränen auszubrechen. "Dark Destiny" ist, genau wie der Vorgänger, unglaublich dramatisch, spannend, durchdacht und allgemein in allen Belangen perfekt. So müssen Dystopien sein! Von mir ganz klare 5 Punkte und eine unbedingte Empfehlung.