Serie: Träume #1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Auf eine Annonce hin bewirbt sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts Mademoiselle Coraline Ducet als Gouvernante für den jungen Sohn eines Herzogs. Während die Bediensteten - der Butler Ekborn sowie die Hausdame Guérande - die junge Frau freundlich-distanziert empfangen, erweist sich der Spross des Hauses als übellauniger, arroganter Gernegroß, dessen einziger Lebensinhalt seine absonderlichen Erfindungen sind, welche überall im Herrenhaus und auf dem riesigen Anwesen von der Brillanz ihres Schöpfers künden sollen.
Doch nicht nur der Junge und seine Erfindungen sind für Coraline ein Mysterium; etwas anderes, etwas, über das sich Ekborn und Guérande in Andeutungen ergehen, scheint hinter der idyllischen, friedlichen Fassade zu lauern. Und dieses Unbekannte beschert der jungen Frau Nacht für Nacht erotische Träume.
„Träume: Coraline“ ist ein Comic-Album, in dem die Geschichte Filippis ganz im Dienste des Artworks Dodsons und damit also der Inszenierung nicht nur von Weiblichkeit und Erotik, sondern auch einer stimmungsvollen, leichten Atmosphäre steht.
Auch wenn es dem Autor in erster Linie darum geht, sowohl die Hauptprotagonistin als auch Landschaften wie Ambiente in einen gefälligen Blickwinkel zu rücken, und ihm an einer tieferen Ausarbeitung des Hintergrunds nicht gelegen scheint, so weist die Story einen leichten Mystery-, Abenteuer- und Steampunk-Touch auf, der ihre gröbsten Schwächen - den fehlenden roten Faden, die eindimensionalen Charaktere, die schwache innere Logik oder die zahlreichen offenen Fragen - zumindest leidlich kaschiert. Nichtsdestotrotz ist von Anfang an klar: Es geht um das Visuelle und nicht um das Storytelling oder um erzählerische Tiefe bzw. Stringenz.
Der US-Amerikaner Terry Dodson, der Kennern des Superhelden-Genres als Zeichner von Serien wie „Harley Quinn“, „Marvel Knights: Spider-Man“ oder „Wonder Woman“ ein Begriff sein dürfte, zeigt in „Träume: Coraline“ eine andere Facette seines Könnens.
Idyllische, pittoreske Gartenlandschaften, viktorianische Herrenhausarchitektur, skurrile Maschinen, ein Hauch von Art Déco in den Accessoires und nicht zuletzt eine attraktive Hauptfigur mit erotischer Ausstrahlung laden den Leser zum visuellen Verweilen und zum Träumen ein.
Erfreulicherweise begeht Dodson nicht den Fehler, die Erotik plump und vulgär zu inszenieren, auch wenn die Posen Coralines oft frivol bzw. lasziv fordernd sind. Vielmehr steht der Künstler stilistisch in der klassischen Pin-Up-Tradition, in der es nicht primär um explizite Nacktheit geht, sondern um das provozierende, leicht anrüchige Verhüllen. Dementsprechend gering ist - objektiv betrachtet - der Anteil jener Bilder, auf denen eine entblößte Brust zur Erbauung beiträgt.
Da die Erotik so wenig vulgär inszeniert ist und zudem dem malerischen, lichten Artwork eine stark romantische Attitüde innewohnt, ist das Comic mitnichten nur etwas für männliche „Heteros“, sondern richtet sich grundsätzlich an alle Leser und Leserinnen, die Spaß an wunderschönen, dekorativen Bildern und ungezwungener Frivolität haben.
Fazit: eine erotische Geschichte, sommerlich leicht und charmant visualisiert von Terry Dodson. Zauberhaft!