Serie: Orbital Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Im Jahre 2278 tritt die Menschheit nach einem globalen Referendum der Konföderation bei, einer interstellaren Organisation, unter deren Dach 782 Spezies eine friedliche Koexistenz anstreben und deren Hauptsitz und Machtzentrum die Raumstation "Orbital" ist.
Während der Abstimmung zeigt sich, dass der Beitritt nicht unumstritten ist und ein ideologischer Riss quer durch Menschheit geht. Insbesondere die rassistischen, militanten Isolationisten versuchten durch Terroranschläge, die interstellare Integration zu sabotieren.
Die Lage eskaliert, als die Isolationisten zwei Jahre später die weltweiten Wahlen gewinnen und einen Krieg mit den Sandjaren vom Zaun brechen, der beinahe mit der Vernichtung der Alien-Spezies endet und in dessen Folge die Menschheit kurz vor ihrem Ausschluss aus der Konföderation steht.
15 Jahre später bemühen sich die mittlerweile herrschenden Pro-Konföderierten darum, eine gute Reputation der Menschheit aufzubauen, weil die Terraner von vielen Spezies immer noch mit Argwohn und Herablassung betrachtet werden.
Einer dieser Pro-Konföderierten ist Kaleb Swany, welcher als erster Mensch die Agenten-Prüfung der IDA (Interweltliche Diplomatische Abteilung) ablegt. Im Zuge des Aufnahmerituals wird ihm als fester Partner der ebenfalls frisch in den Dienst gestellte Sandjare Mezoke Izzua zugewiesen, mit dem er fortan ein sogenanntes Binom bildet, die traditionelle symbolische Einheit der IDA, welche den Wert des Friedens innerhalb der Konföderation abbilden soll.
Ihr erster Auftrag führt die beiden neu gekürten Diplomaten auf den Planeten Upsall bzw. dessen Mond Senestam, auf dem terranische Flüchtlinge des Menschen-Sandjaren-Krieges eine kleine Kolonie aufgebaut haben und sich dem Trellium-Abbau widmen. Bisher stand einer friedlichen Koexistenz zwischen Menschen und der heimischen Spezies der Jäwloden nichts im Wege, doch in letzter Zeit mehren sich die Spannungen zwischen den Spezies, die im Verschwinden dreier jäwlonischer Piloten gipfeln.
Swany, Izzua und das sie unterstützende Team der IDA - darunter auch die alte Raumpilotin Nina Liebert sowie ihr lebendes Schiff Angus, das letzte existierende freie Nevronom - sollen sowohl das Schicksal der Piloten klären als auch die Lage zwischen Menschen und Jäwloden deeskalieren. Doch vor Ort müssen sie schnell feststellen, dass es Parteien jeder Fraktion - der Jäwloden, der Menschen und auch innerhalb der IDA - gibt, denen das Scheitern der Agenten zu sehr ins politische Kalkül passt, als dass sie nicht alles versuchen würden, den schwelenden Konflikt in eine massive kriegerische Auseinandersetzung umschlagen zu lassen.
Aufwändig produzierte SF-Comics, die jenseits von Action oder mangahaft aufbereiteten Teenager-Abenteuern ihren thematischen Schwerpunkt im Bereich der Social Fiction haben, sind heutzutage eher selten.
"Orbital" gehört zu diesen wenigen Publikationen, die versuchen, vor einem zwischen Dystopie und Utopie schwankenden, komplexen Hintergrund eine Geschichte zu erzählen, in der nicht die plakative Action oder nette Bilder im Vordergrund stehen, sondern glaubhafte, machtpolitisch motivierte und von Dialogen getragene Aktionen.
Natürlich erscheinen einige Charaktere bei näherer Betrachtung relativ stereotyp und selbstredend wird der SF-Freund Storyelemente finden, die ihm aus TV-Shows oder Romanen bekannt vorkommen; das ändert jedoch nichts daran, dass es Runberg gelungen ist, ein rundes, lebendiges Universum zu erschaffen, welches problemlos Raum für weitere Comics oder sogar Romane böte.
Ein kleines Detail, das zwar für die Geschichte nicht von Bedeutung ist, das mich jedoch ein ums andere Mal irritierte und auf das ich der Vollständigkeit halber hinweisen möchte: Bei den Isolationisten unter den Menschen handelt es sich nicht um Rassisten, sondern um Speziesisten, da es sich bei den Aliens des Orbital-Universums nicht um andere Rassen, sondern um andere Spezies handelt. Aber das nur am Rande.
Das Artwork Pellés ist unaufdringlich unspektakulär und ordnet sich mit seinem klassischen Seitenlayout ganz der Story unter. Der ruhige, auf Dialogen und zwischenhumanoider Interaktion aufbauende Grundtenor der Geschichte spiegelt sich in den relativ statischen, narrativen, gehaltvollen Zeichnungen wider, die es dem Leser insbesondere wegen der individuell gestalteten Figuren leicht machen, sich ganz auf die wendungsreiche Story zu fokussieren und nicht den Überblick zu verlieren.
Bei der Koloration bedient sich Pellé einer reduzierten Farbpalette aus pastellhaften, ins Schmutzige spielenden Tönen, vermeidet schwarze Flächen und tiefe Schatten, wenn diese nicht unbedingt notwendig sind, mit der Folge, dass die einzelnen Panels bezogen auf den Hell-Dunkel-Kontrast etwas kontrastarm und visuell bieder erscheinen. Nichtsdestotrotz trägt Pellés Kolorierung allein durch die Farbtonauswahl unbestreitbar zur utopischen Atmosphäre des Comics maßgeblich bei.
Der redaktionelle Teil ist für Splitter-Publikationen relativ umfangreich und liefert neben einer Vorstellung von Autor und Zeichner kurze Steckbriefe der Hauptprotagonisten, einen Abriss des Orbital-Universums sowie einige Sketchbook-Impressionen.
Fazit: Die klassische, wendungsreiche - und trotz einiger Action-Sequenzen eher ruhige - "Science Fiction"-Story sowie das alles in allem unspektakuläre Artwork machen "Orbital" zu einer unbedingten Empfehlung für Leser, denen die Geschichte wichtiger ist als die Bilder.